VMCG Schachfestival – Hannes landet auf dem geteilten 4. Platz!

47.Txb6 – das war der Gewinnzug in Hannes‘ letzter Partie (Diagramm). Am Ende teilte sich Hannes den 4. Platz u.a. mit zwei GM, einem IM und einem FM. Das ist ein fabelhafter Erfolg. Am spannendsten war, wie Hannes mittlerweile seine Partien gestaltet: variabel, vielseitig und technisch enorm stark. Fazit: Der Mann ist reif für den FM-Titel. Glückwunsch. Glückwunsch auch an die Veranstalter und Sponsoren, die wieder einmal ein sehenswertes Turnier organisierten und ermöglichten. Lüneburg ist eine gute Adresse – es sei denn, man muss am Sonntag in aller Frühe in den hohen Norden fahren und dort als Gastmannschaft antreten…

Noch einmal Gas geben?

Runde 9

Da am Vormittag die übrigen Gruppen (GM-, IM-Turnier und B- und C-Open) ihre letzten Partien spielten, fand das A-Open wie bisher am Nachmittag um 16:00 Uhr statt. Für die Teilnehmer bedeutete dies die Wahl zwischen einer nächtlichen Heimreise oder einer weiteren Übernachtung. Wer also nichts mehr zu gewinnen hatte, dürfte da sicher mit einem schnellen Remis  liebäugeln. Und die, die etwas zu gewinnen hatten, versuchten dies und schauten mitunter in die Röhre.

  • Das GM-Turnier

…gewann ein IM, nämlich Nikolas Lubbe mit 6 P vor den Großmeistern Karpatchev, Vorobiov, und Simantsev (alle 5 P). WGM Sarah Hoolt besiegte zum Schluss noch Elisabeth Pähtz, sicherte sich eine IM-Norm und verbannte ihre Konkurrentin auf den vorletzten Platz.

  • Im IM-Turnier

…änderte sich nichts: es gewann FM Alexander Rieß vor GM Petar Genov (BUL). Beide erzielten 6,5 P und in der 3. Feinwertung (sic!) hatte der u 16-Meister dann 0,25 Punkte mehr. Auch in diesem Turnier gab einen Kampf, an dem nur das weibliche Geschlecht beteiligt war. WIM Judith Fuchs schlug WGM Melanie Lubbe und sicherte sich die letzte WGM-Norm. Im FACEBOOK -Blog wurde von „Kaffehaus-Schach“ geschrieben, allerdings war dies ein Lob, denn die Kiebitze sollen aus dem Häuschen gewesen sein.

  • Im A-Open

…sicherte sich GM Vorobiov mit einem Salonremis gegen GM Karpatchev nach 13 Zügen den alleinigen Turniersieg, was dem Hamburger Malte Colpe alle theoretischen Hoffnungen auf den Turniersieg nahm: er schaute in die erwähnte Röhre. Warum Karpatchev mit Weiß nicht auf Sieg spielte, um selbst das A-Open zu gewinnen, steht in den Sternen. Da ich ein argloses Gemüt habe, vermag ich nicht einmal zu spekulieren. Immerhin beendete Colpe das Turnier mit seiner 3. und letzten notwendigen IM-Norm.

Das erklärt die Zeitnot: Hannes studiert die Siegerfotos (Foto: Andreas Albers)

Hannes hatte es indes mit dem Tostedter Jakob Kneip zu tun, der zumindest den Spielern unserer Zweiten gut bekannt sein dürfte, saß er doch in der Landesliga mit am Brett, als die Tostedter bei uns mit 7-1 gewannen. Jakob Kneip hatte allerdings mit 3 P (9) keine spektakuläre Saison. Mittlerweile spielt er beim TV Fischbek Suederelbe. Den Verein muss man erst einmal finden. Die DWZ-Zahlen waren beim Bezirk Lüneburg eingetragen, die „Schachgruppe Süderelbe im TSV Fischbek“ spielt jedoch in der Hamburger Stadtliga A.

Hannes hatte nach den Turbulenzen des Vortages genug von Taktik und legte einen „technischen Tag“ ein. Auf’s Brett kam eine Stellung, die Geller und Petrosian vor 60 Jahren früh resignierend Remis gegeben hatten – nach 11 Zügen. Die Stellung muss aber reichlich Sprengstoff besitzen, denn Hannes hatte laut Online-Uhr nach 16 Zügen bereits eine Stunde verbraten. Vielleicht ein Übertragungsfehler. Nach 20 Minuten dann der Paukenschlag: Hannes entkorkte einen Zug, den auch Stockfish spielen würde und der seine Stellung von 0.20 auf 0.22 verbesserte. Ich griff zu einem Krimi. Ganz ohne Aufregung sollte der Tag nicht verstreichen…
Ich sollte mich irren.

