DEM Runde 9: Hannes ist Vizemeister. Toll!

Being Mobile!

Ein eiserner Grundsatz des Journalismus lautet: Schreibe über die Sache und nicht über deine Arbeit! Aber: die Storys fliegen einem nicht so einfach zu – man muss sie schon geschickt erfinden. Aber bitte keine Fake News!
Also: Die DSJ hatte in den ersten Runden Problem mit der Live-Übertragung. Das Streaming der Videos via YouTube wollte nicht klappen, also wechselte man zu TWITCH, einem Server für Gamer. Das klappte besser.
Auch die Zugübermittlung verlangte, nun ja, eine gewisse Mobilität. Es gab Verzögerungen, hängende Partien. Hannes‘ Partie gegen Luis Engel wurde mitten in der Theoriephase als beendet angezeigt. Dies nervte die Community. Ging’s bei Chess24 nicht weiter, wechselte man zu ChessBase. Und heute tauchte dann bei der u 16 auch noch Daniel Gormally in der Paarungsliste auf. Aber der ist GM und Jahrgang 1976! So what: Being mobile.

Heute Vormittag setzte um 09:30 Uhr die hauseigene Zugübermittlung (endlich) ein, während Chess 24 eisern schwieg. Und wieder lernte man, dass Findigkeit eine Kernkompetenz in Zeiten der Digitalisierung ist. Dass auf TWITCH statt des Videos ein Teaser für die AMAZON-Serie „American Gods“ (übrigens sehr empfehlenswert) lief, ansonsten der Status mit OFFLINE technisch auf den Punkt gebracht wurde – geschenkt!


Runde 4

Nun aber (endlich) Hannes‘ Partie. Julius Muckle (ELO 2303, SK Ludwigshafen) belegte im Vorjahr Platz 7 und ist heuer auf Platz 5 der Setzliste zu finden. Julius verlor bereits Runde 1 gegen Nikita Kuznecovs und musste heute liefern, um dran zu bleiben. Das klappte nicht.
Mit anderen Worten: Hannes gewann. Und das in großem Stil.
Nur am Rande: Ich finde es sehr spannend, wie Hannes das Turnier angeht. Der Sieg in Runde 1 war Pflichtprogramm. Danach spielte Hannes 2x stocksolides Schach, ohne dabei zu überziehen. Heute war es völlig anders. Zum ersten Mal packte Hannes gegen einen Favoriten die Taktikkeule aus und überrollte den Franzosen seines Gegners mit spürbarer Entschlossenheit. Dass die Engine bei der Gewinnführung dezent auf Alternativen hinweist, überrascht nicht wirklich. Mir imponierte aber Hannes‘ pragmatische und ebenfalls sehr wirkungsvolle Abwicklung ungemein.

