Hammerpartien aus Wien

Über die Runden 5 und 6 des Vienna Chess Open ist überwiegend Positives zu berichten. Jörg gewann beide Partien und hat nun eine 3er-Serie hingelegt, Locke erlegte seinen ersten Titelträger in diesem Turnier und im B-Open stürmte Joachim Rein auf den geteilten ersten Platz.

 

Gruppe A

Jörg und Locke streckenweise meisterlich!

…aber nicht immer, sonst würden sie ja ganz vorne mit dabei sein. Jörg hat es immerhin unter die Top 100 geschafft – also ins oberste Viertel, denn knapp 400 Spieler kämpfen in der A-Gruppe um Punkte.
Einige vergeblich. Es gibt gestandene 2100er, die nach sechs Runden bedröppelt dreinschauen und mit ½ P eine schaurige Bilanz vorweisen. Da kann sich Jörg Stock mit 4 P entspannt zurücklehnen, hat er doch zwei GM und fünf IM hinter sich gelassen. Die FM, WGM, WIM, CM und MK habe ich erst gar nicht gezählt.
Auch Martin „Locke“ Hart, mit 2½ P auf Platz 285, hat 22 Titelträger im Rücken. Ja, es ist ein starkes Turnier, das von GM Stanec, dem titellosen (!) US-Amerikaner Gabriel Bick und IM Handler mit jeweils 5½ angeführt wird.

Bleiben wir bei bei Locke. Dem gelang in Runde 5 ein echtes Meisterstück und eine Schachperle obendrein. Sein Gegner, der 13-jährige FM Aron Pasti, ist die Nr. 4 der ungarischen u14 und war 2018 Gewinner der European Union Youth Championsship u12 . Beste ELO: 2209 im Juli 2019.
Gerade mal 21 Züge dauert das Spektakel – und es endete mit einem Matt. Locke hatte Königsgambit gespielt – mehr muss man nicht sagen. Nur eins: Theoretisch unbeleckt war FM Pasti nicht, hatte er noch im Frühjahr das Ganze gegen einen deutlichen stärkeren Gegner bis zur Punkteteilung clever verteidigt. Diesmal machte er einen Fehler – und sofort schlug Locke meisterlich zu. Hart – FM Pasti.

In Runde 6 folgte leider eine ernüchternde Niederlage mit Schwarz. Sein Gegner: Olaf Horstmann, Spitzenspieler der „Vereinigung der Schachsportfreunde Stadtverw. Bonn e. V.“ – und die spielen in der NRW-Klasse. Obwohl Locke eine seiner Magen- und Leibvarianten aufs Brett brachte, wurde er systematisch überspielt. Am Ende zauberte Horstmann sogar ein wenig: Horstmann – Hart.

Jörg macht mich indes sprachlos. Nach seiner fantastischen Partie gegen Stefan Riemelmoser dachte ich noch, dass man das nicht toppen kann. Doch Jörg legte stattdessen noch eine Schippe drauf und ließ seinen ersten Schwarzsieg folgen: Van Laatum – Stock.

„Die beste Partie meines Schachlebens“ (Jörg Stock)

Das war Jörgs knapper Kommentar nach seinem Sieg gegen Luka Oboladze in Runde 6. Und dass er am Ende noch 35 Minuten auf der Uhr hatte. Streiten wir nicht darüber, was wichtiger ist. Aus meiner Sicht ist Jörgs Glanzstück absolut GM-reif. Nicht nur wegen des grandiosen Finales, sondern auch weil beide auf hohem technischen Niveau um jeden Zentimeter kämpften. Mit einer Performance von 2218 ist Jörg ELO-technisch endlich in der Gewinnzone angekommen.
Jörgs Gegner Luka Oboladze ist übrigens frischgebackener FIDE-Meister und und kein geringerer als die Nr. 2 der u18 in Georgien. Beste ELO des 17-Jährigen: 2378 (April 2018). Zunächst aber ist ein Rätsel zu knacken:

Stock – Oboladze: Weiß am Zug gewinnt.

Der Nachspiellink: Stock – Oboladze

Gruppe B

Joachim Rein spielt das Turnier seines Lebens

Leider haben mich aus der B-Gruppe keine Partien erreicht. Stand jetzt ist Joachim nach Feinwertung Zweiter in einer vierköpfigen Gruppe, die mit 5½ P die Tabelle anführt. Noch sind drei Runden zu spielen und 13 Verfolger mit 5 P sorgen für enorme Spannung. Entschieden ist noch nichts. Wir können nur die Daumen drücken. Zuletzt gewann Joachim gegen den Deutschen Lutz Wilhelm und Harrys Vereinskameraden Michael Reinköster. Die aktuelle Performance von 2221 würde ihm im Moment 35 ELOs aufs Konto schaufeln.

Mit jeweils 3½ P sind Jürgen Grosser (Nr. 106) und Andre Böhme (Nr. 113) zwar keine Anwärter auf die vorderen Plätze, aber Jürgens Performance von 1972 gäbe einen Zuwachs von 69 ELOs. Auch nicht schlecht.

Stefan Grasser hat im Moment keinen Lauf. Nach seinem erfreulichen Remis gegen einen 1900er in Runde 4 folgten zwei Niederlagen in Folge. Mit 1½ P kann jetzt nur noch das Ziel sein, sich aus den Gefilden des Tabellenendes (Nr. 364) wieder nach vorne zu arbeiten, um mit guter Laune nach Nürnberg zum Zweitligaspiel gegen die Lila-Weißen zu fahren. Dort könnte sich seine gute Laune aber rasch in Luft auflösen 🙂

Harald Szobries gewinnt und verliert hingegen in gleichmäßigem Rhythmus, mit dem er nicht zufrieden sein wird. Mit 3½ P Platz 131 liegt zwar fast im oberen Viertel (bei >400 Teilnehmern), aber seine Performance entspricht nicht den zuletzt gezeigten Leistungen. Mit dem Russen Denis Zakharov hatte er in Runde 5 allerdings einen interessanten Gegner: Zakharov ist mit einer ELO von 1758 an den Start gegangen, hatte aber genau vor einem Jahr noch 1928. In Wien hat er nun eine ELO-Performance von 1979. Was ist da passiert? Auf jeden Fall eine Berg- und Talfahrt. Leider verlor Harry diese Partie, konnte aber in Runde 6 seinen dritten Sieg einfahren.

Anm.: in der o.a. Tabelle hat Harald Szobries 3½ und nicht 2½ P!

Nachtrag: Gerade sind Ergebnisse aus Runde 7 online gegangen. In A remisiert Jörg gegen FM Tuna Tuncer (ELO 2362), Locke Remis gegen FM Schmidlechner.

Joachim Remis gegen den Schweizer Nicholas Kueng, Andre ebenfalls Remis. Harald gewinnt gegen den Nederländer David Rutten und kommt nun auf 4½ P. Jürgen Grosser schlägt den Österreicher Klaus Opl und hat ebenfalls 4½ P. Und auch Stefan Grasser verbessert seinen Score mit einem Sieg gegen Marianne Krause. Damit ist die Helleraner Gruppe tatsächlich ungeschlagen geblieben.

Ergebnisse A-Gruppe Runde 7

Ergebnisse B-Gruppe Runde 7