Corona: Auf- und Absteiger werden ermittelt

In der komplizierten Debatte über Präsenzschach und Corona kann, muss aber nicht zwingend jeder Zwischenschritt der Verbände kommentiert werden. Nun aber scheint sich in Sachen Mannschaftsmeisterschaft einiges konkretisiert zu haben: die Willigen sollen spielen; Mannschaften, die nicht antreten können oder wollen, werden nicht sanktioniert; Auf- und Absteiger in Landes- und Verbandsligen sollen unbedingt ermittelt werden – für die Saison 2021/22. Update

Auf Biegen und Brechen?

Bereits am 5. August wurde vom gemeinsamen Spielausschuss der Landesverbände Niedersachsen und Bremen mehrheitlich beschlossen, die beiden noch ausstehenden Runden der Landes- und Verbandsligen am 13. September und am 04. Oktober 2020  nachzuholen.

Für den Fall, dass ein Verein einen Wettkampf komplett und rechtzeitig innerhalb von zwei Tagen absagt (das gilt auch für Einzelpartien an nicht besetzten Brettern), werden keine Sanktionen verhängt. Was geschehen soll, wenn ein Verein aufgrund seiner Absage absteigt, ist mir nicht bekannt. Ganz unwichtig ist dieser Aspekt nicht – gelinde gesagt. Aber immerhin bemüht sich der NSV um die Stellungnahmen der Vereine, wie NSV-Präsident Michael S. Langer im Blog der SF Hannover am 8. August versprach.

Lange vor der Saison 2021/2022 sollen also bi-direktional alle Auf- und Absteiger feststehen. Damit will der Spielausschuss strukturelle Fakten schaffen, die für die Ausrichtung einer neuen Spielzeit technisch unabdingbar sind und den Auf- und Absteigern in den Landes- und Verbandsligen natürlich auch eine relative Planungssicherheit verschaffen. Ob dies ausgerechnet im Herbst geschehen muss, bleibt natürlich eine wichtige Frage. Im erwähnten Blog kommentierte dies ein Schachfreund mit dem Hinweis, dass auf Biegen und Brechen die Saison durchgeprügelt werden soll.

Was passiert in den einzelnen Ligen? Ich zitiere aus dem Protokoll der erwähnten Spielausschusssitzung:

  • Die Schachbundesliga hat eine Entscheidung getroffen, ausspielen eines deutschen Meisters in einer Endrunde auf freiwilliger Basis, keine Absteiger Richtung 2.BL.
  • Die Bundesspielkommission (zuständig für die 2. BL) hat entschieden, dass die Saison um ein Jahr verlängert wird. Damit kann in der Saison 2019/2020 kein Verein aus der OL aufsteigen.
  • Die Nord-Länder haben entschieden, dass die Oberligasaison um ein Jahr verlängert wird. Damit kann in der Saison 2019/2020 kein Verein aus den LL aufsteigen.
  • Niedersachsen spielt seine Landes- und Verbandsliga zu Ende.

Als Schmankerl bietet der NSV im Herbst dann ein siebenrundiges Mannschaftsturnier nach Schweizer System an, das im September ausgeschrieben werden soll. Oberliga inklusive. Offenbar planen die niedersächsischen Schachbezirke und der Landesschachbund Bremen ähnliche Veranstaltungen. Warum dies auf NSV-Ebene als Manschaftssaison 2020/21 firmiert, hat einen Grund. Es soll eine mit Preisen ausgeschriebene Übergangssaison (Michael S. Langer) werden.

