Am gestrigen Samstag stand das Nachholspiel aus der ersten Runde der Bezirksliga an: Hagens Zweite empfing Hellerns Vierte, nachdem die Hagener zum Saisonauftakt verhindert waren. Hagen trat fast genauso an wie in der zweiten Runde. Wir auch, und wie am vergangenen Samstag gegen Hollage gelang uns erneut eine Überraschung, denn wir gewannen dank einiger famoser Leistungen 4,5:3,5.
Mannschaftsführer Joe Santos hat seine Mannschaften gut im Griff. Das gilt auch in dieser Saison, denn alle kamen früh oder mindestens nicht spät, so dass wir mit aller Ruhe in den Wettkampf gehen konnten. Der Matchplan war angesichts der Hagener Aufstellung mit vier Spielern mit DWZ-Stärken über 1900 an den ersten vier Brettern klar: Vorne irgendwie ein paar Pünktchen holen und hinten für einen Mannschaftspunkt sorgen. Dass es zwei würden, war eher nicht zu erwarten, zumal Jürgen schnell verlor und Robert fast ebenso schnell die Segel streichen musste. Aber eins nach dem anderen.
Die Einzelergebnisse:
Man sieht, dass die Hagener gleich an sechs Brettern nominell favorisiert waren.
Jürgen und Robert auf Abwegen
Jürgen hatte sich nach der Eröffnung ein klares Überewicht erspielt. In der linken Diagrammstellung folgte 16. … Txf1, und Jürgen glaubte, mit der Dame zurücknehmen zu können, weil der Springer nach 17. Dxf1 Sxd4 18. Td1 gefesselt sein würde. Es folgte eine böse Überraschung (rechtes Diagramm): 18. … c5 19. Sxc5 Lxc5 20. Dc4+ Se6+! Diesen Konter hatte Jürgen einfach übersehen.
Auf ähnliche Abwege geriet Robert, der einen Bauern – vorübergehend, wie er glaubte – opferte, den Bauern nicht wiederbekam und kurz danach eine ganze Stellung in Rückstand geriet. Das war allerdings nicht das 2:0 der Hagener, denn zu diesem Zeitpunkt war bereits Joe Santos in voller Fahrt.
Die Ultras kommen
Woran immer es lag, dass sich der Wettkampf drehte, Koinzidenz oder Kausalität, jedenfalls tauchten unsere Edelfans auf. Locke Hart, Stefan Grasser und Niels Dettmer (wo war Andre Böhme?) schauten, staunten und erklärten uns, dass alles drin sei. Diese Unterstützung brachte zusätzliche Energie. Danke Jungs!
Die famosen Santosen
Joe Santos und Martin Rothe hatten es mit jungen Hagener Talenten zu tun, und beider Devise war, keine Standardtheorie zu spielen. So wusste Joe sGegner im Mittelspiel nicht sehr viel mit seiner Stellung anzufangen, und Joe konnte noch einmal gegen Paul Schmidt gewinnen, in einigen Jahren wird das möglicherweise nicht mehr so sein. In der Diagrammstellung glaubte Paul, eine Figur indirekt abtauschen zu können und spielte 19. Sbd4?. Joe nahm nicht auf d4, sondern auf h3: 19. … Lxh3! und der Hagener gab auf. Nach 20. gxh3 Dxh3 droht Schwarz matt und der Sd4 ist immer noch verloren.
Felipe Santos hatte in der zweiten Runde gegen einen starken Hollager Gegner verloren und sich für dieses Mal viel vorgenommen. Sein erfahrener Hagener Gegner Peter Sandkämper spielte insgesamt zu passiv, und Felipe tat das einzig richtige: Die Initiative an sich nehmen und behalten.
In der linken Diagrammstellung hat Felipe erfolgreich ein mächtiges Bauernzentrum aufgebaut. Weiß hat sehr wenig Bewegungsraum, und eine Initiative am Königsflügel ist noch nicht in Sicht. Es folgten 16. … Le6 17. g3 cxd3 18. Dxd3? Lc4!, mittleres Diagramm: Weiß ist gezwungen, auf c4 zu nehmen, und nun kann Felipe aus dem starken Bauernzentrum einen gefährlichen, vorgerückten Freibauern bilden. Macht er auch: 19. Lxc4 bxc4 20. De2 0-0 [Rochade im 20. Zug? Wo hast Du das gelernt, Felipe? :)] 21. Sg2 Tad8 22. f4, wir sind im rechten Diagramm, 22. … d3. In der Folge lief nicht alles rund, der Hagener bekam Chancen, in die Partie zurückzukommen, aber am Ende ließ sich Felipe den Punkt nicht mehr wegschnappen. Ein ganz wichtiger Erfolg und der 2:2 Ausgleich für die Mannschaft.
