Vierte überzeugt in Spelle

hellern4_logoDie „alten Herren“ von der Vierten setzten auch in Spelle ihren Siegeszug fort. Das 5:3 bedeutet nicht nur einen Erfolg in einem äußerst unterhaltsamen Wettkampf, der Stoff für viele Stunden Analysen liefern wird, sondern auch einen großen Schritt Richtung Klassenerhalt und somit ein Wiedersehen mit den symphatischen und gastfreundlichen Spellern im nächsten Jahr.

Mit gemischten Erwartungen fuhren wir zum Auswärtsspiel nach Spelle. Einerseits konnten wir uns auch dort etwas ausrechen, andererseits hatten wir mit drei knappen Siegen an den vergangenen drei Spieltagen unser Fortune möglicherweise verbraucht. So wären vorher wohl alle mit einem 4:4 zufrieden gewesen. Aber diesmal brauchten wir nicht einmal besonderes Glück, um einen weiteren Sieg einzufahren und in der Tabelle so weit weg von den Abstiegsplätzen zu klettern, dass wir uns eigentlich ein neues Saisonziel stecken müssten. Da aber unser Ziel „Spaß haben und drin bleiben“ heißt, können wir einfach „dran“ aus „drin“ machen, und schon haben wir es.

Nachdem Norbert sich in der Dritten festgespielt hatte, musste Ersatz her, und mit Martin Willmann war dieser nicht nur hochkarätig, sondern auch symbolträchtig, hatten wir doch mit ihm die vergangene Saison gegen Spelles Zweite erfolgreich abgeschlossen. Und wie es der Zufall, wollte traf Willi auf denselben Gegner, mit dem er es auch in der letzten Saison zu tun hatte!

Aber beginnen wir chronologisch, und damit bei Hartmut, der eine Partie spielte, die seine Mannschaftkameraden in Erstaunen versetzte. Zunächst baute er sich mit scheinbarer Leichtigkeit eine klassische Druckstellung auf dem Damenflügel auf, mit Raumgewinn, drohender Linienöffnung und allem drum und dran. Aus dem Blickwinkel des Schwarzen betrachtet war Hartmut also kurz davor, ordentlich mit seiner harten Rechten auf die weiße Stellung einzudreschen. Dann aber öffnete Hartmut nicht den Damenflügel, sondern schloss ihn: Keine Linienöffnung, gar nichts mehr. Und die erstaunten Kiebitze konnten beobachten, wie er nach links zum Königsflügel schwenkte und einen linken Schwinger auspackte, der so mächtigen Schaden anrichtete, dass die Weiße Stellung acht Züge später aufgabereif war und weitere drei Züge später in Trümmern lag.

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Gohlke, Georg (Spelle) – Weist, Hartmut (Hellern), Stellung nach dem 21. Zug von Weiß.

In der Diagrammstellung blies Hartmut mit 21. … e5! zum Angriff. Man beachte die hübsche Verriegelung des Damenflügels (0:1 im 28. Zug). Saubere Leistung unseres Mannschaftsführers und Orakels, der in seiner Motivations-E-Mail vor dem Wettkampf genau das Ergebnis eingefordert hatte, das wir am Ende auch erreichten.

Dann kam erst einmal lange nichts. Wir alle wussten, dass Ludger mit Siegfried Löcken die schwerste Aufgabe des Tages hatte, aber seine Stellung sah vielversprechend aus. Bei Thorsten sah es bald danach aus, dass ein Remis eher kein wahrscheinliches Ergebnis war, bei Jürgen ebensowenig. Bei Jürgen allerdings erwarteten die weniger kundigen und nicht so tief rechnenden Mannnschaftskollegen einen Punkt, denn was sein Gegner da veranstaltete, sah einfach nicht gesund aus. So einfach war es aber nicht, wie sich bald zeigte. Robert hatte nach einer Ungenauigkeit seines Gegners in der Eröffnung schnell Ausgleich und bald sogar Vorteil, spielte aber nicht genau genug, um diesen in den erhofften Materialgewinn umzusetzen. Da ein Blick auf die anderen Bretter und vor allem die mittlerweile erreichten Vorteile von Martin und Stefan sehr beruhigend aussahen, bot Robert bald Remis, was auch zum sofortigen Friedensschluss führte.