Symbolbild in Corona-Zeiten

Die Willigen sollen es richten

Einige Unklarheiten hat NSV-Präsident Michael S. Langer heute in einem Interview, das André Schulz für ChessBase mit ihm führte, zu klären versucht. Sein Bemühen zeigt die Zwickmühle, in der sich die Funktionäre momentan befinden. Die Hände in den Schoß zu legen und abzutauchen, geht nicht, obwohl es manchmal nicht die schlechteste Lösung wäre. Man will handeln, gestalten, Angebote machen. Aber die Entscheidungen, die man jetzt trifft, können durch die momentan rasch steigenden Infektionszahlen schneller ausgehebelt werden, als es den Entscheidern lieb sein kann. Und das angesichts einer Situation, die Langer zutreffend so beschreibt: „Das Delta zwischen denen, die sofort und weitgehend ohne Einschränkungen wieder an die Bretter wollen und den Schachfreund*innen, die gern noch längere Zeit die Risiken von Corona vermeiden möchten, ist nur sehr schwierig überbrückbar (…) Der organisierte Sport leidet bereits jetzt massiv unter Corona. Die Zahl der Neueintritte in unsere Sportvereine ist radikal zurückgegangen.“
Obwohl ich Mannschaftsspiele nicht nur im Moment, sondern generell während des Pandemiegeschehens als nicht realisierbar einschätze, weiß ich gleichzeitig, dass Funktionäre sich diesen Hut nicht aufsetzen werden. Irgendwie kann ich sie auch verstehen, denn wenn man sich mit Helleranern unterhält, wird schnell klar, wie schmerzlich das gemeinsame Spielen und überhaupt die Vereinskultur vermisst werden.

„Wir haben diese Entscheidungen getroffen, weil wir uns gemäß Satzung verpflichtet sehen, Angebote für unsere Vereine und ihre Spieler*innen zu unterbreiten. Und auch inhaltlich sind wir davon überzeugt, dass Angebote für die Spielwilligen der richtige Weg sind“, fasste Langer seine Einschätzung der Probleme zusammen. Damit sind es die Willigen, die nicht nur just for fun antreten, sondern im Kern auch den Satzungsauftrag ausführen werden. Dies veredelt die Teilnahme an einem Turnier, das garantiert nicht alle  brauchen werden, ungemein. Denn die Aufstiegsfragen sind vor dem Start des Übergangsturniers am 15. November bereits geklärt und gelten ja für 2021/22. Und da die „Willigen“ explizit angesprochen werden, wird – und das sage ich ohne Häme – das Risiko an eben diese weitergereicht. Es sei denn, man entwickelt ein perfektes Hygienkonzept. Daran glaube ich nicht, erst recht nicht, nachdem die University of California vor wenigen Tage eine Studie als Preprint vorgelegt hat, in der beschrieben wird, dass sich virentragende Aerosole für lange Zeit in einem Umkreis von 5 m stabil in der Luft halten.

Aber es gibt sie, die Willigen. In Hellern hat es am letzten Donnerstag ein Blitzturnier gegeben. Alle trugen eine Maske und durchlüftet waren die Räume auf jeden Fall, weil permanent die Fenster offenstanden.

Fenster auf und Maskenpflicht in Hellern – die Willigen waren safe.

So geht es also auch. Nämlich vernünftig und solidarisch handeln.

Rein technisch und auch epidemiologisch betrachtet wäre es eine weitere Lösung, wenn man preiswerte FFP2-Masken auf den Markt wirft und dem Einzelnen mehr Verantwortung für seine Gesundheit überträgt. Das gegenseitige Solidaritätsversprechen („Ich schütze dich, du schützt mich“), das sich die Träger von Alltagsmasken unausgesprochen geben, bröckelt mittlerweile nicht nur an den Rändern der Gesellschaft. Da können die Landesfürsten noch so sehr mit drakonischen Geldbußen drohen. Wenn keiner da ist, der das Recht, die Zeit und das Personal hat, um die Verstöße gegen die Maskenpflicht zu ahnden, hat das Ganze nur einen Symbolcharakter.

Sichere und zertifizierte Masken – das wäre dann tatsächlich ein Stück Selbstbestimmung. Auch bei Auswärtsspielen müsste man nicht dauernd checken, ob bei einem Mitstreiter die Maske unter dem Riechkolben baumelt. Das wäre auch ein echtes Stück Freiheit. Die Beteiligung anderer am eigenen freigewählten Lebensrisiko ist es nicht. Auch wenn man noch so laut schreit. Und dass Schachspielen und Masketragen funktioniert, hat Hellern demonstriert. Wo also ist das Problem?