Schiri-Drill in Rosenheim

Wir haben in unregelmäßig erscheinenden Beiträgen schon mal über Vorgänge aus der Schiedsrichter-Welt berichtet, hauptsächlich dann, wenn unser Schachfreund Stefan Ewert diesbezüglich mal wieder eine Begebenheit schildern konnte. Sommerzeit ist Schachzeit – aber nicht nur auf Schach-Open, sondern auch bei Anbietern von Seminaren für Schach-Schiedsrichter. Unsere Redaktion hat aus gegebenem Anlass mit Stefan gesprochen.

 

Auch Schiris müssen Normen erfüllen!

schach-hellern.de: Stefan, die Spatzen pfeifen es von den Dächern – Du warst nach 2014 und 2017 jetzt erneut auf einem Schiedsrichter-Seminar?

Stefan: Ja, das stimmt. Ich habe zweieinhalb Tage Urlaub und rund 1600 Zugkilometer investiert, um vom 15.08. bis zum 18.08. an einem FA-Seminar in Rosenheim in Bayern teilnehmen zu können.

schach-hellern.de: Was ist denn ein FA-Seminar?

Stefan: Der Deutsche Schachbund vergibt zunächst den Titel RSR (Regionaler Schiedsrichter) und danach dann den Titel NSR (Nationaler Schiedsrichter), die man nach entsprechenden Lehrgängen und den sich anschließenden Prüfungen erlangen kann. Nur wer den Titel NSR hat, kann sich bei der FIDE um den Titel FA (Fide Arbiter, zu Deutsch: Fide Schiedsrichter) und danach um den Titel IA (International Arbiter) bewerben.

schach-hellern.de: Und wie läuft so eine Bewerbung ab?

Stefan: Man muss, ähnlich wie bei IM- oder GM-Titeln, Normen erfüllen. Die schwierigste ist die Teilnahme am FA-Seminar, weil sich hier eine Prüfung anschließt, bei der man mindestens 80% der erreichbaren Punkte holen muss. Dann muss man noch drei weitere Normen erfüllen, das sind ausschließlich Nachweise über Erfahrungen als Haupt- oder Hilfsschiedsrichter bei ELO-gewerteten Turnieren wie z.B. der Schachbundesliga, der zweiten Schachbundesliga oder bei Schach-Open.

 

schach-hellern.de: Hast Du denn die Prüfung bestanden?

Stefan: Ja, habe ich. Es waren 24 Teilnehmer und davon haben 17 bestanden, ich gehörte auch dazu. Soweit ich weiß, wird die DSB-Homepage in ein paar Tagen kurz über diesen Termin berichten.

schach-hellern.de: Herzlichen Glückwunsch! Aber Du hast doch mit dem RSR und dem NSR schon zwei Prüfungen absolviert – haben sich denn die Schachregeln schon wieder geändert oder wieso musstest Du für den FA-Titel erneut geprüft werden?

Stefan: Der FA hat gegenüber dem RSR und dem NSR erheblich erweiterte Aufgaben, und die müssen gelehrt und natürlich auch abgefragt werden. Zum von der FIDE vorgeschriebenen Lehrgangsumfang gehört z.B. die Prüfung von Anfragen zu möglichen Spielernormen, das Wissen um den Erwerb von Schiedsrichternomen, manuelle Auslosung (= ohne Computer) von Paarungen nach dem Schweizer System, verschiedene Feinwertungen, der Gebrauch von verschiedenen elektronischen Uhren, Anti-Cheating bzw. Cheating-Verhinderung sowie mögliche Cheating-Sanktionen, die Erst- und auch Folgeberechnung von ELO-Zahlen (dies eigentlich erst für den IA-Titel, aber es schadet nicht, wenn man das vorher schon weiß) und dann als „Lückenfüller“ immer mal wieder die eine oder andere Frage aus dem tatsächlichen schachlichen Regelwerk.
Allerdings sind auch die Befugnisse eines FA oder IA um einiges erweitert worden gegenüber RSR oder NSR, man darf z.B. als Hauptschiedsrichter bei Erfüllung der entsprechenden Bedingungen IM- oder GM-Normen für Spieler ausstellen oder z.B. Wettkämpfe in der zweiten und ersten Bundesliga als Hauptschiedsrichter leiten.

schach-hellern.de: Das ist ja offenbar ein offizieller FIDE-Titel – wird der auch in der Karteikarte, die man auf der Homepage der FIDE abrufen kann, eingetragen?

Stefan: Ja, wird er. Bedingung dafür ist, dass man alle vier FA-Normen (siehe weiter oben) erfüllt hat und die entsprechenden Unterlagen über den DSB an die FIDE weitergeleitet worden sind. Bei der FIDE befassen sich u.a. die „Arbiters Commission“ (AC) und der „Presidential Board“ (PB) mit den eingehenden Anträgen und geben sie, wenn alles korrekt und vollständig ist und auch sonst nichts dagegenspricht, zur Veröffentlichung bzw. Eintragung frei. Eine Übernahme in die DWZ-Liste erfolgt allerdings nur bei Spielertiteln, jedoch nicht bei Schiedsrichtertiteln.

schach-hellern.de: Hast Du denn schon alle vier Normen zusammen, und sind sie schon auf dem Weg zur FIDE?

Stefan: Nein, meine Unterlagen sind noch nicht komplett und folglich auch noch nicht unterwegs zum DSB bzw. zur FIDE. Das sind aber jetzt nur noch „Peanuts“, denn das Bestehen der Prüfung war wirklich der schwierigste Teil beim Normenerwerb. Und eigentlich eilt es auch gar nicht, denn die FIDE ist da ähnlich schnell wie eine Behörde, die AC und der PB führen die entsprechenden Prüfungsvorgänge nur einmal pro Quartal durch.
Ich wäre ja schon froh, wenn es dieses Jahr noch was wird mit der Eintragung in meiner FIDE-Karteikarte. Und die Schiedsrichter-Einsätze auf höchster Ebene sind ohnehin schon bis zum nächsten Sommer vergeben.

schach-hellern.de: Wie schön – wir werden also in absehbarer Zeit wieder einen Titelträger mehr haben. Wir gratulieren nochmals, danken für das Interview und warten gespannt auf Deinen nächsten Schiedsrichter-Bericht!

Stefan: Ich danke auch und werde Euch informieren, wenn die Eintragung erfolgt ist!

Trivia: Die Redaktion hat sich umgeschaut und in der Liste der FIDE Arbiter tatsächlich einen Namensvetter von Stefan gefunden. Allerdings heißt der Ryszard Ewert und lebt in Polen. Ein entfernter Verwandter?

Fotos: © Hellern 2016-19