Corona: 2G beim Schach, aber offene Fragen

Am 14.11. war es soweit: auch im niedersächsischen Schach gilt jetzt 2G, wie NSV-Präsident Michael S. Langer und sein Sportdirektor Jan Salzmann auf der Homepage des NSV verkündeten. Und zwar sowohl für den Mannschaftsbetrieb als auch für die Landesmeisterschaften. Eine offene Frage stand aber weiterhin im Raum: und zwar § 5 (2) Pkt. 3  der Nds. Corona-VO. Hört sich sperrig an, ist aber spannend. Genauso spannend wie die Antwort des Niedersächsisches Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung.

NSV-Beschluss ist rechtssicher

Worum geht es bei dem Paragraphen? Nun, er regelt die Hygienekonzepte bei Einrichtungen mit Kunden- oder Besuchsverkehr, aber auch bei Veranstaltungen und Versammlungen. In einer veralteten FAQ wurde er explizit in der Rubrik „Sport in geschlossenen Räumen“ angeführt. Demnach sind Maßnahmen vorzusehen, die „das Tragen von Mund-Nasen-Bedeckungen in Situationen, in denen einander unbekannte Personen nicht einen Mindestabstand von 1,5 Meter einhalten können, regeln, (…).“

Soweit die aktuelle Corona-VO vom 9.9.2021. Um herauszufinden, welche Auswirkungen diese Regel für den Schachsport hat, bat ich das Niedersächsische Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung um eine Antwort zu folgenden Fragen:

  • Ist das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes in der nachfolgend beschriebenen Situation erforderlich?
  • Kommt § 5 unabhängig von Warnstufen generell bei Sportveranstaltungen in geschlossenen Räumen zur Anwendung?

Die „nachfolgend beschriebenen Situation“ ist die Durchführung eines Mannschaftswettkampfes, den ich als Situation beschrieb, in der dauerhaft der geforderte Mindestabstand nicht eingehalten werden kann. Eher liegt er bei 1 -1,20 m, bei vornübergebeugter Haltung beider Spieler dürfte ein Abstand von 80 cm sogar unterschritten werden. Und das bei einem Wettkampf, der ca. 5 Stunden oder länger dauern kann.

Die Antwort fiel erfreulicherweise sehr detailliert aus (Hervorhebungen durch mich) und wird an dieser Stelle aus Gründen der Transparenz vollständig zitiert:

„§ 4 Abs. 1 S. 1 Niedersächsische Verordnung über infektionspräventive Schutzmaßnahmen gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 und dessen Varianten (Nds. Corona-VO) hat jede Person in geschlossenen Räumen, die öffentlich oder im Rahmen eines Besuchs- oder Kundenverkehrs zugänglich sind, eine medizinische Maske als Mund-Nasen-Bedeckung (MNB) zu tragen. Die Pflicht zum Tragen einer MNB gilt gem. § 4 Abs. 3 Nr. 8 Nds. Corona-VO nicht bei sportlicher Betätigung.

Die MNB-Pflicht bei dem Betreiben von Sport entfällt aus dem Grund, dass die Maske die Sauerstoffzufuhr bei Personen, die sich durch den Sport über das normale Maß hinaus körperlich betätigen, mindert und zu Atemnot o. ä. führen kann. Schach ist ein Denksport und kein körperlich anstrengender Sport. Durch das Spielen entsteht i. d. R. kein erhöhter Sauerstoffbedarf.

Das Schachspielen ist daher eher wie eine Veranstaltung zu werten, an der die Spielerinnen und Spieler sitzend teilnehmen. In diesen Fällen können die Teilnehmenden die Mund-Nasen-Bedeckung abnehmen, soweit und solange sie einen Sitzplatz eingenommen haben (§ 4 Abs. 4 Nds. Corona-VO). Diese Variante entspricht der Bewertung, die der Nds. Schachverband Ihrer Aussage nach vorgenommen hat.

Problematisch ist hier, wie Sie dargelegt haben, der geringe Abstand zwischen den beiden Spielerinnen bzw. Spielern. Eine Lösung könnte in der Verwendung geeigneter physischer Barrieren aus Glas oder Plexiglas liegen, die einen Verzicht auf eine MNB zu ermöglichen (§ 5 Abs. 2 S. 2 Nds. Corona-VO). Ob das im Zusammenhang mit dem Bewegen der Spielfiguren durchführbar ist, ist im Einzelfall vor Ort zu prüfen und ggfs. mit der zuständigen Kommune abzuklären.

Der veranstaltende Verein oder die Betreiberin oder der Betreiber der Einrichtung, deren Räumlichkeiten genutzt werden, kann dessen ungeachtet strengere Regelungen vorgeben, wie z. B. eine MNB-Pflicht auch am Tisch während des Spiels.

