Jugend forsch(t) auch in der Bezirksliga: Hellerns Vierte spielt 4:4 gegen Bentheim-Nordhorn

Die Vorzeichen des Mannschaftsspiels zwischen unserer Vierten und Bentheim-Nordhorn konnten ungleicher kaum sein: Wir spielen um die „goldene Ananas“, können weder nach oben kommen (SG Osnabrück und Hollage sind außer Reichweite), noch allzu weit abrutschen. Für die Bentheimer dagegen musste ein Sieg her, um die kleine Chance auf den Klassenerhalt zu wahren. Entsprechend hoch motiviert gingen die Bentheimer zu Werke, und wir konnten froh sein, dass am Ende ein  Mannschaftspunkt für uns zu Buche stand.

Am Ende einer Saison geht es den Vereinen mit vielen Mannschaften oft so, dass sich Spieler in den oberen Mannschaften festspielen und die unteren Mannschaften stark ersatzgeschwächt antreten. Das konnten wir in Hellern stets sehr gut ausgleichen, weil wir bis hinunter zur Fünften eine starke „Reservebank“ haben. Dennoch war es in dieser Saison anders als sonst, denn von Anfang an war geplant, dass sich unsere Bretter 1,3 und 5 – Hajo Bade, Jürgen Grosser und Norbert Schütt – irgendwann in den höheren Mannschaften festspielen sollten. Am vergangenen Sonntag – erst! – war es so weit, und so fehlte uns auf einen Schlag fast die halbe Mannschaft. Dafür hatten wir aber erneut starken Ersatz: Stefan Ewert rückte bereits zum vierten Mal in die Mannschaft, daneben konnte Joe Santos seinen Sohn Leo anheuern (diesmal spielten wir also gleich mit allen drei famosen Santosen!). Und zum ersten Mal zum Einsatz kam Jonas Gernhardt. Er hatte zwar noch nie in einer solchen Liga gespielt, aber bringt bereits alles dafür mit, unter anderem eine starke Turnierleistung eine Woche zuvor von der Bezirks-Jugend-Mannschaftsmeisterschaft.

Ganz gegen die Planung aber war die Absage von Jens Gausmann kurz vor dem Spiel, den ein Notfall ereilte. So schnell war kein Ersatz zu beschaffen, und so stand es 0:1 zum Start: Das würde keine einfache Sache werden!

Einzelergebnisse

Wir waren also an fünf Brettern nominell favorisiert, an den beiden hinteren dagegen nominell schwächer. Die Ergebnisliste liest sich wie ein Spottlied auf DWZ-Zahlen, denn die Ergebnisse waren genau umgekehrt. Bei näherem Hinsehen stimmt das aber nicht, denn Jonas hat gerade bei der Bezirksjugendmeisterschaft eine Erfolgszahl von ca. 1500 gespielt, und spielt eine ähnliche Erfolgszahl auch in der Mannschaftsrunde. Und Felipe stand bereits bei 1500 und spielt in der Mannschaftssaison ebenfalls (mindestens) dieses Niveau.

Ein wenig Chronologie: Jonas an Brett 8 konnte als Erster punkten und den Ausgleich herstellen. Dann folgten die Remis von mir (Robert), Martin, Leo, und die Niederlage von Joe. Die längste Partie spielte Stefan, die zweitlängste Felipe. Aber unsere Mannschaftspunktegaranten saßen nun einmal an den Brettern 7 und 8, deshalb geht der Bericht zwar von vorne nach hinten durch, aber nicht zeitlich, sondern nach den Brettern. Nun aber endlich zu den Partien!

Zähne ausgebissen an den vorderen Brettern

Zäh ging es zu an den Brettern 1,3 und 4, 5 und 6: Robert (ich, Brett 1) hatte einen Rossolimo-Sizilianer auf dem Brett und davon wenig Ahnung, kurz darauf war es ein symmetrischer Engländer (schon besser!), aber ich versuchte einen typischen Standardplan (wohl den falschen) mit einem Tempo weniger zu spielen, und das fehlte einfach die ganze Zeit. Manfred Fietkau war stets auf der Höhe des Geschehens, verpasste aber eine gute Chance auf Vorteil. Ich selbst verpasste eine solche Gelgenheit ebenfalls, und so war das Remis am Ende in einem Damenendspiel, in dem das Spiel mit der Brechstange nur zum Verlust führen konnte, ein gerechtes Resultat.

Gillenkirch – Fietkau (Brett 1) 0,5:0,5.

