Die Oberliga-Saison wird am Brett beendet

Der Terminplan des Deutschen Schachbundes sieht vor, dass die Oberliga Nord West mit  Doppelveranstaltungen für die Runde 8 und 9 sportlich beendet wird. Der SV Hellern tritt folglich am 10. Juli 2021 daheim um 11:00 Uhr gegen den SK Union Oldenburg an. Am 11. Juli folgt dann zur gleichen Uhrzeit das Auswärtsspiel beim SK Lehrte. Die Verantwortlichen stehen vor einer Herkulesaufgabe, denn die Veranstaltungen müssen rechtssicher sein.

Wer hat den Plan?

Vorab eine Binse: mit den zunehmenden Lockerungen wird die rechtssichere Durchführungen von Veranstaltung nicht leichter, sondern komplexer. Vorbildlich reagiert hat aus formaler Sicht der SK Lehrte, der am 01. Juni ein Hygienekonzept online stellte. Expertise holte sich der Verein zusätzlich von einer namentlich nicht genannten Ärztin. Inwieweit das Konzept der neuen VO des Landes Niedersachsen vom 18.6. entspricht, habe ich nicht geprüft.

Auf unseren Verein kommen Aufgaben zu, die innerhalb der nächsten drei Wochen zu einem befriedigenden Ergebnis führen müssen. Bevor einige Details und auch einige offene Fragen erörtert werden, soll skizziert werden, was getan werden muss:

  1. Zuallererst muss die regionale 7-Tage-Inzidenz permanent gecheckt werden. Der für die Planung der Veranstaltung verantwortliche Ehrenamtliche (Mannschaftsführer) muss prüfen, ob der Inzidenzwert in den letzten fünf Tagen vor dem Wettkampf nicht größer als 10 ist. In unserem Fall kann man zumindest am Samstag (Runde 8) die aktuellen Werte der Tagespresse entnehmen.
  2. Bevor man mit der Kaderplanung beginnt, muss gem. § 1 d (2) der o.a. VO ein Hygienekonzept erstellt werden. Wie einige Vorgespräche gezeigt haben, kann man eine Mannschaft nicht zusammenstellen, ohne die Spieler transparent über das Hygienekonzept zu informieren. Beispiel: Spieler X will auf keinen Fall mit Maske am Brett sitzen, Spieler Y will generell im Spiellokal keine Maske tragen – beide Spieler müssen darüber informiert werden, wie der Wettkampf ausgerichtet werden soll. Dass der reisende Verein rechtzeitig über die geplaneten Maßnahmen informiert werden muss, versteht sich von selbst.
  3. Erst danach kann m.E. der Spielerkader gecheckt werden. Dabei ist zu erwarten, dass einige Aktiven ihr Sicherheitsrisiko individuell beurteilen und alternative Vorschläge gemacht werden. Die Erstellung des Hygienekonzepts ist mit Sicherheit kein Selbstläufer.

Was muss beachtet werden?

Der Niedersächsische Schachverband war diesmal richtig schnell. Bereits nach einem Tag, nämlich am 19.06., wurde die Landes-VO für die Landkreise und kreisfreien Städte in voller Länge von Benjamin Löhnhardt zusammengefasst – ein guter Überblick! Auch für jene, die im Moment nur bedingt an den Vorschriften für Seilbahnen und Kutschfahrten interessiert sind (ja, es wird alles geregelt!).

Keineswegs zu erwarten war, dass der Verband ein Hand-out publiziert, in dem kleinteilig die Durchführung eines Schachwettkampfes festgelegt wird. Die Gefahr, dass etwas empfohlen wird, das nicht rechtssicher ist, lässt sich nur schwer wegdiskutieren. Zudem weiß man inzwischen, dass die Halbwertzeit derartiger Handreichungen kurz sein kann – mitunter sehr kurz. Die Corona-VO vom 30. Mai, in die die Neuregelungen aufgenommen wurden, tritt mit Ablauf des 16. Juli außer Kraft – die geplanten Oberliga-Wettkämpfe passen gerade noch ins Zeitschema.

Also ein Lob für von SF Löhnhardt vermittelten Informationen. Es geht nämlich auch anders. So führt ein häufig verbreiteter Link, der zu einer Seite des LandesSportBundes Niedersachsen leiten soll, zu  dem überraschenden Ergebnis, dass man nichts über aktuelle Informationen zur Corona-Lage erfährt, sondern nur dies: „Die URL existiert leider nicht.“ Sucht man beim LSB nach „Corona“, werden Beiträge gelistet, aber bereits der erste informiert wie folgt: „Oops, an error occurred!“ Aha.

