Charakterisiert wurde der Wettkampf durch verschenkte halbe Punkte. Die Gastgeber haben das Match in Runde 1 der Oberliga Nord West aber verdient gewonnen. Trotzdem: unsere Truppe hat an vielen Bretter gut gespielt, es fehlte aber die nötige Portion Glück. Warum die Gesamtleistung aber zuversichtlich stimmen sollte, erklärt Jörg Stock in seinem Gastbeitrag.
Zunächst ein ausgeglichener Wettkampf
Nach über 1,5 Jahren endlich wieder ein Oberliga-Wettkampf. Und dann gleich gegen den Dauerrivalen aus Nordhorn. Nachdem Alexander und Christian abgesagt hatten, fuhren wir gedanklich als Außenseiter nach Nordhorn, auch wenn mit Franz und Hajo zwei in zahlreichen Oberliga-Wettkämpfen gestählte Haudegen als Ersatz am Start waren. Nach Bekanntwerden der Aufstellung stieg der Optimismus jedoch an, da statt der möglichen acht starken Niederländer nur vier vor Ort waren. Das sollte unsere Chancen erhöhen, auch wenn die Favoritenstellung weiterhin klar bei Nordhorn zu verorten war.
Ein erster Rundgang nach den Eröffnungszügen war durchaus zufriedenstellend. Ingo Gronde ging den Sizilianer von IM Frank Kroeze gleich sehr aggressiv an und platzierte mal kurzer Hand einen Springer auf e6. Schon nach wenigen Zügen brannte das Brett. Holger Lehmann ließ es bei seinem Debüt ruhiger angehen und ließ den jungen Simon Elgersma erstmal an einer Igel-Stellung abprallen. Ich selbst konnte aus einer französischen Nebenvariante meines Gegners FM Rob Bertholee nicht viel rausholen, so dass sich die Stellung schnell im dynamischen Gleichgewicht befand.
Erfreulicher sah es an den Brettern 4 und 5 aus. Reinhold Happe gegen Fabian Stotyn und Tammo Lewin gegen Ingo Oehne hatten bereits schnell die Initiative übernommen und aussichtreiche Positionen. Locke und Ludger Höllmann hatten offenbar stillschweigend vereinbart, keine Theorievarianten zu spielen. So mussten sie schon ab dem 2. Zug selber denken. Es zeichnete sich eine zähe Auseinandersetzung ab.
An 7 und 8 lief die Eröffnung nicht optimal. Sowohl Franz als auch Hajo spielten eher passiv und überließen ihren GegnerInnen die Initiative. Folglich musste zunächst der Verteidigungsmodus eingeschaltet werden. Zusammenfassend konnte aber von einem ausgeglichenen Mannschaftskampf gesprochen werden.
An Brett 1 konnte der Nordhorner mit seiner gewohnt sachlichen Spielweise Ingos Attacke abwehren, verblieb aber in einer leicht passiven Stellung, so dass sich die Kontrahenten auf Remis einigten, was auch aus unserer Sicht ein durchaus gelungener Auftakt war.
Dann kam das Pech…
Tammo verspielte durch ein bis zwei ungenaue Züge seinen Vorteil. Die Partie verflachte zu einem ausgeglichenen Endspiel und wurde folgerichtig auch Remis.
Dann aber sorgte Reinhold für die Führung. Aus der Eröffnung heraus konnte er seine Stellung kontinuierlich verbessern, vertrippelte seine Schwerfiguren auf der e-Linie, gewann erst einen, dann noch einen Bauern und wickelte scheinbar mühelos in ein leicht gewonnenes Bauernendspiel ab. Eine beeindruckende Performance nach der langen Pause. Und wenn man dann noch sein recht zügiges Spiel berücksichtigt, kann getrost festgestellt werden, dass das dauerhafte Lichess-Spielen offenbar nicht schadet.
An den Brettern 7 und 8 stellten sich aber langsam Probleme ein. Sowohl Hans Plasmann (Foto) als auch die junge Nachwuchshoffnung Anna Wilmink spielten sehr konsequent und taktisch versiert auf Angriff. Auch wenn die Stellungen bei sehr genauem Spiel noch hätten im Gleichgewicht gehalten werden können, mussten wir an beiden Brettern letztlich die Segel streichen, so dass der Kampf gedreht war und die Nordhorner nun bereits den Sieg vor Augen hatten. Zumal Locke trotz erkämpftem Mehrbauer im Doppelturmendspiel aufgrund der Aktivität des Gegners nicht über eine Punkteteilung hinauskam.
…und schließlich erloschen die Hoffnungen!
Die Hoffnungen auf einen Auftakterfolg waren damit praktisch erloschen, da an den Brettern 2 und 3 keine wirklichen Gewinnaussichten bestanden. Allerdings verloren hätten beide Partien nicht werden müssen.
Ich wickelte zunächst korrekt in ein eigentlich ausgeglichenes Endspiel ab, sah dann aber plötzlich das Gespenst eines Sargnagels auf h3, was mich zu der Kurzschlusshandlung gxh4?? veranlasste. Danach drang der schwarze Turm ein und paralysierte bei ungleichfarbigen Läufern die weiße Stellung, was FM Bertholee anschließend genüsslich und souverän zum vollen Punkt nutzte.
Bei Holger war zwar in der Abwicklung vom Mittelspiel ins Endspiel ein Bauer verloren gegangen, es ergab sich aber ein theoretisches und klassisches Remis-Turmendspiel. Trotz des bereits gewonnenen Mannschaftskampfes unternahm der Nordhorner aber weitere Gewinnversuche, die Holger zunächst locker abwehrte. Doch die Zeit wurde knapper und schließlich spielte er nur noch mit Inkrement. Da schlichen sich dann nach 6,5 Stunden doch angesichts der fehlenden Wettkampfpraxis noch Ungenauigkeiten ein und tatsächlich ging auch diese Partie noch an Nordhorn.
Somit stand eine letztlich zu hoch ausgefallene, aber nicht unverdiente Niederlage zu Buche. Bei optimaler Chancenverwertung wären aber auch ein 4:4 oder ein knapper Sieg möglich gewesen, was für die nächsten Aufgaben Mut machen sollte.
Jörg Stock
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