Ähnlich erging es Martin Rothe, der forsch zu Werke ging und ein altes Gambit auspackte. Aber irgendwann ging es nicht weiter, und seine eigene Königsstellung war mindestens ebenso gefährdet wie die des Gegners. Am Ende ebenfalls ein Remis.

Rothe – Berling (Brett 4): 0,5:0,5

Leo spielte entspannt und sicher und stand sehr bald klar besser. Sein d-Bauer fing irgendwann an zu laufen, und in einem Endspiel mit aktiver Dame und aktivem Läufer gegen passive Dame und passiven Springer sah es nach dem vollen Punkt aus, bis, ja bis Leo sich selbst ein Bein stellte. Denn der gegnerische a-Bauer lief ebenfalls los, und Leo verhedderte regelrecht seine Figuren, so sehr, dass das „Entheddern“ den Läufer gekostet hätte. Das geschah wie durch ein Wunder aber nicht. Am Ende standen die Damen mit je drei Bauern, h, g und f, noch auf dem Brett – das dritte Remis.

Leonardo Santos – Helmut Bock (Brett 5): 0,5 : 0,5. Stefan Ewert – Richard Pieta (Brett 6): ebenfalls remis.

Joe Santos, unser Käpt’n, hatte bis zu dieser Runde 5,5 Punkte aus 7 Partien geholt und war Garant der Mannschaftserfolge. Franz Recke aber erwies sich diesmal als zu stark, und Joe sollte seine erste Saisonniederlage kassieren: Zunächst stand Joe eigentlich sehr ordentlich, aber bei meinem nächsten genaueren Blick auf das Brett fragte ich mich, was denn da wohl passiert war: Läuferpaar für Joe, aber ein furchtbares (vor allem der weißfeldrige), dafür aber zwei starke Springer für den Bentheimer, dazu ein weißer Bauer auf f6 und unangenehme Drohungen. Diese Partie war nicht zu halten. Dennoch bleibt Joe Topscorer der Mannschaft!

Auch Studentenfutter und vitaminreicher Saft halfen diesmal nicht: Joe Santos – Franz Recke 0:1

Wenn man Wetten auf die längste Partie eines Mannschaftskampfs abschließen könnte, würden viele auf Stefan Ewert setzen, und sie hätten die Wette gewonnen. Die Quote wäre allerdings wahrscheinlich lausig, denn es war alles andere als eine Überraschung, dass Stefan die Partie solide anging und auf einen langfristigen, kleinen positionellen Vorteil spielte. So knetete Stefan eine Stellung mit gegnerischem Isolani und schönem eigenen Blockadespringer ordentlich. Aber es war einfach nichts herauszuholen, der Bentheimer Richard Pieta hielt allen Gewinnversuchen stand. Remis also auch hier.

Geistesblitze an den Brettern 7 und 8

Minus zwei also an den vorderen Brettern, und das sollten ausgrechnet die beiden U18-Spieler im Team wettmachen? Machten sie, und wie!

Bei Jonas sah es ausgerechnet bereits nach wenigen Zügen schlecht aus, denn eine Figur ging früh verloren. Aber Jonas spielte ruhig weiter und wenig später bot sich die Chance zum Ausgleich: Der Bentheimer bot einen indirekten Damentausch an und übersah dabei, dass die weiße Dame einen ganzen schwarzen Turm mit sich ins Grab nehmen konnte. Danach hatte Jonas nicht mehr die Figur weniger, sondern die Qualität mehr, gegen einen Bauern. Aber die Stellung war alles andere als einfach, denn Jonas‘ Türme suchten lange vergeblich nach offenen Linien. Die Computeranalyse zeigte eine ausgeglichene Stellung, oder sogar schwarzen Vorteil. Dann aber kam ein echter Geistesblitz:

Jonas spielte hier Tc4! Das führte zum Tausch des Turms und des Läufers und damit zu einer für Weiß leichter zu spielenden Stellung. Dennoch war es danach objektiv nicht gewonnen. Aber Jonas hatte eindeutig den besseren Plan: Er holte sich den Bauern auf h5, und als der Bentheimer nicht entschlossen genug auf seine beiden Freibauern auf der d- und e-Linie setzte, konnte Jonas den entscheidenden Vorsprung im Rennen um eine neue Dame herausholen. Mit Dame und Turm gegen Springer und zwei schwarzen Freibauern musste er zwar immer noch genau rechnen, aber das tat er sicher, und bald darauf war der Punkt eingefahren. Phantastischer Einstand von Jonas in der Bezirksliga und ein wichtiger Punkt für die Mannschaft.