Nun aber zu der VO des Landes Niedersachsen. Ich habe die kommentierte Fassung genutzt. Man erkannt sie an der Überschrift „Online gestellt und somit verkündet am 18. Juni 2021.“ Rot und fett formatiert, damit nichts schief geht.

Nun aber zu dem, was auf die vertraute AHA + L-Regel folgen soll. Interessant ist aus naheliegenden Gründen für uns nur das, was in geschlossenen Räumen geschieht. Übersichtlich kann man sich im sogenannten „Stufenplan 2.0“ vom 18.6.2021 informieren, auf den das Land ausdrücklich verweist. Die nachfolgende Graphik zeigt einen Ausschnitt:

Quelle: Niedersächsische Corona-Verordnung

Allerdings ist der Stufenplan gelinde gesagt unterkomplex. Schauen wir uns also an, was sie über Abstand, Hygiene, Masken, Tests u.v.a. zu sagen hat.

Inzidenz: die VO gilt laut § 1 c für eine Inzidenz von 10 und kleiner: „Abweichend von § 2 Abs. 1 Satz 5 ist die private Zusammenkunft von Personen in geschlossenen Räumen mit höchstens 25 Personen (…) zulässig.“
Die Grenze gilt nicht für „Kinder dieser Personen“, geimpfte und genesene Personen, Begleitpersonen für Behinderte und Pflegepersonen. Können negative Antigen-Tests vorgewiesen werden, darf die Grenze ebenfalls überschritten werden.
Anm.: Der Status „geimpft“ muss allerdings bedacht werden, weil er nicht eindeutig ist. Während Erstgeimpfte relativ gut gegen die Britische Mutante B 1.1.7. geschützt sind, ist dies bei der indischen Mutante B.1.617.2 nicht der Fall. Im Falle von AstraZeneca liegt kein oder nur ein geringer Schutz nach der Erstimpfung vor. Erst nach der Zweitimpfung bieten  mRNA-Impfstoffe einen Schutz vor schweren Verläufen >90%. AstraZeneca  ist umstritten. Vereinzelte Quellen berichten von einem 60%-igen Schutz vor Delta. Das ist nicht unerheblich, da in unserem konkreten Kader ein selbst ein zweitgeimpfter Spieler die Teilnahme an einem Schachwettkampf abgelehnt hat.

Hygiene und Masken: § 1 d geht in (2) wie bereits erwähnt auf die Verpflichtung zu einem Hygienekonzept ein, während in (3) Pkt. 1 die Mund Nasen-Bedeckung sowie die Sitzverteilung in geschlossenen Räumen geregelt wird. Teilnehmende „brauchen einen Abstand zu anderen Personen nach § 2 Abs. 2 Satz 1 nicht einzuhalten und eine Mund-Nasen- Bedeckung nach § 3 nicht zu tragen.
In einer Sitzung, Zusammenkunft oder Veranstaltung, die mit sitzendem Publikum durchgeführt wird und an der in geschlossenen Räumen mehr als 25 Personen und unter freiem Himmel mehr als 50 Personen teilnehmen, genügt bei festen Sitzplätzen eine Besetzung mit je einem freien Sitz rechts und links unter Berücksichtigung des § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und reihenweise versetzten freien Plätzen (Schachbrettbelegung); wird die Sitzung, Zusammenkunft oder Veranstaltung in einem geschlossenen Raum durchgeführt, so ist die Besetzung nach Halbsatz 1 nur dann zulässig, wenn der geschlossene Raum durch eine Lüftungsanlage mit Frischluft versorgt wird. Teilnehmerinnen und Teilnehmer einer Sitzung, Zusammenkunft oder Veranstaltung brauchen einen Abstand zu anderen Personen nach Satz 2 und nach § 2 Abs. 2 Satz 1 auch nicht einzuhalten und eine Mund-Nasen-Bedeckung nach § 3 nicht zu tragen, wenn jede teilnehmende Person das negative Ergebnis eines Tests nach § 5 a Abs. 1 nachweist; § 5 a Abs. 2 und 3 findet Anwendung“ (Hervorhebung durch mich).