Ewert2231Muckle23031–0C11DJEM u164Willingen06.06.2017Thal
1.e4 e6 2.d4 d5 3.c3 f6 4.e5 fd7 5.f4 c5 6.f3 c6 7.e3 cxd4 8.xd4 c5 9.d2 0-0 10.f2 Hannes will nicht wissen, was sein Gegner für 10. 0-0-0 vorbereitet hat. 10.0-0-0 a6 11.b1 c7 12.g4 b5 13.xc6 xc6 14.g2 b6 15.xc5 xc5 16.d4 1-0 (58) Nothnagel,M (2142)-Muckle,J (2148) Hannover GER 2016 Bulletin [Bulletin] 10...b4 11.d3 e7N 12.a3 xc3+ 13.bxc3 Es ist nicht unüblich, in diesen Stellungen als Weißer besser zu stehen. a5 14.f3 h6 15.0-0!± Auf 15.Lxa7 wird dankend verzichtet. b6 16.g3 c4? 17.xc4 dxc4 18.f5 exf5 19.xh6 f6 20.ae1 c5? 20...xe5 21.xe5 fxe5 22.xe5 war deutlich besser – aus schwarzer Sicht! 21.exf6 21.h4 ist der Killerzug. 21...xf6 22.g5 xc3? 23.e7+- Die Partie ist endgültig gewonnen. Nun muss man sie nur noch gewinnen. 23.e3 b2 24.h4+- 23...b7 Was sonst? 23...e8 24.xc5 xe1 25.xe1 bxc5 26.e8+ f7 27.g5+ xe8 28.xc3+- 24.xf8 xf8 25.e7 e4 26.g6 f6 27.xf6 gxf6 28.d2 xc2 29.xc4 d3 30.c1 d8 31.e3 a5 32.d1 c8 33.d5 Die Präzision, mit der Hannes spielt, ist bemerkenswert. f8 34.c7 34.h7 spielt die Engine. Zu Recht! e8 35.xb6 e7 36.h8+ Stockfish Auch hier geht es einfacher: 36.xe7 xe7 37.a4 xa4 38.xd3+- 36...g7 37.c8 e2 38.dd8+- 34...xc7 35.xc7 e7 36.d5+ f7 37.xb6 e4 38.c1 b3 39.c3 d4 40.f2 e6 41.c5 c6 42.c4 a4 Eine Festung kann Schwarz angesichts des weißen h-Bauern wohl nicht bauen, aber technisch ist Hannes trotzdem gefordert. Wie löst er die Aufgabe? 43.b6 e5 44.xa4! Da ist sie – die große Vereinfachung! d3+ Mittlerweile hängt die Übertragung via ChessBase, dafür läuft Chess24 – also schnell rüber ins andere Portal! 45.e3 e1 45...xc5 geht nicht wegen 46.xc5+ d6 47.xe4+ fxe4 48.xe4+- 46.g4 g2+ 47.d4 h4 48.gxf5+ xf5 49.c6+ e7 50.e3 d7 51.a6 b5 52.a5 c6 53.c3 g2+ 54.f2 f4 55.g3 d3 56.d5+ f7 57.b4 Eine spektakuläre Partie und auch der Sprung in die Topgruppe. 57.a7+ f8 58.xf6 ist für die Galerie. 1–0


Trivia

Die Züge habe ich mir zusammengesucht. Zum Glück ist die DSJ doppelt und dreifach gesichert. In der Rubrik „Live-Partien“ kann man zwischen der hauseigenen lapidaren Zugübermittlung ohne Gimmicks, dem Chess24- und dem ChessBase-Portal hin- und herwechseln – und tatsächlich: irgendwo geht halt immer was. Und ganz ehrlich: Mir macht das nichts aus. Wer über technische Panne meckert, gehört meistens zu jener Spezies, der in den heimischen vier Wänden die eigene TV-Fernbedienung Rätsel aufgibt.

Und zwischendurch konnte man sich ja die Zeit mit dem redaktionellen Angebot der DSJ-Website verkürzen. Zum Beispiel mit einem Bericht über die Workshopreihe „Leistungssport und Training“. Allerdings fuhr mir dort gehörig der Schrecken in die Glieder. Referent Artur Jussopow wies darauf hin, dass Talente so früh wie möglich gefördert werden müssen (richtig!). Aber Bundesnachwuchstrainer Bernd Vökler erinnerte an das Projekt der „Prinzengruppe“.
„Die Schwierigkeit damals lag seiner Einschätzung nach darin, dass die gezielte Förderung 11- und 12-Jährigen zugute kam, die zu diesem Zeitpunkt eigentlich schon zu alt waren, um in der Weltspitze mitzuhalten“, fasst der Bericht zusammen.
Himmel, 11- bis 12-Jährige sind zu alt? Für die Weltspitze?
Ich kenne gestandene 1700er, die nach 40-jähriger ‚Berufserfahrung‘ in Schockstarre verfallen, wenn sie einem 12-Jährigen mit DWZ 1900 begegnen. Weiterhin glaube ich nicht, dass Norbert, Hajo und Joe ihren Kids erzählen: Hört mal, das ist ja ganz nett mit euch und ihr habt sicher auch Spaß – aber Weltspitze, das könnt ihr euch abschminken!
Trotzdem haben die Referenten sicher Recht: Ein Talent zu sein bedeutet, dass man erstens Talent hat und zweitens am besten mit 6 bis 7 Jahren anfängt, dies unter Beweis zu stelle. Capablanca besiegte übrigens den kubanischen Landesmeister Juan Corzo im hohen Alter von 12 Jahren. Der ‚alte Sack‘ wurde trotzdem Weltmeister …

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