Die für die Umsetzung, Durchführung und Überwachung der Nds. Corona-VO zuständigen Kommunen können per Allgemeinverfügung weitergehende Anordnungen getroffen haben, soweit es im Interesse des Gesundheitsschutzes erforderlich ist (§ 21 Abs. 1 S. 1 Nds. Corona-VO). Von den Regelungen der Nds. Corona-VO abweichende Entscheidungen der Kommunen sind dann nicht zu beanstanden, wenn sie nicht offenkundig rechtswidrig sind. Die zuständige kreisfreie Stadt bzw. der zuständige Landkreis entscheidet über den jeweiligen Einzelfall. Entsprechende Anträge und Anfragen sind daher dort zu stellen.“

So gesehen sind die Hygienekonzepte, die nach den Maßgaben durch den Verband von den Vereinen entwickelt wurden, rechtssicher – und zwar auf der Basis der bis zum 8. Dezember 2021 geltenden Corona-VO. Bleibt noch die Frage nach dem Status des § 5. Auch in Hinblick auf die von mir vermutete Unabhängigkeit von Warnstufen.

§ 5 toppt alles: Großer Spielraum für die Vereine

Die Antwort war eindeutig: „Ja, § 5 Nds. Corona-VO gehört zu den allgemeinen Vorschriften der Nds. Corona-VO und ist unabhängig vom Vorliegen einer Warnstufe zu berücksichtigen.

Da die veranstaltenden Vereine aber das Recht haben, strengere Regelungen vorzugeben, ist die Priorisierung dieses Paragraphen ein äußerst starkes Argument.

Angesichts der vergleichsweise langen Spieldauer empfiehlt das Ministerium: „§ 5 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 Nds. Corona-VO schreibt vor, dass die Räume möglichst durch Zufuhr von Frischluft gelüftet werden. Ggfs. sollten bei dem Turnier Lüftungspausen vorgesehen werden.“

2G im Schach

Auch hier ist die Aussage unmissverständlich (Ausnahmeregelungen für Kinder und Jugendliche mit medizinischer Kontraindikation zitiere ich nachfolgend nicht): „In dem Fall einer Beschränkung auf die 2-G-Regel sieht die Nds. Corona-VO an verschiedenen Stellen vor, dass die Personen einschließlich der dienstleistenden Personen abweichend von § 4 Abs. 1 keine Mund-Nasen-Bedeckung tragen und abweichend von § 1 Abs. 2 Satz 1 keinen Abstand einhalten müssen (so z. B. § 8 Abs. 7 S. 2 und § 9 Abs. 1 Nds. Corona-VO).“

In rechtlicher Hinsicht bewegen sich unser Verband und die Vereine also auf rechtssicherem Terrain. Allerdings bin ich weiterhin skeptisch bei der Bewertung der Spielsituation. Ob Barrieren aus Glas oder Plexiglas Aerosole abhalten können?
Vermutlich nicht. Hier hat sich der Stand der Aerosolforschung nicht geändert. Scheiben aus Plexiglas dienen zweifellos als Spuckschutz und auch gegen ausstoßene Tröpfchen, falls jemand hustet oder niest. Diese Tröpfchen enthalten allerdings weniger infektiöses Material als die Aerosole, die mittlerweile als primäre Infektionsquelle gelten.
„Raumhindernisse wie Plastikschutzwände würden zudem dazu führen, dass im Raum schlecht belüftete Bereiche mit Aerosolansammlungen entstünden“, schrieb das Deutsche Ärzteblatt.
Immerhin funktioniert das Spiel mit derartigen Vorrichtungen, wie mir ein Schachfreund aus dem Nordrhein-Westfälischen schilderte. Immerhin.

Wenn aber wie beim Schach Abstand und Verweildauer in einem Raum nicht optimal sind und auch nicht sein können, erhält das regelmäßige Lüften oder die freiwillige Nutzung einer MNB eine entscheidende Bedeutung. Und dies ist besonders älteren Spielern zu raten, auch wenn sie doppelt geimpft sind. Stand 11. November lag der Anteil der Impfdurchbrüche  bei verstorbenen COVID-19-Fällen bei 42% – und zwar bei bei Personen > 60 Jahren. Allerdings – und das gehört auch zum Gesamtbild – betrug die Letalität dieser Personengruppe in Relation zu allen symptomatischen Fällen 0,9% – das sind 1,5% gemessen an der Gesamtzahl der Impfdurchbrüche. Wenn dem so ist, dürften alle Älteren, die geboostert sind, kein Interesse an diesem Artikel mehr haben. Und das wäre wirklich gut.
Bei den 18-59-Jährigen besteht allerdings kein Grund, auf einer Party den „Freedom Day“ zu feiern. Hier ist der Anteil der Anteil an Impfdurchbrüchen an hospitalisierten COVID-19-Fällen um das Vierfache gestiegen und die Letalität um das Zehnfache. Mit anderen Worten: Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste.