Das 0-8 beim Tabellenführer HSK Lister Turm ist aus zwei Gründen beachtenswert: zum einen war es in dieser Höhe überflüssig, zum anderen führten die zahlreichen Ausfälle zu einem Kollateralschaden: Hellern 2 musste seinen Wettkampf in Emden kampflos abgeben. Droht der Abstieg? Laut LigaOrakel nicht. Vermutlich, weil die Verbandsliga derzeit nur mit 8 Teams bestückt ist. Den Wettkampf in Hannover hat Jörg Stock in seinem Gastbeitrag näher unter die Lupe genommen.
Ohne Fünf mit überforderten Navis
Am Sonntag stand die Fahrt zum unumstrittenen Aufstiegsfavoriten HSK Lister Turm an. Leider fielen aus unterschiedlichen Gründen gleich 5 Stammspieler aus, davon 3 mehr oder weniger wegen Covid. Obwohl die 2. Mannschaft nicht spielte, gelang es dem Mannschaftsführer trotz intensivster Bemühungen nicht, acht Spieler ans Brett zu bringen. Das ist sehr bedauerlich, wirft aber auch weitergehende Fragen zum Stellenwert der ersten Mannschaft auf, die an anderer Stelle diskutiert werden sollten.
Mit Franz und Joachim als Fahrer machten sich die glorreiche Sieben also bei herrlichstem Wetter auf den Weg in die Landeshauptstadt. Um Viertel nach 10 hatten wir Hannover erreicht und lagen somit sehr gut im Zeitplan, als langsam die Information durchsickerte, dass der Hannover-Marathon stattfand. Dies stellte sich nun schnell als ernstes Problem dar, weil zum einen die Stadt Hannover keinerlei Umleitungsbeschilderung aufgefahren hatte und sich zum anderen diverse Navigationssysteme als völlig überfordert präsentierten.
Zudem ließ in diesem Zusammenhang die Schiedsrichteransetzung Böses erahnen. Während die Vorhut mit MF Locke, Joachim und Dominik noch mit Ach und Krach die Aufstellung einigermaßen pünktlich abgegeben konnte, irrte die Nachhut durch Hannover und fand sich schließlich am Zoo wieder.
Dies war logistisch durchaus als Erfolg zu werten, da von hier aus ein 15-minütiger Fußmarsch durch die schöne Eilenriede direkt zum Ziel führen sollte. Franz ließ also Holger, Tammo und meine Wenigkeit schon mal aussteigen, während er selbst einen Parkplatz suchen und nachkommen wollte. Wir drei trafen dann 10 nach 11 im Spiellokal ein. Der Wettkampf begann dann gegen 11.15 Uhr zunächst ohne Franz. Warum uns der Ausrichter nicht im Vorfeld über den Marathon informieren konnte, bleibt schleierhaft. Wieder einmal ist zu beobachten, dass sportliche Leistungsfähigkeit nicht immer mit Empathie und Fairness zusammenfällt. (Anm. d. Red.: Wie der Gastgeber den Hergang darstellt, erfährt man im Beitrag von FM Felix Hampel). Der HSK trat mit zwei IMs und vier FMs und einem Supertalent an Brett 8 am, welches wir aber mit unserer Aufstellung geschickt ins Leere laufen ließen.
Nach einer halben Stunde war Franz immer noch nicht eingetroffen, was langsam gewisse Sorgenfalten produzierte. Richtig ärgerlich wurde es dann aber, als der Schiedsrichter die abgelaufende Karenzzeit von 30 Minuten monierte und neben der Partie an Brett 8 auch die Partie an Brett 6 kurzerhand als für uns verloren erklärte. Glücklicherweise konnten lautstarke Proteste sowohl den Hannoveraner Spieler als auch den Schiedsrichter noch umstimmen, so dass Franz nach seinem Eintreffen kurze Zeit später doch seine Partie spielen konnte. (Franz hatte nach einer missverständlichen Information eines Marathon-Ordners seinen Fußmarsch zunächst in die falsche Richtung angetreten).
Bald kam die Ernüchterung
Nun aber endlich zum sportlichen Teil des Ausflugs. Holger überraschte seinen Gegner bereits im 2. Zug mit einem mutigen Gambit und spielte auch anschließend sehr zügig und ambitioniert weiter. Die Stellung wurde schnell kompliziert, was vermutlich genau Holgers Absicht war.
Ich wurde mit der gleichen Variante wie in Oldenburg konfrontiert, hatte aber vor Kurzem zufälligerweise in einer Grand Prix-Partie gesehen, wie Großmeister dagegen spielen. Und so war es recht einfach, nach wenigen Zügen mit Schwarz Ausgleich und nach einigen weiteren Zügen sogar lnitiative zu erlangen.
Auch Tammos Gegner wählte eine eher passive Variante, die Tammo eine bequeme Stellung mit Potenzial ermöglichte. Locke dagegen geriet in eine beengte Stellung mit einer Schwäche auf d6.
Joachim wich angesichts des starken Gegners etwas von seiner üblichen Strategie ab, was (oh Wunder) zu einer durchaus spielbaren und optisch vorteilhaften Stellung führte.
Franz dagegen legte seine Partie angesichts seines enormen Zeitnachteils gleich sehr taktisch an und gab einen Bauern für die Verhinderung der gegnerischen Rochade. Dominik fand sich in einer typischen strategischen Stellung des offenen Sizilianers wieder, was kompliziertes Spiel erwarten ließ.
Alles in allem war nach zwei Stunden das Endergebnis allein aufgrund der Stellungen in keinster Weise zu erwarten. Beim Blick auf die ELO-Unterschiede allerdings schon. Als Erster musste Locke die Segel streichen. Der Druck auf den König und die Schwäche d6 wurden irgendwann zu groß.
Holger spielte sehr kreativ, investierte aber auch sehr viel Zeit. In zweischneidiger Stellung übersah er schließlich bei knapper Zeit eine kleine Taktik, die einen Turm kostete.
Tammo hatte inzwischen einen Angriff am Königsflügel vom Zaun gebrochen. Und tatsächlich hätte sich wohl eine Chance geboten, die dem Gegner nur eine Remisabwicklung ermöglicht hätte. Stattdessen konnte der Angriff ausgekontert werden und am Ende fehlte Material.
Joachim geriet letztlich in einen Bauernsturm am Königsflügel. Das genaue Ende blieb mit verborgen. Aber nach der Zeitkontrolle war das ernüchternde Zwischenergebnis: 0-5.
Ich hatte inzwischen 2-3 Möglichkeiten, im Mittelspiel in Vorteil zu kommen, nicht erkannt. Mein Gegner zog mittels Vereinfachung mehrmals die Notbremse und so war ein ausgeglichenes Dame-Leichtfigur-Endspiel entstanden. Bei knapper werdender Bedenkzeit spielte ich einige planlose Züge und noch vor der Zeitkontrolle hatte ich es endgültig verpatzt. Nachdem eine letzte verborgene Remischance ungenutzt blieb, dauerte es nach der Zeitkontrolle nicht mehr lange. Matt oder Damenverlust waren unvermeidbar.
Die Stellung von Franz blieb sehr komplex. Die letzten Züge vor der Zeitkontrolle wurden mit Increment gespielt. Franz 41. Zug schien noch gute Chancen zu versprechen, aber Weiß hatte noch eine Riposte. Ob diese vorausberechnet war oder eher eine, glücklichen Umstand zu verdanken war, kann nicht abschließend geklärt werden. Auf jeden Fall eine sehr respektable Partie von Franz angesichts der Vorgeschichte.
Auch Dominik kämpfte tapfer, hatte aber in den Mittelspielverwicklungen irgendwo Material eingebüßt. Dennoch gelang es ihm, auf den schwarzen Feldern rund um den gegnerischen König noch gefährliche Drohungen aufzustellen. Letztlich ohne Erfolg.
So kam es also zur Höchststrafe: Für mich das erste Mal, dass ein Mannschaftskampf so verloren wurde. Hoffentlich auch das letzte Mal. Angesichts der Ergebnisse und des Restprogramms sollten wir in den drei Wettkämpfen im Mai noch unbedingt punkten. Bei normaler Aufstellung ist dies aber in allen drei Fällen realistisch.
Jörg Stock
Anm. d. Red.: Die SF Hannover können nach dem knapp Sieg gegen Hameln nach oben schauen. Die ersatzgeschwächten Schachfreunde aus Nordhorn-Blanke brachten sich mit einem Sieg gegen Salzgitter endgültig in Sicherheit. Beim 5-3-Erfolg verbuchten die Nordhorner Bretter 1-4 drei Punkte. Dagegen lief es bei Lehrte umgekehrt: vorne 50% (u.a. besiegte Marine Zschischang FM Bredemeier), hinten ging kaum etwas gegen Union Oldenburg. Werder III besiegte Delmenhorst und wartet nun auf einen Ausrutscher des Tabellenführers. Hellern spielt am 1.5. gegen Werder III (H), dann gegen Delmenhorst (A) und schließlich gegen Hannover (A). Alles im Mai!