Problem: die Masken

Ich muss zugeben, dass ich hier derbe ins Schleudern kam. Da es sich bei der von mir zitierten VO um eine kommentierte Fassung handelt, sind eben diese Erläuterungen zu beachten. Klar wird, dass unterschieden wird zwischen einerseits privaten Feiern und andererseits Sitzungen und Veranstaltungen. Einzelheiten findet man auf Seite 8:

„Zur Harmonisierung der Vorschriften wird in Hinblick auf die Regelungen zu den Kontaktbeschränkungen in § 2 Abs. 1 festgelegt, dass Teilnehmerinnen und Teilnehmer einer Sitzung, Zusammenkunft oder Veranstaltung das Abstandsgebot nach § 2 Abs. 2 Satz 1 nicht wahren müssen und keine Mund-Nasen-Bedeckung nach § 3 tragen müssen, soweit an der Sitzung, Zusammenkunft oder Veranstaltung in geschlossenen Räumen nicht mehr als 25 Personen und unter freiem Himmel nicht mehr als 50 Personen teilnehmen.

Aber offenbar wird ein weiteres Kriterium zu beachten sein: Sitzt man überwiegend oder steht man rum? Bei ausschließlich sitzendem Publikum gelten offen differenzierte Regeln:

Solange und soweit die Besucherinnen und Besucher ihren Sitzplatz noch nicht eingenommen haben, besteht die allgemeine Verpflichtung zum Tragen einer medizinischen Mund-Nasen-Bedeckung (…) nach § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Buchst. b, Abs. 3 Satz 3 Nr. 5 und Abs. 5.
Wenn jedoch jede teilnehmende Person das negative Ergebnis eines Tests auf das Corona-Virus SARS-CoV-2 nach § 5 a Abs. 1 nachweist, kann auf das Abstandsgebot nach § 2 Abs. 2 Satz 1, auf die Schachbrettbelegung und die Maskenpflicht verzichtet werden, auch wenn das Publikum in der Sitzung, Zusammenkunft oder Veranstaltung zumindest zeitweise steht.“

Anm.: Zuletzt habe ich derartige Sitzverhältnisse bei öffentlichen Konzertveranstaltungen in den Medien gesehen, auch die Schachbrettbelegung. Dies hat natürlich mit einer vis-à-vis-Situation, wie sie eine Schachpartie erfordert, nur wenig zu tun. Dort sitzen sich die Protagonisten stundenlang gegenüber. Folgt man der VO, dann geschieht dies ohne Maske, stehen die Spieler aber häufig auf, müssen sie  die Maske aufsetzen. Nun weiß man aber von Hygieneexperten, dass das ständige Auf- und Absetzen und auch das Herumfingern an der Maske kontraproduktiv ist. Unabhängig davon ist Seite 8 doch sehr verwirrend und wer es richtig verstanden hat, sollte sich umgehend bei unserer Redaktion melden. Auf jeden Fall könnte es für alle eine Erleichterung sein, wenn sich die beteiligten Vereine auf das ständige Tragen einer OP-Maske einigen.

Fazit: nicht nur bei der rechtssicheren Planung einer Präsenzschach-Veranstaltung hat der Ausrichter sehr viel zu bedenken, auch die Durchführung ist kein Pappenstiel. Hier müssen sich beide Mannschaftsführer im Klaren sein, wie man auf Nichtbeachtung der Regeln reagiert. Schließlich kann man in der Hektik eines Wettkampfes schon mal etwas vergessen.
Außerdem muss man sich überlegen,  wie man vor dem Wettkampf die Anwesenden über das Hygienekonzept informiert. Welche Rolle der Schiedsrichter dabei spielt, ist mir nicht klar. Dass er das Hygienekonzept rechtzeitig erhalten sollte, aber schon…
Nur am Rande: alleingelassen werden die Vereine, was die Organisation der Fahrten zu den Auswärtsspielen betrifft. Hier bietet aber § 1 e (2) mit dem Verweis auf Kutschfahrten zwar zum Teil auch verwirrende Hinweise, aber in einem offenen Gefährt dürfte die Sicherheit groß, die Reisezeit aber lang sein. Wenn man früh aufbricht, kommt man mit kräftigen Pferden auch nach Lehrte…

Anmerkung: Der Verfasser dieses Beitrags hat nach bestem Wissen und Gewissen die aktuellen Regelungen zusammengefasst und den Schwerpunkt auf eine quellenbasierte Darstellung gelegt. Dies geschieht ohne Gewähr.