Jürgen hatte die wohl wildeste Partie des Tages. Nachdem er mit einer schönen taktischen Wendung einen Bauern gewonnen und den schwarzen Damenflügel zudem geschwächt hatte, startete der Speller kurz entschlossen einen gefährlichen Königsangriff, in dessen Verlauf ein Turm, durch einen auf g4 platzierten Springer unterstützt, auf h2 einschlug. Jürgen machte fast alles richtig, aber das fast – ein, zwei Ungenauigkeiten – gab den Sieg aus der Hand. Am Ende konnte weder Schwarz durchschlagen noch Weiß seinen objektiven Vorteil durchbringen. Remis.

Grosser, Jürgen (Hellern) - Altendeitering, Thomas (Spelle)
Grosser, Jürgen (Hellern) – Altendeitering, Thomas (Spelle), Stellung nach dem 19. Zug

In der Diagrammstellung ist Schwarz mausetot, wenn Weiß mit 20. Le2! fortsetzt: 20. … Sdf6 21. exd5 und Weiß hat alles im Griff. In der Partie folgte dagegen 20. Dd1? Sdf6 21. exd5 Dxc5 22. Df3 Dxd5 23. Dxd5 Sxd5 und baldiger Remisschluss.

Stefan hatte von seinem Aufbau erkennbar den besseren Sachverstand und konnte eine schöne positionelle Gewinnstellung aufbauen. Bald gewann er einen Bauern, nur um ihn wenig später wieder herzugeben. Was allerdings halb so schlimm war, an der Gewinnstellung änderte sich nämlich nichts. Schließlich landete die Spellerin in einem hoffnungslosen Turmendspiel und musste bald darauf aufgeben.

Zwischenstand: Nach Hartmuts schnellem Punkt und den beiden Remis von Robert und Jürgen holte Stefan den dritten Punkt. Wenig später legte Martin nach. Aus der Eröffnung sehr gut herausgekommen überspielte er seinen Gegner und gewann schließlich eine Figur. Trotz moderater Zeitnot verwertete er seinen zwischenzeitlich erreichten Materialvorteil souverän, am Ende sogar mit einem Matt aus heiterem Himmel.

Ludger dagegen konnte seine vielversprechende Stellung leider nicht verwerten.

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Wöllermann, Ludger (Hellern) – Löcken, Siegfried (Spelle)
Stellungen nach dem 15. (links) bzw. 28. Zug (rechts)

In der linken Diagrammstellung spielte Ludger 16. d4! und nach 16. … exf4 das komisch anmutende, aber bärenstarke 17. Sxf4!? (Ludger: „Ich hatte eine Idee!“). Weiß will und wird nämlich e4 (das war Ludgers Idee) durchsetzen. Und so kam es dann auch, wir springen in das rechte Diagramm. Ludger hatte e4 durchgesetzt und setzte in der Diagrammstellung wieder bärenstark mit 29. Tbc1! fort. Es folgte 30. … Txe1 31. Txe1 d4 32. Db4! Sd6 33. Se5!? (objektiv das beste, aber kompliziert. Einfacher war Lxd4 mit sattem Mehrbauern) 33. … Db5 34. Dxb5? und dieser eine Fehler vergab den gesamten Vorteil. Nun behielt Schwarz den Freibauern, und genau der entschied letztlich die Partie zugunsten des Spellers. Wie so oft verliert der letzte Fehler, auch wenn es Ludgers einziger war. Dennoch eine hervorragende Leistung von Ludger, der seinen Gegner nach 25 Zügen sauber überspielt hatte.

Das gesteckte Ziel, vier Brettpunkte, hatten wir aber bereits nach sechs beendeten Partien erreicht. Zwei fehlten noch, Thorsten und Alfons. Thorsten hatte es mit einem nominell stärkeren Gegnern zu tun, stand aber zwischenzeitlich äußerst vielversprechend. Alfons dagegen war zwar auf dem Papier stärker, sein Gegner allerdings war in der vergangegen Saison bereits mit einem Score von 6 aus 9 durch die Bezirksklasse gegangen und mit 4 aus 4 in diese Saison gestartet. So war es nicht überraschend, dass Alfons bis zum Schluss hart um das Remis kämpfen musste. Zuerst aber zu Thorsten.

