Die neue Corona-VO: Es wird eng!

„Wir wollen und müssen die Brandschutzmauer weiter erhöhen“, stellte Ministerpräsident Stephan Weil fest. Anlass war die Veröffentlichung der neuen Corona-VO vom 23. November. Und die hat es in sich: mit Erreichen der Warnstufe 2 droht nicht nur den Schachspielern die neue Zauberformel 2Gplus + FFP2.

 

 

Kurz, knackig, kompakt

Welche Fragen werden im folgenden Text beantwortet:

  1. Welche Änderungen kündigt die neue Verordnung an?
  2. Welche Konsequenzen hat der Schachsport zu erwarten?
  3. Und themenübergreifend: Welche Probleme müssen gelöst werden?

Um unseren Lesern ein Gewusel bei der Interpretation zu ersparen, werden im folgenden Beitrag die Quellen nicht zusammengefasst, sondern erneut ungekürzt zitiert. Dieses methodische Vorgehen erlaubt es jedem Leser, falsche und ungenaue Interpretationen des Autors zu erkennen.
Da die Corona-VO aufgrund des Geflechts von Quer- und Quellenverweisen nur schwer lesbar ist, wird die Presseinformation „Ernste Lage auch in Niedersachsen – erneute Verschärfung der Corona- Regelungen“ zitiert.

Die aktuellen Zahlen und Trends

Nun, es gilt weiterhin das System der Warnstufen. Vorrang hat die Hospitalisierungsinzidenz. Hinzukommen muss ein weiterer Leitindikator. Diese Werte müssen an fünf aufeinanderfolgenden Tagen nachgewiesen werden. Aktuell hat das Land Niedersachsen die Warnstufe 1 ausgerufen.

Quelle: Land Niedersachsen

Wie sieht es heute, am 25.11.2021, aus?

  • Leitindikator Hospitalisierung (landesweit): 6,6 (+0,3)
  • 7-Tage-Inzidenz (regional): 195,1 (+11,1)
  • Indikator Intensivbetten (landesweit): 8,6% (+0,6)

Landesweit sind die Hospitalisierung und die Intensivbetten prioritär. Bezogen auf den heutigen Tag sind beim wichtigsten Indikator (Hospitalisierung) und bei einem weiteren (7-Tage-Inzidenz)die Zahlen im roten Bereich, nicht aber bei den Intensivbetten. Steigt deren Anteil, wird in vier Tagen Warnstufe 2 ausgerufen. Dazu zwei Trendgrafiken:

Wie sieht es in Osnabrück aus?

Regional sind die Hospitalisierung und der Leitindikator „Neuinfizierte“ prioritär.

Himmel, was ist denn mit der 7-Tage-Inzidenz los?
Gute Frage! Und da sind wir schon bei den zu lösenden Problemen. Leider musste ich nämlich gestern endgültig die deprimierende Erkenntnis wegstecken, dass die Gesundheitsämter (bundesweit!) nicht mehr in der Lage sind, dem RKI gültige Zahlen vorzulegen.

„Die vom Robert-Koch-Institut ausgewiesene 7-Tage-Inzidenz ist maßgeblich für die Regelungen nach dem Infektionsschutzgesetz und nach der Nds. Corona-Verordnung. Tatsächlich bilden die Zahlen die Corona-Situation aktuell nicht richtig ab. Durch einen erheblichen Meldeverzug ist die Lage vor Ort deutlich angespannter. Aus diesem Grund werden die selbstberechneten 7-Tage-Inzidenzen nunmehr zusätzlich veröffentlicht“ (Gesundheitsdienst für Landkreis und Stadt Osnabrück, Quelle. s.o.).

Anders formuliert: die RKI-Zahlen (die für die neue Corona-VO maßgeblich sind!) stimmen nicht. Deswegen führen die Gesundheitsämter und -dienste eine doppelte Buchhaltung ein (sic!). Mehr dazu: https://corona-os.de/.
Fazit: im Stadtgebiet deutet viel darauf hin, dass es in Richtung Warnstufe 2 geht. Je nach Lesart. Aber dass ein Indikator aus dem Ruder läuft, ist nach fast zwei Jahren Pandemie ein schlechter Witz.

Was passiert bei Warnstufe 2?

Wie gesagt: keine Zusammenfassungen, keine Deutungen. Erst recht keine Mutmaßungen. Hier die Pressemitteilung der Nds. Staatskanzlei (Hervorhebungen fett von mir) :

  • „In Warnstufe 2 wird neu die Beschränkung auf 2Gplus eingeführt. 2Gplus bedeutet, dass zusätzlich zu einem Impf- oder Genesenennachweis ein aktueller negativer Testnachweis vorgelegt werden muss. Dies gilt in Warnstufe 2 für alle Veranstaltungen im Innenbereich (draußen 2G) und generell für Weihnachtsmärkte. Die 2Gplus Vorgabe erstreckt sich zudem auf die Innenbereiche von Kultur-, Sport- und Freizeiteinrichtungen Discotheken, Gastronomie, Beherbergung und auf alle Körpernahen Dienstleistungen. Draußen gilt in Warnstufe 2 die Beschränkung auf 2G. Messen bleiben bei 3G – notwendig ist jetzt aber ein PCR-Test.
  • In Warnstufe 2 wird zudem die Maskenpflicht verschärft auf FFP2 in allen Innenbereichen!
  • Generell gilt, dass in Warnstufe 2 nur noch bis zu 15 Personen ohne 2Gplus in Innenbereichen bzw. 2G unter freiem Himmel zusammenkommen dürfen.“

Wer nun in der Formulierung „in allen Innenbereichen“ einen Interpretationsspielraum für den Schachsport entdeckt, muss schon richtig gute Argumente haben. Ab Warnstufe 2 gilt daher auch für Schachvereine 2Gplus und FFP2-Maske im Spielbetrieb.
Das dürfte auch den Niedersächsischen Schachverband NSV) beschäftigen. Der ist vorübergehend auf Tauchstation gegangen. Vermutlich werden die Verantwortlichen händeringend nach Lösungen suchen, mit denen ein Saisonabbruch im Dezember vermieden werden kann.

Und die Zukunft?

Das Schach in Niedersachsen steht  vor einer enormen Belastungssituation. Nicht wenige Spieler werden sich bei einer konsequenten Umsetzung der Regeln weigern, unter diesen Bedingungen zu spielen. Obwohl die Gesamtsituation katastrophal ist.
Unabhängig davon, was der NSV empfiehlt, wird auch der Spielbetrieb in der Oberliga Nord West nicht ohne Weiteres die Standards der Landes-VO unterschreiten können, auch wenn der Staffelleiter das Hygienekonzept des Deutschen Schachbundes ankündigte. Das habe ich bislang vergeblich gesucht. Es könnte auch nicht die Landes-VO aushebeln.

Persönlich ich bin skeptisch. Masken auf Weihnachtsmärkten sind für mich Symbolpolitik und in Innenräumen hätte m.E. eine 2G-Regel plus OP-Maske gereicht – und zwar, wenn alle sie tragen und man das Lüften nicht vergisst. Das würde auch den § 5 (2) Pkt. 3 der VO abdecken, der aus meiner Sicht bislang keine adäquate Anwendung fand. Allerdings bot die VO den Veranstaltern damit eine Verschärfungsoption an.

2Gplus wird aber zum Killer des Schachbetriebs werden.
Spielen wir das durch: Wenn wir vor dem 12.12. die Warnstufe 2 erreichen, werden sich die anreisenden Schachfreunde aus Salzgitter um einen tagesaktuellen Testnachweis am Sonnabend nach 16.00 Uhr oder später bemühen müssen, damit das Zeitfenster am Sonntag eingehalten werden kann. Und zwar in Salzgitter.
Ein Zwischenstopp, z.B. in Osnabrück-Sutthausen (Testzentrum Am Wulfter Turm), kommt nicht Frage. Ganz einfach, weil es sonntags erst ab 11.00 Uhr geöffnet ist und niemand weiß, welche Wartezeiten entstehen. Die Wettkampfvorbereitung wird also logistischen Stress bedeuten.

In anderen Landesverbänden wird auch verzweifelt gerudert. Dabei sind die Ergebnisse fragwürdig. Beispiel: Schachverband Württemberg. Dort ist man mitten in der sogenannten „Alarmstufe II.“ Hier gilt für die Spieler 2G und für die Besucher 2Gplus. Im Ernst. Und obwohl 2G nie automatisch eine Aufhebung der Maskenpflicht bedeutete (ich verweise nochmal auf unseren § 5), dürfen die Schachspieler ohne Maske spielen, während Betreuer, Trainer und Schiedsrichter Maske tragen müssen. Begründung: sie sind an der Sportausübung nicht direkt beteiligt!
Und für Besucher gilt sogar 2Gplus und Maske! Mit anderen Worten: abgesehen von den Spielern sind in Württemberg alle anderen Personen bestens geschützt.

Die aktuelle Misere wird aber weder durch die VO und nur in Teilen durch die Unwilligen ausgelöst, sondern durch die Pandemie und die fatalen Fehlentscheidungen der Verantwortlichen, die sich auf die trügerische Aufbruchstimmung in den Sommermonaten verließen.
Man muss auch keine komplizierten Studien lesen, um zu erkennen, wie prekär die Lage ist. Man muss nur mit den Leuten reden. Mein Physiotherapeut klagte darüber, dass er keine Schnelltests mehr bekommt, obwohl er sein Personal mehrmals pro Woche testen muss. Mein Apotheker teilte mir mit, dass Schnelltests ausverkauft sind. Dann fügte er hinzu, dass auch die Impfstoffe knapp werden. Ich konnte das Wort „Bananenrepublik“ nicht unterdrücken.

Mitten in der abgeschafften „epidemische Notlage von nationaler Tragweite“ wird das Impfen die 4. Welle nicht aufhalten, auch die unerwünschten Lockdowns würden bis zu drei Wochen brauchen, um den Trend zu wenden und noch länger, um die Infektionszahlen zu senken. Um den Trend sichtbar zu machen, habe ich die Infektionszahlen der meldeschwachen Montage und der ‚heißen‘ Donnerstage miteinander verglichen – was zu interessanten Details führte:

Die Kurven sehen gleich aus. Nur die absoluten Zahlen unterscheiden sich. Während die Covid-19-Fallzahlen des RKI in einer senkrechten Kurve nach oben gehen, zeigen die beiden Grafiken beinahe eine lineare Progression. Und das wäre immerhin eine gute Nachricht: einige Epidemiologen weisen darauf hin, dass die Infektionsdynamik (hier definiert als prozentuale Korrelation der Zuwachsraten bei der 7-Tage-Inzidenz) immer noch extrem hoch sei, aber im Wochenenvergleich rückläufig ist (von +60% auf +27%). Und lineares Wachstum ist, das wissen wir alle, besser als ein exponentielles. Eins sollte aber klar sein: die gewaltigen Probleme, die zu lösen sind, werden vor unserem Sport nicht Halt machen.

Quellen: