Am 12. Juni richtete der Oberhausener Schachverein v. 1887 ein Blitzturnier aus, das auch einen prominenten Teilnehmer angezogen hat. Dies führte Reinhold Happe weit zürück in die Schachgeschichte. Wie weit? Einfach den launigen Gastbeitrag von Reinhold lesen!
Who is who?
In der Sommerpause kann es für Schachspieler schon einmal zu schlimmen Entzugserscheinungen kommen, so dass er sich genötigt sieht, den direkten Kontakt mit Brett, Figuren und Gegnern zu suchen. So erging es mir in der vergangenen Woche und so stieg ich am Dienstagabend kurz entschlossen in einen Zug nach Oberhausen. Mein Ziel war ein Blitzturnier des Oberhausener Schachvereins.
Als ich etwas später schon in Zeitnot das Spiellokal erreichte und das Teilnehmerfeld sichtete, entdeckte ich gemütlich an einem Tisch sitzend eine Legende meiner Schachjugend.
Ich wette ein Bierchen, dass einige ihn auch heute noch kennen. Natürlich war er und nicht ich an „Eins“ gesetzt. Die erste von elf Runden begann und meine Hoffnung, auf ein direktes Duell mit ihm wuchs. Im Verlauf der nächsten Runden rückte ich immer mal wieder in seine Nähe, ohne ihm jedoch direkt gegenübersitzen zu dürfen.
Dabei kamen mir auch die neuen FIDE-Regeln[1] in die Quere. Als nämlich ein junger Nachwuchsspieler gegen mich seinen König „einstellte“, bedeutete dies keineswegs den vollen Punkt, sondern nur einen Zeitbonus von einer Minute, was mir leider nicht ausreichte, um ihn in seine Schranken zu weisen und damit meinem Ziel näher zu kommen. Hierzu passt natürlich der weise Kommentar meines Idols: „Im Alter werden leider auch die Finger langsamer.“
Der Hintergrund für die Regeländerung war wohl ein Vorfall bei der Blitz-WM zwischen Carlsen und Inarkiew, in der Inarkiew einen Regelverstoß beging, den Carlsen nicht bemerkte, worauf Inarkiew selbst nach Carlsens Antwort wegen irregulärer Stellung auf Gewinn reklamierte. Dies sorgte für einen Eklat mit langen Diskussionen, auch unter den Schiedsrichtern, die letztlich Inarkiews Reklamation zurückwiesen. Als Ergebnis haben wir jetzt alle mit neuen Regeln zu leben.
Trotz des neuen Reglements schritt das Turnier voran und kurz vor dem Ende saß die Nummer Eins neben mir. Auch auf ihn nahm die Blitzuhr leider keine Rücksicht. Trotzdem bewahrte er seine gute Laune und seine launigen Kommentare. Wie er dies macht, verriet er mir leider nicht. Aber aus einem Interview mit ihm erfuhr ich, dass er beim Wettkampf Sowjetunion gegen den Rest der Welt (1970) auf Vorschlag von Bobby Fischer, der Bent Larsen freiwillig das erste Brett überlassen hatte, an Brett 4 aufgestellt wurde. Wer so geadelt wurde, braucht sicherlich nicht bei einem Blitzabend in Oberhausen die Punkte zu zählen, um erhobenen Hauptes nach Hause zu gehen.
Deshalb fuhr auch ich gut gelaunt nach Hause, nicht ohne am Folgetag mir auf Youtube noch einmal ein Best of von „Schach der Großmeister“ anzusehen, in der Vlastimil Hort und Dr. Helmut Pfleger schon im internetlosen Zeitalter Schachpartien (fast) live kommentiert haben.
Meine Ikone war dabei Vlastimil, weil er einerseits durch große Fachkenntnis glänzte. In der Partie Hübner-Kasparow, die nach wenigen Zügen durch einen Dameneinsteller von Hübner endete, merkte Hort kurz vor dem Siegzug (vergifteter Bauer auf f5) mit einen süffisanten Lächeln an, dass er diese Stellung schon einmal analysiert habe, wohl nicht damit rechnend, dass der damalige Weltklassespieler Robert Hübner dieses Motiv nicht kenne.
So oder ähnlich machte Vlastimil Hort mit unendlich viel Humor menschliche Schwächen erträglich.
So können sich alle Schachspieler freuen, dass auch den absoluten Cracks solche Fehler unterlaufen können.
Danke Vlastimil.
Die Ergebnisse gibt es hier.
[1] Es gilt für das Blitzschach nun u.a. Folgendes: Beim ersten Regelverstoß erhält der Gegner eine Zeitgutschrift von einer Minute, beim zweiten Regelverstoß ist die Partie verloren. Zu Regelverstößen zählen z.B. das Ziehen mit zwei Händen, den König im Schach stehenlassen, irreguläre Züge und Uhr drücken sowie Umwerfen von Figuren und Uhr drücken.