Volle Konzentration und volle Punkte an den Brettern 7 und 8:
Jonas Gernhardt – Jan In’t Veldt und Felipe Santos – Peter Remmel

Blieb noch Felipe, der ebenfalls gewinnen musste, damit die Mannschaft Zählbares holen würde. Und Felipe brannte ein wahres Feuerwerk ab: Zwei Figuren geopfert, den König ins Freie gezerrt – es roch nach Matt mitten auf dem Feld.

In der Diagrammstellung oben links schlug Felipe zu: 23. … Sexg4+! 24. hxg4 Sxg4+ 25. Kh3 (25. Kg2 oder 25. Kg3 verlieren wegen Sxe3+) Dh5+ 26. Kg2. Und nun ging Felipe „all in“, siehe das mittlere Diagramm oben. Und das war genau richtig so: 26. … Dh2+! 27. Kxg4 und die Engine zeigt Matt in 9 Zügen an. Aber das muss man erst einmal finden, bei so vielen Möglichkeiten! Felipe setzte noch richtig fort mit 27. … Dg2+ 28. Kf4 (Diagramm oben rechts), fand aber nun nicht den Linienöffner 28. … e5+!. Nach 29. Kxe5 Tad8! gäbe es für den weißen König kein Entkommen mehr. Felipe spielte statt dessen den stillen Zug 28. … f6, und danach hätte der Läuferrückzug 29. Ld2 dem Weißen König genug Luft für die Evakuierung gelassen. Weiß aber spielte 29. f3, und so war noch alles drin. Weiter ging es mit der Königsjagd: 29. … Dg5+ 30. Ke4 Df5+ 31. Kd4 e5+ 32. Kc4 b5+, siehe Diagramm unten links. Nun gab der Bentheimer eine der Figuren zurück: 33. Sxb5 cxb5+ 34. Kb3 De6+ 35. c4 bxc4+ 36. Kc3 Tab8, mittleres Diagramm unten. Schwarz hat nun drei Bauern für die Figur und noch immer starken Angriff. Kann Weiß das halten? 37. Dc2 – nein, das nimmt dem König ein wichtiges Feld und Schwarz hat nun die Chance, die Partie endgültig zu entscheiden. 37. … Tfd8 38. De4 Tb3+? Das war leider der falsche Turm, Felipe hätte den d-Turm nehmen müssen. 39. Kc2 Td3 40. Lxh6!, siehe Diagramm rechts unten. Nun schlägt der Bentheimer zurück! Spätestens jetzt fielen den Kiebitzen so langsam die Haare aus. Es folgte ein Schlussspektakel: 40. … gxh6? (die Engine sagt, dass man den Läufer nicht nehmen darf) 41. Dg6+? (Tg1+ gewinnt) Kf8 42. Dxh6+ Ke7 43. Dh7+ Df7 und Schwarz hat den Gegenangriff überstanden. Nun ging es schnell: Weiß vermied den Damentausch, aber das erlaubte es Felipe, seinen Angriff zum Ende zu bringen: 44. Df5 Dg7 45. Tbd1? Dg2+ und dieses Matt ist gut zu erkennen.

Eine bravouröse Kampfpartie von Felipe. Würde man Fußballerjubel im Schach einführen, hätten wir Felipe wahrscheinlich zuerst begraben von der Mannschaft gesehen und danach ohne Trikot auf dem Zaun bei den Ultras.

In der Liga gab es eine faustdicke Überraschung, denn Hagens Zweite schlug die Zweite der SG Osnabrück, und damit ünernahm Hollage nach dem souveränen Sieg gegen Spelle die Tabellenführung. Besser hätte die Auslosung nicht sein können, denn in der Schlussrunde treffen beide – Hollage und die SG – feinander, um den Meister auszuspielen; nun mit den besseren Chancen auf Seiten der Hollage, die SG braucht einen Sieg.

Wir haben mit dem Unentschieden den dritten Tabellenplatz behauptet. Zum guten Schluss empfangen wir die bereits als Absteiger feststehenden Bersenbrücker-Bramscher und hoffen auf ähnlich unterhaltsame Partien, rasche Genesung der Erkrankten und einen stimmungsvollen Ausklang einer erneut erfolgreichen und Laune machenden Saison.

Fotos: © Thal 2019