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Scholz, Michael (Spelle) – Weist, Thorsten (Hellern), Stellung nach dem 17. Zug von Weiß

Hier dürfte Thorstens 17. … Sxe4!! wie ein Blitz eingeschlagen haben. Der Springer ist tabu, sonst wäre die weiße Dame mitten auf dem Feld gefangen. Es folgte 18. Sb6 Lf5! 19. Ld3 Ta6 20. Lxe4 Txb6 und Schwarz hat klaren Vorteil. Aber dann kam die Zeitnot. Thorsten machte seinen 40. Zug schließlich mit nur noch 10 Sekunden auf der Uhr, um kurz darauf festzustellen, dass der Vorteil dahin war. Und dennoch: Wenig später war die Abwicklung des Spellers in einen remises Bauernendspiel unvermeidlch, und der halbe Punkt zum Mannschaftserolg war eingefahren. Tolle Leistung von Thorsten, dem die raue Luft am zweiten Brett zunehmend zu gefallen scheint.

Alfons ist in jedem Mannschaftskampf der Topfavorit auf die längste Partie des Tages, und auch diesmal ließ er sich nicht lumpen. Es ging bereits auf halb zehn Uhr abends zu, als Thorsten fertig war, Alfons aber noch nicht. Sein junger Wiedersacher hatte ihn immer wieder vor massive Probleme gestellt, und dennoch hatte Alfons die meiste Zeit alles gut im Griff. Wir springen bereits in das hochinteressante Endspiel Läufer gegen Springer:

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Thöle, Alfons (SV Hellern) – Meyjohann, Patrick (SF Spelle), Stellung nach dem 47. Zug.

Hier hatte Alfons eine schöne Umwandlungskombination vorbereitet. Die Kiebitze, die nun 48. h6? erwarteten (naja, das war eigentlich nur ich, r.g.), irrten, denn tatsächlich geht sofort 48. Lxf5!!. Nun folgt auf 48 … gxf5 49. g6! hxg6 50. h6 und Weiß erhält die Dame, so dass Schwarz mit 48. … gxh5 49. Lxh4 Sxd5 (oder 48. … Sxd5 49. Lxg6! hxg6 50. h6) antworten muss, aber auf verlorenem Posten steht (der Springer muss sich für den g-Bauern opfern). Diese Chance ließ Alfons jedoch leider aus und war danach eigentlich verloren. Eigentlich. Er kämpfte aber unverdrossen weiter, und schließlich konnte er die Mittelfreibauern des Schwarzen auf der d- und e-Linie tatsächlich aufhalten. Remis im 74. (gefühlt: 174.) Zug. Wieder eine bärenstarke Ausdauerleistung von Alfons.

Was soll man dazu sagen? Wir haben acht (na, vielleicht auch nur sieben) hochinteressante Partien gesehen, Drama an den Spitz-auf-Knopf Brettern und am Ende einen Erfolg, der noch bis tief in die Nacht (kein Wunder, wenn man um 10 Uhr abends die Heimreise antritt) mit Lockes tatkräftiger Hilfe beim Griechen gefeiert und analysiert wurde. Nachdem Veldhausen (endlich!) gewonnen hat, Hollage und Meppen aber verloren haben, haben wir nun sechs Punkte Vorsprung auf die Abstiegsränge bei noch vier ausstehenden Spieltagen. Nächste Runde (5. März) geht es zu Hause gegen die Zweite vom SV Osnabrück. Wieder eine Begegnung, bei der wir Außenseiter sind. Aber was heißt das schon!

Die Einzelergebnisse (weitere Ergebnisse und die aktuelle Tabelle wie immer auf nsv-online.de):

SF Spelle SV Hellern 4    3 : 5
Löcken, Siegfriied (2060) Wöllermann, Ludger (1818)    1 : 0
Scholz, Michael (1779) Weist, Thorsten (1677)    ½ : ½
Altendeitering, Thomas (1850) Grosser, Jürgen (1848)    ½ : ½
Silies, Martin (1791) Gillenkirch, Robert (1803)    ½ : ½
Meyjohann, Patrick (1693) Thöle, Alfons (1751)    ½ : ½
Ginten, Tobias (1517) Willmann, Martin (1744)    0 : 1
Schlaetker, Christine (1639) Grasser, Stefan (1650)    0 : 1
Gohlke, Georg (1389) Weist, Hartmut (1636)    0 : 1