Herbe Niederlage für die Zweite: 1-7 gegen Tostedt

IM Bokros und GM Varga hatten die Gäste zuhause gelassen – es reichte dennoch zu einem gelassenen 7-1 für den MTV Tostedt, der trotz einer feinen Nobeltruppe vermutlich nicht aufsteigen wird. Für unsere Zweite dürfte es auch dann nicht reichen, wenn das letzte Saisonspiel gegen NOH-Blanke 2 gewonnen wird.

Das Dokument des Schreckens

Wer gehofft hatte, dass sich die Zweite ähnlich wie gegen Lingen zu einer wehrhaften Leistung aufraffen würde, sah sich bald enttäuscht. MF Andre Böhme stellte bereits im 11. Zug gegen IM Emil Szalanczy eine Figur ein, kämpfte aber unverdrossen weiter, um der Mannschaft einen frühen Rückstand zu ersparen. Irgendwann war es doch vorbei und Andre musste sich mit dem Einpflegen der Spielberichtskarte beschäftigen – ein Dokument des Schreckens.


Mehr oder weniger chancenlos war auch Martin Hart gegen den zweiten Titelträger der Gäste: „Locke“ spielte mit kleinem Zentrum eine rares Nebensystem und überließ IM Szeberenyi (Foto rechts) Raum, Zentrum und Entwicklung. In der Regel kennen Profis leider auch selten gespielte Setups. Im 28. Zug wurde Martin mattgesetzt, gegnerisches Damenopfer inklusive.

Kaum besser entging es Uwe Kuchemüller (rechts)  gegen den ChessBase-Programmierer Mathias Feist, der schon einige Male bei uns zu Gast war. Uwes König blieb in der Brettmitte, sein Zentrum wankte und der Tostedter zeigte dann ziemlich nachhaltig, dass er nicht nur Schach-Datenbanken programmieren kann, sondern sie auch zu Trainingszwecken nutzt: 0-1.

Etwas Hoffnung kam am zweiten Brett auf, wo sich Joachim Rein (Foto links) mit dem starken Jakob Kneip (ELO 2146) auseinandersetzen musste. Joachim hatte gegen Lingen eine tolle Partie gespielt – kam nun die Neuauflage? Im 11. Zug brachte Joachim eine gehaltvolle Neuerung aufs Brett und verbesserte damit eine GM-Partie. Im 17. Zug folgte eine positionelle Ungenauigkeit, im 25. Zug stand der Tostedter dann auf Gewinn. Es lief einfach nichts zusammen an diesem Sonntag.


War eigentlich mehr drin?

Ja, natürlich. Einige Partien waren sehr gehaltvoll, aber auch dort ging es meistens nur ums Remis. Im Fokus standen besonders die Partien von Reinhard Paul und unserem Topscorer Dominik Suendorf. Theoretisch bemerkenswert war Dominiks Partie. Und das hatte einen Grund.

Sein Gegner Wilfried Härig (Foto links) spielte im 8. Zug eine Variante, die vor Jahren noch als Theoriefehler galt, mittlerweile aber als rehabilitiert gilt. Härig vergab dann einige gute Chancen, sodass Dominik seine Chance erhielt:

[Event „Landesliga 2016/17“]
[Site „Hellern“]
[Date „2017.04.23“]
[Round „8.5“]
[White „Härig“]
[Black „Suendorf“]
[Result „1-0“]
[WhiteElo „1973“]
[BlackElo „1769“]
[Annotator „Thal“]
[SetUp „1“]
[FEN „1rbr2k1/3qpp2/p1np1np1/1p5p/4PN1P/2BB1PQ1/P1P3P1/1R3K1R w – – 0 25“]
[PlyCount „9“]
[EventDate „2017.??.??“]
[EventType „team“]
[EventRounds „9“]
[EventCountry „GER“]
[SourceDate „2015.09.05“]
[SourceVersionDate „2015.09.05“]
[WhiteTeam „MTV Tostedt“]
[BlackTeam „SV Hellern II“]
[WhiteTeamCountry „GER“]
[BlackTeamCountry „GER“]

{Nach ermüdendem Theoriestreit versucht der Tostedter in ausgeglichener
Stellung den Kampf zu verschärfen.} 25. Nxg6 {[%mdl 704]} Ng4 $4 {Der gut
gemeinte Widerlegungsversuch geht leider in die Hose.} (25… fxg6 26. Qxg6+
Kf8 27. e5 Nxe5 28. Bxe5 dxe5 29. Qh6+ Kf7 30. Qg6+ Kf8 31. Qh6+ {und Weiß
kann den Angriff nicht verstärken. Dauerschach ist die folgerichtige
Konsequenz.}) 26. fxg4 (26. Nf4 $1 {und die Figur hängt schlicht und
ergreifend.} b4 27. Bb2 f6 28. fxg4 (28. Be2 $18 {Stockfish}) 28… Qxg4 29.
Qxg4+ $18) 26… fxg6 27. gxh5 Rf8+ 28. Ke1 Qg4 29. Qxg4 $18 {Aber auch das
ist eine Gewinnstellung (66. 1-0).} 1-0

In Högy (ELO 2267) – Paul hatte Weiß 18.Kh1 mit leichtem Vorteil gespielt. Reinhard ließ sich zu der Schwächung 18…h5 hinreißen und wurde postwendend in der g-Linie geknetet. Nun ist Reinhard so schnell nicht zu entmutigen und tatsächlich kam er wieder einmal zurück und hatte dann auch prompt eine fette Remischance im 41. Zug. Leider sah er das Erforderliche nicht und eine weitere Null stand in der Bilanz. Theoretisch war diese Partie aber über weite Strecken ein Kampf auf Augenhöhe! Nachspiellink.


Zählbares gab es nur hinten

Der listige Ludger Wöllermann hatte bereits einmal in der Zweiten ausgeholfen: Remis. Gegen Janek Bieler (Foto rechts), den einzigen nominell schwächeren Gegner der Gäste, wäre am achten Brett diesmal ein voller Punkt drin gewesen. Aber wie gesagt: Nichts wollte so richtig klappen an diesem Sonntag. Und so gab es hier eine glückliche Punkteteilung für den Tostedter.
Nachspiellink.

Ein großes Lob verdiente sich Thomas Grosser, der für unsere Zweite den zweiten halben Punkt holte. Thomas verlor zwar ein Bauern, setzte aber sein Läuferpaar so geschickt ein, dass sein Gegner Thomas Ditze (ELO 1847) mit einem Remis zufrieden sein musste.
Nachspiellink.


Landesliga adé: kein Desaster!

Die Zweite, dies scheint festzustehen, wird die Landesliga nicht halten könnten. Die Gründe sind sportlicher Natur. Mit den beiden starken Profitruppen aus Lingen und Tostedt reduzierte sich die Anzahl der Wettkämpfe, in denen man punkten konnte, doch sehr spürbar.
Zudem verlor die Mannschaft an Qualität, weil Julian zur Lage sich wie vermutet in der Ersten festspielen musste und einige Abgänge und Dauerabsagen von Spielern und Spielerinnen im Leistungsbereich ELO 1950-2000 dem Mannschaftsführer wenig Spielraum boten. Die verbleibende Kerntruppe musste 10x hinten aufgefüllt werden. Dass vier Punkte geholt wurden, ist da schon ein Erfolg.

Insgesamt war die Liga einfach zu stark. Allein Topscorer Dominik Suendorf konnte mithalten. Er gewann fünf Partien, dem Rest des Teams gelangen nur sechs Siege.
Aber das ist kein Misslingen. Drei Mannschaften oberhalb der Bezirksebene dauerhaft zu etablieren, ist eine Herausforderung. Vor diesem Hintergrund ist der Abstieg in die Verbandsliga kein Desaster und Anlass zur Neuausrichtung. Denn eins ist auch klar: das Leben in der Landesliga wird nicht leichter, da demnächst ähnlich aufgerüstete Teams wie Lingen und Tostedt in diesen Durchlauferhitzer gespült werden. Vermutlich werden dort bereits im nächsten Jahr die zweitligareifen Lilienthaler (Top 8: ELO 2390) antreten.

Schade ist nur, dass der außergewöhnliche Triumph unserer 3. Mannschaft gegen den SC Ammerland womöglich nur ein letztes Schaulaufen gewesen ist. Wie unser Statistikexperte Jörg Stock analysiert hat, wird es aufgrund der aktuellen Situation in den oberen Ligen vermutlich einen verschärften Abstieg geben. Auch wenn es in seiner Analyse noch einen Hoffnungsschimmer angekündigt hat, so ist im schlimmsten Fall mit vier Absteigern aus der Verbandsliga zu rechnen. Nur zur Erinnerung: Das hatte unsere Zweite vor Jahren schon zweimal zu bewältigen – 1x ging es gut, beim zweiten Mal hat es uns erwischt. Aber Hellern ist zurückgekommen und wird es auch diesmal schaffen! Letztendlich ist das auch tröstend, denn kommt es zum Supergau, dann hat man wenigstens die Gewissheit, dass es für Hellern 2 und Hellern 3 ohnehin fast unmöglich war, die Klassen zu halten.


SV Heller 2
MTV Tostedt
1 7
Hart (2090) IM Szeberenyi (2375) 0 1
Rein (1906) Kneip (2146) 0 1
Paul (1942) Högy (2267) 0 1
Böhme (1889) IM Szalanczy (2255) 0 1
Suendorf (1799) Härig (2015) 0 1
Kuchemüller (1731) Feist (1973) 0 1
Grosser, T. (1765) Ditze (1847) 0,5 0,5
Wöllermann (1823) Bieler (1477) 0,5 0,5

Fotos: © Thal 2017