NordWest-Cup mit Paukenschlägen

Ausgetragen wurde der NordWest-Cup wieder einmal in Bad Zwischenahn. Das Internationale Schachturnier besitzt einen exzellenten Ruf und so war es keine Überraschung, dass die A-Gruppe (133 Teilnehmer) sowohl in der Spitze als auch in der Breite enorm stark besetzt war. Um so erfreulicher war das gute Abschneiden einiger Hellaner. Martin Hart holte sich einen GM-Skalp und Joachim Rein verfehlte denkbar knapp den Sieg in der B-Gruppe. Und auch ein ehemaliger Mitstreiter sorgte für Aufsehen! Update!

 

„Locke“ schlägt GM Kjartansson!

38 Titelträger waren am Start, darunter der indische Großmeister N R Visakh (SC Heusenstamm), GM Leonid Milov (SC Noris-Tarrasch Nürnberg), der häufig in Bad Zwischenahn auftauchenden GM Erik Van den Doel (SG Porz) natürlich auch. Auch GM Oleg Korneev gehörte zum Favoritenkreis.

Vor der entscheidenden 7. Runde gehörten die Genannten noch zum engeren Kreis der potentiellen Turniersieger, während renommierte Großmeister wie Alexandre Dgebuadze (SC Remagen) auf Platz 24 nichts mehr mit dem Titelkampf zu tun hatten. Ein starker GM wie Gudmundur Kjartansson (ELO 2453) dümpelte gar mit 3 ½ (6) im Tabellen-Mittelfeld herum. Das hatte einen Grund: Martin „Locke“ Hart hatte den 34-jährigen Isländer in Runde 4 besiegt. Mit Schwarz. Ein Paukenschlag!

Martin Hart (Archivfoto)

Hat Martin das Turnier seines Lebens gespielt? Das kann er nur selbst beantworten. Aber der Berichterstatter zögert nicht: Martin hat als Edelamateur seine ganz persönliche Jahrhundertpartie gespielt, danach fehlte dann der Saft. Auch weil „Locke“ stark erkältet antrat und trotzdem in Runde 1 den vor der letzten Runde mit 5 P führenden GM Visakh in leicht vorteilhafter Stellung „bearbeitete“, ehe er leider die Partie mit einem Blunder einstellte. Wenn man gesundheitlich angeschlagen ist, hält man ein Turnier mit Doppelrunden konditionell nicht durch. Das kostete ihn 1½ P in den letzten drei Runden. Am Ende war es ein gutes Turnier, weil er auf gegen einen ELO-Ø von 2175 mit einer fetten Rating-Beute heimkehrte. Ein sehr gutes Turnier wurde es durch den Sieg gegen einen Großmeister – ein Triumpf, von dem die meisten Amateuren vergeblich träumen!

Weitere Partien zum Nachspielen

Anm.: bei der Datenübermittlung schlich sich leider ein Fehler ein. Die Notation der Partie Hart – GM Visakh stimmte am Ende nicht. Die korrigierte Fassung kann jetzt nachgespielt werden.

Am Ende gewann keiner der vielen heißen Kandidaten, sondern mit 6 P der indischen IM Vignesh N R (ELO 2490) vor zwei Spielern des Lister Turms: IM Markus Lammers und IM JakobPfreundt mit jeweils 5½ P.

Warum sind Kinder so stark?

52. wurde Alfred Nemitz, Lockes Schlussrundengegner. Der 12-Jährige erzielte 4 P. Martin landete mit 3 P auf Platz 92. Die beiden trennt nach Lebensjahren beinahe ein halbes Jahrhundert. Aber es lohnt sich, einmal der Frage nachzugehen, warum Kinder so gut Schach spielen.
Der Gemeinplatz, dass man im Alter nichts mehr lernt und kognitiv abbaut, basiert allerdings auf Vorurteilen. Egal, ob im Beruf oder im Schachklub – im Alter geht immer was: „Hohe Komplexität der Arbeit ist mit einer besseren kognitiven Flexibilitätverbunden. Der positive Einfluss anspruchsvoller Tätigkeit auf die geistige Leistungsfähigkeit nimmt mit steigendem Alter sogar zu“ (Falkenstein et. al. 2022).
Es sind vielmehr die sogenannten fluiden Funktionen, die im Alter abnehmen. Zu ihnen gehört auch die schnelle kontrollierte Informationsverarbeitung. Auf diesem Gebiet haben talentierte Kinder einen Vorsprung vor den erfahrenen Oldtimern.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die frühe Professionalisierung. Alfred Nemitz wird in der Jussopow Schachschule trainiert – und er spielt und spielt und spielt.
Im Juni 2022 hatte Alfred noch eine ELO von 1611. Der 12-Jährige  sorgte im November 2022 beim Heusenstamm Schloss Open mit einem Schwarzsieg gegen GM Leoniv Milov für Aufsehen. Innerhalb weniger Monate legte er mit über 400 ELO-Punkten kräftig nach. Allein im Dezember kamen fast 240 ELO-Punkte dazu.
Im Prinzip reist das Talent von Turnier zu Turnier. Allein im Zeitraum Juli – Dezember 2022 nahm Nemitz an acht z.T. hochkarätige Turnieren teil, darunter die Europäische Jugend-Einzelmeisterschaft und das 16. Int. Deizisauer Herbstopen.
Die aktuelle, aber inoffizielle Februar-ELO des Nachwuchsspielers liegt nun sogar bei 2103. Durch bloßes Spielen wird man nicht immer Meister, aber wenn man gleichzeitig von einem Großmeister trainiert wird, dann gibt es kein Halten mehr. Und dies ist auch die passende Überleitung zur B-Gruppe.

Die B-Gruppe war der Knaller

Auch dort waren 133 Teilnehmer am Start. Hier war das Spielstärke-Gefälle enorm. Es gab drei Spieler mit > ELO 1900, aber auch sehr viele Spieler ohne Rating. Und natürlich (wieder einmal) die üblichen Talente wir den 13-jährigen Chinesen Luka Xue, der zum Landeskader NRW gehört und offenbar stärker ist als seine Rating von 1611.
Vor der letzten Runde führte Xue, der in der 3. Runde Joachim Rein besiegte, mit 5½ P zusammen mit zwei weiteren Spielern die Tabelle an. Einer der beiden Konkurrenten war Johannes Luft (ELO 1943, SV 1919 Grimma) und der andere – ja, der heißt Dr. Thorsten Weist (SC Rochade Emsdetten). Unser ehemaliger Mitspieler und der langjährige Webmaster unserer Website (by the way: Thorsten reparierte sie vor einer Woche sehr erfolgreich. Danke!) legte einen fabelhaften Start von 5 P (5) hin und gab erst in der vorletzten Runde einen halben Zähler ab.
Leider unterlag er Johannes Luft in der letzten Runde, aber für den reichte es auch nicht ganz. Sieger wurde … natürlich Luka Xue mit 6½ P und dank seines knappen Vorsprungs in der Feinwertung. Punktgleicher Zweiter wurde SF Luft, Dritter wurde Joachim Rein mit 6 P (wir gratulieren herzlich!).
Joachim hat gegen  einen ELO-Ø von 1657 fast perfekt performt und kann sehr zufrieden sein. Vierter wurde Thorsten mit 6½ P – ebenfalls unseren Glückwunsch! Das war wirklich ein außergewöhnliches Turnier für Jaochim und Thorsten. Das gilt auch für Stefan Ewert, der nur einmal verlor.

Weiterhin am Start: Stefan Grasser, Frank Pfeifer und Dr. Jochen Wagner.

Fotos und Grafiken: © Thal 2023