Siegesgrüße aus Wien

Natürlich freuen wir uns über spektakuläre News von spektakulären Open. Was die Helleraner aber in Wien abliefern, ist streckenweise so brillant, das man mit offenem Mund staunt. Gut, die eine oder andere Null wurde auch verbucht, aber auch in diesen Fällen waren die Partien ein Thriller. Wo also beginnen? Am besten von vorne.

 

Ein Königreich für einen leichten Gegner!

A-Gruppe

Ich muss es nicht wiederholen: die A-Gruppe des Vienna Chess Open ist knochenhart. Jörg Stock und Martin Hart sind inmitten des Heeres von Titelträgern nominell nur Mitläufer, die nur hoffen dürfen, mit 50% nach Hause zu fahren. Aber man kann ja über sich hinauswachsen! Ich komme darauf zurück.

Auf einem guten Weg ist Jörg, der nach vier von neun Runden 50% verbuchen konnte. Sein Problem: er spielte bislang gegen leicht schwächere Gegner, die allerdings stark spielten. Um seine ELO-Zahl zu halten, wird Jörg +1 holen müssen, wenn der Schnitt nicht besser wird. Scher genug, wenn man gleich zu Beginn verliert. In Runde 1 dominierte er lange, aber dann opferte sein Gegner Dr. Theodor Schleich (ELO 2000) eine Figur für drei Bauern. SF Schleich spielte danach mehr als passabel weiter und drang mit seinem König sogar tief in Jörgs Stellung ein. Und der konnte danach die Partie nicht mehr halten. Runde 2 brachte die erste Weißpartie. Seinen Gegner, den Österreicher Siegfried Zoernpfenning, konnte Jörg über weiter Strecken dominieren, aber auch in dieser Partie wendete sich das Blatt und Jörg stand plötzlich auf Verlust. Zoernpfenning ließ aber drei Gewinnzüge sausen und wurde in der Diagrammstellung dann von Jörg kalt erwischt. Hier packte Jörg das schöne 43.Th8 aus, wonach der schwarze Monarch in einen Abzug marschieren musste, der ihn die Dame kostete. In Runde 3 wartet Yehuad Malinarski (ELO 2050) auf Jörg. Der 63-jährige Israeli hatte vor 25 Jahren noch eine ELO von 2290. Malinarski spielte das f3-System gegen Caro-Kann, was Jörg kaum Schwierigkeiten bereitete. Im 21. Zug hatte er sogar ein Gewinnoption. Kritisch wurde es dann in folgender Diagrammstellung.

Mit 24.Txh7 blies der Israeli nicht etwa zum Strumangriff, sondern brachte sich in die Nähe des Ausgleichs. Jörg reagierte zunächst clever und opferte auf f4 die Qualle. Aber der Versuch, den nun ebenfalls sehr aktiven Springer abzutauschen, endete mit einem zwingenden Mattangriff seines Gegners. Bitter, aber dies war die zweite Null mit Schwarz. Was toll ist: Jörg lässt sich nicht hängen. In Runde 4 spielte er dann gegen den Östzerreicher Stefan Rieselmoser (ELO 2063) eine wahre Glanzpartie. Gegen den in der Mitte gebliebenen schwarzen King pfefferte Jörg zwei Figuren in die Stellung und gewann mit Grandezza. Auch dieser Partie gibt es zum Nachspielen (s. Nachspiellink).

Locke hat bislang 1½ P, aber dafür die stärkeren Gegner. Mit Philipp Pali bekam er einen starken Österreicher (ELO 2266) vorgesetzt, dem in Runde 2 sogar ein Remis gegen GM Rainer Buhmann gelang. Der Vierte der „Österreichischen Meisterschaft Burschen u 18“ wurde zu Beginn von Locke mit einem seiner Spezialsysteme unter Druck gesetzt, aber nach einem absolut logischen Zug stand Locke irrerweise auf Verlust. Da aber alle Gewinnstellungen verzockt werden, musste Locke nur vier Züge auf einen Bock seines 17-jährigen Gegners warten. Dann spielte er groß auf, doch die Härte auf diesem Niveau wurde deutlich, als Pali in der Diagrammstellung einen brachial starken Zug entkorkte.

Hart – Pali: 23…Df5!-+

Der Damenzug nach f5 (Diagrammstellung) brachte sofort den weißen Angriff zum Stillstand, doch auch hier wurde die schwarze Gewinnstellung fahrlässig aufs Spiel gesetzt, sodass Locke urplötzlich wieder sehr gute Chancen hatte. Die nahm er nicht wahr und das Ende der ersten Runde war für ihn ruppig und hart. In Runde 2 schien sich alles zu wiederholen, denn gegen die Woman IM Eszter Dudas stand Locke nicht nur auf Verlust, sondern wurde auch erbarmungslos geknetet. Doch der Ungarin fehlte taktisch der Biss, und so konnte sich Locke tatsächlich ins Remis retten. In Runde 3 gab es dann gegen Asier Lakuntza (ELO 2149) erneut eine Niederlage mit Weiß.

Im 25. Zug stand Locke gegen den Spanier besser, aber eine Ungenauigkeit reichte Lakuntza, um den Spieß umzudrehen. Das Damenendspiel wollte sich unser Mitstreiter dann angesichts der vielen gegnerischen Bauern nicht mehr zeigen lassen. Kann Locke nur mit Schwarz punkten? Zumindest in Runde 4 schien das so zu sein. Mit Weiß geriet Andrea Zechner, die vort einigen Jahren für Steyr in der Frauen-Bundesliga an 1 spielte, komplett unter die Räder. Zu vorsichtig, zu übervorsichtig agierte die Östereicherin. Für Locke eine angenehme Abwechslung.

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B-Gruppe

Die vier Musketiere machen Lust auf mehr

Rein – Pernerstorfer: 19.Se4-g5+-

Tatsächlich erst mal ein „Wow! Mit drei Siegen in Folge spielte sich Joachim Rein auf Platz 3 der Tabelle. Nur der Österreicher Gustav Kottisch konnte Joachim in Runde 4 einen halben Punkt abluchsen. +17 ELO-Punkte lautet die Bilanz. Und auf Platz 11 gehört Joachim zu jenem Dutzend Spieler, die sich hartnäckig an die Fersen der drei bislang ungeschlagenen Spieler geheftet haben. Besonders eindrucksvoll war Joachims Partie gegen Österreicher Moritz Pernerstorfer in Runde 3. Nicht wegen der spektakulären Neuerung im 11. Zug, sondern auch wegen des eindrucksvollen Opfer, mit dem Joachim dann die Entscheidung erzwang (Diagrammstellung). Da geht noch was in diesem Turnier!

Jürgen Grosser hat zwar einen halben Punkt weniger (+2 =2 -0), dafür aber eine ELO-Performance von 2111. Jürgen spielte durchgehend gegen Spieler mit >ELO 1900 oder knapp darunter. +74 ELO-Punkte würde ihm das einbringen, wäre das Turnier heute zuende gegangen. Istes aber nicht.

Erst die Italienierin Silvia Guerini jr. (ELO 1952), die Nr. 18 der italienischen Frauen-Rangliste, konnte Andre Böhme aufhalten. Zuvor hatte Andre mit 2½ P (3) einen blitzsauberen Start hingelegt.

Stefan Grasser hatte es schwer: in den Runden 1 und 2 musste er sich bärenstarken Spielern stellen, darunter der Nederländer Hans Ouwersloot, die Nr 39 der Start-/Rangliste. Beide Partien gingen verloren. Runde 3 führte zu einem Pflichtsieg gegen einen deutlich schwächeren Gegner, aber mit einem Remis gegen den Österreicher Martin Walter (ELO 1918) konnte Stefan zeigen, was er drauf hat.

Harald Szobries maulte zwar etwas über das maue Ergebnis der einzigen Doppelrunde (½ P), hat aber mit insgesamt 2½ P immer noch eine gesunde Basis, um sich nach vorne spielen zu können.

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