Martin, Jens, Hajo und Norbert machen den Sack zu
Von Martin Rothes Partie ist mir (Robert) leider nichts überliefert worden, ebensowenig von Jens Gausmann. Jens hatte mit Daniel Tietje den vielleicht stärksten Hagener gegen sich, noch immer erinnern wir uns an seinen Durchmarsch (7,5 aus 8) in der vorvergangenen Saison. Aber Jens brachte eine ganz solide Eröffnung aufs Brett und stand, zumindest aus der oberlächlichen Sicht der Kiebitze betrachtet, nie schlecht, bis er in hochgradiger Zeitnot die Damen tauschen woillte und dabei sein Heim durch die Vordertür verließ, nur um festzustellen, dass die gegnerische Dame nicht tauschen wollte, sondern statt dessen durch die Hintertür kam. Eine unglückliche Niederlage, aber sicher auch ein Härtetest, nach dem Jens noch besser wird.
Martin hatte es ebenfalls mit einem Hagener Jugendlichen zu tun, der überraschender Weise sehr langsam spielte und irgendwann in solch haarsträubende Zeitnot kam, dass die Niederlage folgerichtig war. Und so stand es 3:3, und nur Hajo Bade an Brett 1 und Nobert Schütt an Brett 5 spielten noch.
Hajo Bade spielte gegen Karsten Bertram, und obwohl beide so etwas wie Michael Zorc und Karl-Heinz Rummenigge bei Dortmund und Bayern sind – Urgesteine ihrer Clubs – hatten sie zuvor noch nie gegeneinander gespielt. Karsten spielte die erwartbare Verteidigung gegen 1. e4, Hajo kam irgendwann vom Pfad der Tugend ab und es wurde wild. Zwischenzeitlich sah es dann auch gar nicht gut aus, aber der Hagener verbrauchte einfach zu viel Zeit bei der Suche nach dem Matt.
In der linken Diagrammstellung droht Schwarz mit Damengewinn, denn die schwarze Dame nimmt dem weißen König das Fluchtfeld g2, und Th6+ ist tödlich. Also griff Hajo mit Tb1 die schwarze Dame an. Wo sollte diese hingehen? Der Gewinnzug ist 26. … Dd2!, denn 27. Tbd1 Th6+ 28. Dxh6 nimmt nun die Dame auf h6, Weiß verliert. Statt dessen aber landete die Dame auf einem weißen Feld: 26. … De2? und nun folgte der Paukenschlag 27. Dxb7+! Kxb7 28. Ld1+ und Weiß entkommt in ein gewonnenes Endspiel. Karsten ging im 40. Zugüber die Zeit, es stand 4:3 für uns und nur Norbert Schütt spielte noch.
Norbert sorgt in so ziemlich in jedem zweiten Mannschaftskampf für die längste Partie und deshalb auch für die Entscheidung; Ausdauersportler halt. So war es gegen Hollage, wo war es auch diesmal. Mit seinem Hagener Gegenüber Jakob Konrad spielte er erst einmal den altbekannten Sketch zwischen Springer und Läufer. Springer (Jakob): „Ich tausch mich gegen Dich ab!“ Läufer (Norbert): „Mag nicht.“. Springer: „Will aber!“ „Nö.“ „Doch!“. Am Ende war es ein indirekter Abtausch, aus dem ein Ungleichgewicht entstand, das zunächst Norbert besser zu nutzen wusste. Dann aber fand er irgendwann nicht mehr die besten Züge.
In der linken Diagrammstellung kann Weiß sich zunutze machen, dass der Bauer e6 noch immer lebt: 22. a5! Schwarz kann nicht 22. … b5 spielen, denn dann folgt 23. Sxc5! und nach 23. … dxc5 würde 24. Dxd8+ Txd8 25. e7! folgen und Schwarz verliert entscheidend Material. Norbert sah das Motiv der Schwäche auf d8 früher, nicht aber in dieser konkreten Situation und setzte statt dessen mit 22. Sd2 fort, das taktische Motiv war vom Brett. Zehn Züge später, beide Spieler waren bereits in hochgradiger Zeitnot, hatte sich das Blatt gewendet (mittleres Diagramm): Schwarz hat keine Sorgen mehr. Der Hagener wickelte nun in ein D+S gegen D+L Endspiel ab: 31. … dxe4 32. Lxe4 Txf1+ 33. Txf1 Txf1+ 34. Kxf1 Dc1+ 35. Kf2 Lxe4 36. Dxe4, siehe rechtes Diagramm. Nun aber ahnte er sicher bereits, dass das Endspiel nicht zu gewinnen ist: Gibt Schwarz nicht selbst Dauerschach, wird es Weiß tun. Letzteres geschah, und bereits kurz nach der Zeitkontrolle war der Mannschaftskampf entschieden: 4,5 : 3,5 für Hellern, ein unerwarteter Erfolg.
Ein Blick auf die Tabelle lässt uns die Augen reiben, denn statt wie zu erwarten erst einmal hinten stehen wir vorne. Gut, die SG Osnabrück II ist wohl wirklich nicht zu schlagen, aber erstens dachten wir das auch von Hagen und zweitens können wir auch auf dem Papier alle anderen schlagen, wenn wir mit der Stammmannschaft oder so starkem Ersatz wie Felipe und Alfons Thöle (erste Runde) antreten können. Weiter geht es am 10. November gegen Spelle, und danach werden wir wissen, ob wir definitiv nach oben schauen dürfen statt nach unten.