Nach der Partie ging mir langsam ein Licht auf. Die wirklich subtilen Züge waren 18.Lf3 (linkes Diagramm) und 28.Tb7-b5, wonach die rechte Stellung entsteht. 18.Lf3 deckt den Td1, bereitet d4-d5 vor und droht in der Schlagfolge mit Lf3-g4, was den Turm auf d7 in Bedrängnis bringt. Die rechte Position ist eigentlich kaum zu gewinnen, aber der weiße Plan besteht im Vorrücken des a-Bauern bis a6. Das Kunststück besteht dann darin, dass man Tb7 dann spielt, wenn Schwarz gezwungen ist, auf b7 zu nehmen. Das wird durch das Nachrücken des b-Bauern erzwungen. Und tatsächlich kriegte dies Hannes hin. Es ist schon verblüffend, wenn ein 16-Jähriger spielt wie ein Meister mit jahrzehntelanger Turniererfahrung. Kommen wir jetzt aber zur entscheidenden Partiephase.

Ewert2266Kneip21071–0B00VMCG-Schachfestival9Lüneburg16.07.2017Thal
38.a6 38.g5+! hxg5 39.hxg5+ g7 40.a6! f5 41.b7 f8 42.d5 e5 43.b4 xb7 43...e8 44.b5 f8 45.xe7 xe7 46.b6+- 44.axb7 d6 45.b5 e7 46.e3+- und Weiß dringt in die Stellung ein, zumal der sK ja auch das Feld f7 bewachen muss. 38...c7 39.h5 d4 39...gxh5 40.xh5 g6 41.b5± 40.d5 Und erneut ist 40.g5+‼ möglich: hxg5 40...g7 41.b7 e5 42.e4 d6 43.hxg6 fxg6 44.gxh6+ xh6 45.d3 h2 46.f4 g7 47.b4+- 41.h6+- b6 42.d5 d4 43.b8 g4+ 44.xg4 e5 45.c4 d6
46.g8‼ 46.h7?! f5+ 47.g5 xh7 48.d8+± 46...f5+ 47.g5 xf2 48.xg6 d4 49.h7+-
40...b6 Hannes hat mit seiner eiskalten Strategie tatsächlich den Gegner ins Wanken gebracht. Einige Manöver war extrem genau und außerordentlich stark. Aber möglicherweise war nicht alles perfekt, denn zumindest 40.g5 scheint zu gewinnen. Aber hier musste Hannes wohl der knappen Zeit Tribut zollen. 41.hxg6 gewinnt jetzt und es wäre Hannes zu gönnen, wenn er diesen Zug findet. 41.hxg6 Er tut es. fxg6 41...xg6 42.d6+ g7 43.xb6+- 42.d6+! Jetzt dürfen wir gespannt sein! g7 43.g2!? Schade. Ich bin sicher, dass Hannes an dem Qualleopfer herumgerechnet hat, aber ihm das Ganze nicht geheuer war. 43.xb6 axb6 44.d5 a7 45.b7 f7 46.e4 e6 47.b4 h5! 48.gxh5 gxh5 49.f4 f6 50.b5 g6 51.e5 h4 52.d6 h3 53.c7 h2 54.xb6 xb7+ 55.axb7 h1 56.b8+- 43...c5 44.d8 e7 45.d5 b6 46.d6 e4? Jetzt aber! 47.xb6 Phantastische Technik. Wenn sich Hannes in diese Richtung weiterentwickelt, werden wir noch viele langweilige Gewinnpartien von ihm sehen. 47.xb6 axb6 48.a7 e8 49.d5 g5 50.a8 xa8 51.xa8+-
1–0

Die Bilanz dieses stark besetzten Turniers ist für Hannes außerordentlich gut: 6½ Punkte (+5 =3 -1) und eine exzellente Weiß-Bilanz (+4 =0 -1). Dazu kommen vermutlich noch 6-7 ELO-Punkte, sodass der FM-Titel in greifbare Nähe gerückt ist.
Entscheidender ist aber, dass Hannes eine beeindruckende Variablität entwickelt hat. Er kann taktische Partien, aber auch „Schlaftabletten-Schach“ spielen und damit ebenfalls seine Punkte einsacken. Die Möglichkeit, in einem strapaziösen Turnier den Rhythmus zu wechseln, ist ungemein wichtig. Sportlich war dieses Turnier kaum weniger wichtig als der Vize-Titel bei der DJEM.

Tabelle nach Runde 9 (Plätze 1-30)

Wir bedanken uns beim Veranstalter des VMCG Schachfestivals für die Nutzung des Bildmaterials.

Links: