„Das war knapp. Die erste Saisonniederlage lag in der Luft. Nur dank eines enormen Endspurts erreichte Hellern in Bremen ein kaum noch für möglich gehaltenes 4-4“, resümierte Mannschaftsführer Hajo Bade recht dankbar den Verlauf der 2. Runde. Mehr im folgenden Bericht.
Nach zwei Stunden kein Lichtblick
Wieder einmal erwies sich Werder Bremen als hervorragender Gastgeber, schien aber als Gegenleistung die Punkte behalten zu wollen. Dafür sprach schon die kompakte Mannschaftsaufstellung. Wenn schon der einzige Werderaner Ersatzspieler eine Elo von 2250 aufzuweisen hat, dann nenne ich das Bestbesetzung. Da konnten wir Helleraner nicht ganz mithalten.
Das Match verlief ähnlich schwerblütig, ähnlich wie unser Auftaktspiel gegen Göttingen. Der gravierende Unterschied bestand darin, dass es nach ca. zwei Spielstunden keine Lichtblicke gab, dafür aber bereits einige schwer zu spielende Partien.
Jörg Stock hatte wohl eine wenig vorteilhafte Variante gegen Caro-Kann gewählt und stand fortan gegen Duong Lai Hop hintendrin.
Reinhold Happe wollte einen aggressiven Slawen. Das Vorhaben mündete dann tatsächlich in einem frühen Damentausch und einem schwächlichen Doppelbauernpaar auf der b-Linie, die der ganzen Königsfürsorge bedurften, um nicht verspeist zu werden. Dass man sich in großmeisterlichen Gefilden befand, tröstet wenig, wenn man statt eigener Aktivität nur noch nach einem sehr genauen Verteidigungsspiel gucken darf.
Julian Zur Lage hatte sich schon früh eine mächtig zerdepperte Königsstellung eingehandelt und bemühte sich um Gegenspiel.
Hannes Ewert wurde mit einer Eselsohreröffnung konfrontiert. Die Züge 1.h3 und 2.a3 sind schon sehr außergewöhnlich und waren wohl der Idee entsprungen, der theoriebeflissenen Jugend den Zahn zu ziehen. Andererseits ist Olaf Steffens wohlbekannt für kuriose und kreative Varianten.
Die anderen vier Spieler befanden sich eher in einem Bereich den der Computer mit 0,0 bis +/- 0,3 bewertet.
Verlängerung ohne freundliche Perspektive
Noch vor der Zeitkontrolle gab es bereits die ersten Resultate: Julian hatte sich aus dem energischen Zugriff durch Damentausch befreit und baute seinerseits Druck auf. Da es zeitgleich an den Brettern von Jörg Stock, Hajo Bade und Franz Ernst immer kritischer wurde, bot Julians Gegner Matthias Krallmann verständlicherweise Remis, das auch angenommen wurde.
Thorben Weist hatte an Brett 6 spielend auch keinen leichten Stand, konnte aber durch geschicktes Tauschen der Figuren den Druck aus der Stellung nehmen, so dass sein Kontrahent Fabian Brinkmann ebenfalls Remis bot.
Dass kurz darauf Olaf Steffens gegen Hannes kapitulierte kam zunächst aus dem Nichts. Bei genauer Betrachtung erkannte man, dass Hannes seinen Gegner ausgekontert hatte und unwiderstehlich Matt drohte. Das war eine überraschende 2-1-Führung. Sie hielt allerdings auch nicht lange.
[Event „Oberliga Nord-West 2017/18“]
[Site „Bremen“]
[Date „2017.10.22“]
[Round „2.2“]
[White „Steffens“]
[Black „Ewert“]
[Result „0-1“]
[ECO „A00“]
[WhiteElo „2220“]
[BlackElo „2261“]
[Annotator „Thal“]
[SetUp „1“]
[FEN „r1bq1rk1/ppp2ppp/2nb1n2/4p3/2B1P3/P1N2N1P/1P1P1PP1/R1BQ1RK1 b – – 0 9“]
[PlyCount „27“]
[EventDate „2017.??.??“]
[EventType „team“]
[EventRounds „9“]
[EventCountry „GER“]
[SourceDate „2015.09.05“]
[SourceVersionDate „2015.09.05“]
[WhiteTeam „SV Werder Bremen III“]
[BlackTeam „SV Hellern“]
[WhiteTeamCountry „GER“]
[BlackTeamCountry „GER“]
{Olaf Steffens hatte die super-solide Basman-Eröffnung gewählt, die nach
ihrem Vordenker, dem britischen IM Michael J. Basman benannt wurde. Dass dies
spielbar ist, demonstrierte der Bremer in dieser Partie bislang erfolgreich.}
9… a6 10. d3 h6 {[%csl Ya3,Ya6,Yh3,Yh6] Beide Spieler haben ihre Pflicht
erledigt: alle Randbauer wurde dezent aufgezogen.} 11. Be3 {Zwischenbilanz:
Weiß steht keineswegs schlechter.} Re8 12. Nh4 Bf8 (12… Nxe4 {[%cal Rd8h4]}
13. Qh5 $18 {[%cal Rh5f7,Rc4f7,Rc3e4,Gh5h4]}) 13. f4 {Die Feldschwächen
dieses Zuges werden immer wieder unter-, die Öffnung der f-Linie
überschätzt. Im vorliegenden Fall darf Weiß den Springer nicht nach e5
lassen.} exf4 14. Rxf4 $2 ({Hingegen war} 14. Bxf4 {völlig zufriedenstellend:}
Be6 $11 (14… g5 15. Bg3 gxh4 $2 16. Bxh4 $18)) 14… Ne5 $1 $44 15. Ba2 $2 ({
Stattdessen hätte Weiß mit sorgenfreiem Ergebnis zu} 15. Nd5 {greifen sollen:
} Nxd5 16. Bxd5 c6 {Spielt Schwarz 16.Le6, so landet man später in ähnlichen
Stellungen wie in der Hauptvariante.} 17. Bb3 g5 $13 18. Rf2 gxh4 19. d4 Be6 {
Das ist erforderlich, denn nach Se5-g6 kracht es auf f7.} 20. Bxe6 Rxe6 21.
dxe5 Qxd1+ 22. Rxd1 Rxe5 23. Rf4 $11) 15… Nxd3 $19 16. Bxf7+ $2 {In anderen
Varianten fallen entweder e4 oder b2.} Kxf7 17. Qh5+ Kg8 18. Rxf6 Qxf6 $1 {
Hannes kann zählen.} 19. Qxe8 Qxh4 $19 20. Nd5 (20. Rf1 Qe7 $19 ({aber nicht}
20… Bxh3 $4 21. Rxf8+ Kh7 22. Rh8#)) 20… Bxh3 $3 21. Nf6+ Qxf6 22. Qxa8 Qg6
{Ein herrliches Alles-oder-Nichts-Schach des Bremers. Leider gibt es
humorbefreite Menschen. Und die wehren sich.} 0-1
In der Zeitnotphase strich der Schreiber dieser Zeilen gegen den jungen Nikolas Wachinger seine Segel und Reinhold erzielte nach konzentrierter Abwehrleistung ein verdientes Remis gegen Elmur Timali. Übrig blieb die als verlustig einzuschätzende Stellung von Jörg, die klare Verluststellung von Franz, sowie eine unklare – leicht besser stehende – Stellung von Carsten Lingnau. Das sah nach einer ordentlichen Verlängerung ohne freundliche Perspektive aus.
Turn Around am Abgrund
In der fünften Spielstunde musste Franz nach hartnäckigem Widerstand im Damenendspiel seinem Kontrahenten Prof. Dr. Reiner Franke die Hand reichen. Nun war Bremen mit 3,5-2,5 in Führung gegangen.
Dabei hatte Franz eine irre Gewinnmöglichkeit auf dem Brett:
[Event „Oberliga Nord-West 2017/18“]
[Site „Bremen“]
[Date „2017.10.22“]
[Round „2.8“]
[White „Franke, Reiner“]
[Black „Ernst, Franz“]
[Result „1-0“]
[ECO „A14“]
[WhiteElo „2255“]
[BlackElo „1977“]
[Annotator „Ernst, Thal“]
[SetUp „1“]
[FEN „3r2k1/1p3pp1/p1nBrbbp/1qP1p3/2Np2P1/PP1P3P/4QPB1/R2R2K1 w – – 0 24“]
[PlyCount „3“]
[EventDate „2017.??.??“]
[EventType „team“]
[EventRounds „9“]
[EventCountry „GER“]
[SourceDate „2015.09.05“]
[SourceVersionDate „2015.09.05“]
[WhiteTeam „SV Werder Bremen III“]
[BlackTeam „SV Hellern“]
[WhiteTeamCountry „GER“]
[BlackTeamCountry „GER“]
24. Bd5 $2 Ree8 ({Unglaublicherweise gewann Schwarz nun mit einem doppelten
Qualitätsopfer:} 24… Rdxd6 {[%mdl 2624]} 25. Nxd6 Rxd6 26. Bxf7+ (26. cxd6
Qxd5 27. Re1 Qxd6 28. Qf3 Bg5 29. b4 f6 {[%cal Rg6f7,Rf7d5] Die weißen Türme
sind hilflos und als Nächstes erobert Schwarz die weißen Felder – das
klassische Knockout durch ein übermächtiges Läuferpaar (Thal).}) 26… Bxf7
27. cxd6 Qd5 $19 {und die drei Leichtfiguren sind stärker als die beiden
weißen Türme.}) 25. b4 $16 {1-0 (57.)} 1-0
Jörg stand immer noch am Abgrund und Carsten lediglich etwas besser. Der Arbeitstag war noch lange nicht vorrüber und es war in der Tat harte Arbeit, die von den beiden letzten Protagonisten geleistet wurde.
Dann, ganz allmählich, neigte sich Caissas Füllhorn. Duong Lai Hop hatte die Qualle erobert, anstatt einen Freibauern zu generieren. Damit war er zwar materiell im Vorteil, doch bot genau diese Abwicklung die beste Chance für Jörg seine Verteidigung zu organisieren.
Auch in der zweiten Partie spielte ein Qualitätsgewinn eine Rolle. Hier war Carsten im Vorteil. Diese Stellung bot jedoch dynamische Möglichkeiten für den Turm und Carsten setzte das sehr konsequent gegen Stephan Buchal um. Der erste Schritt zum Mannschaftsuntentschieden war gemacht.
Als Jörg dann auch noch einen Freibauern bilden konnte und Gegenspiel bekam, da glomm der Hoffnungsfunke schon deutlich. Das Läuferopfer auf g5, nach nahezu sechs Spielstunden, war dann die Krönung einer bravourösen Verteidigung. Das Remis war unausweichlich.
[Event „Oberliga Nord-West 2017/18“]
[Site „Bremen“]
[Date „2017.10.22“]
[Round „2.3“]
[White „Stock“]
[Black „Lai Hop“]
[Result „1/2-1/2“]
[WhiteElo „2203“]
[BlackElo „2181“]
[Annotator „Thal“]
[SetUp „1“]
[FEN „1k1r1r2/pb1nq3/1p6/4pBp1/2P3Pn/2B4N/PP6/1K1RR1Q1 b – – 0 30“]
[PlyCount „77“]
[EventDate „2017.??.??“]
[EventType „team“]
[EventRounds „9“]
[EventCountry „GER“]
[SourceDate „2015.09.05“]
[SourceVersionDate „2015.09.05“]
[WhiteTeam „SV Hellern“]
[BlackTeam „SV Werder Bremen III“]
[WhiteTeamCountry „GER“]
[BlackTeamCountry „GER“]
30… Nf3 $5 {Merkwürdig: nach der Annahme des Qualitätsopfers steht Weiß
besser als nach der Ablehnung.} ({Besser war daher} 30… Nxf5 31. gxf5 Rxf5
$17) 31. Qg3 Nxe1 32. Rxe1 Ka8 33. Qe3 {Die weißen Figuren stehen gut, aber
natürlich steht Schwarz immernoch besser.} Rg8 34. Nf2 Qc5 35. Qe2 Rge8 36.
Ne4 $1 {Alles sehr genau gespielt.} Qe7 37. Qe3 Rg8 38. Rh1 $6 {stellt ohne
Not den Turm in die Läuferdiagonale, was taktische Optionen ermöglicht…}
Nf6 $1 {…die der Bremer auch erkennt.} 39. Re1 $2 (39. Nxf6 Bxh1 40. Nxg8
Rxg8 41. b3 Bb7 42. Qxe5 Qxe5 43. Bxe5 {führt zu einem technischen Endspiel,
in dem Weiß bis zum Ende ohne Gegenspiel genau verteidigen muss.}) 39… Nxe4
40. Bxe4 Bxe4+ 41. Qxe4+ Qb7 $19 42. Qf5 Qc6 (42… e4 $1 $19) 43. b3 Rdf8 $6 (
{Immer wieder} 43… e4 $1 $19) 44. Qxe5 Re8 45. Qg3 Rxe1+ 46. Qxe1 Re8 47. Qd2
Qe4+ 48. Kb2 Qe2 49. Ka3 Qxd2 50. Bxd2 Re5 51. Kb4 Kb7 52. Kc3 Kc6 53. Kd4 Kd6
54. b4 Ke6 55. Be3 a6 {Stockfish: „Remis!“} 56. c5 $2 (56. a4 b5 (56… Kd6 57.
b5 a5 58. Kd3 $11 {[%csl Gc5,Gd5]}) 57. cxb5 axb5 58. a5 $11) 56… bxc5+ ({Ob
} 56… Rd5+ {gewinnt, konnte nicht endgültig geklärt werden}) 57. bxc5 Kf6
58. c6 Re6 59. Bxg5+ $3 {Ein spektakulärer Remiszug, der die Erste in Bremen
ins 4-4 rettete.} Kxg5 60. Kd5 Re2 61. c7 Rc2 62. Kd6 Kxg4 63. a4 a5 64. Kd7
Rd2+ 65. Kc6 Rc2+ 66. Kb7 Rb2+ 67. Ka7 Rc2 68. Kb7 Rb2+ {[%mdl 2] Eine
faszinierende und komplexe Partie. Durchaus eine Perle, auch wegen der
Bedeutung für den Endstand.} 1/2-1/2
Der Mannschaftswettkampf endete zwar 4-4, fühlte sich aber wie ein Sieg an. Eine tolle Mannschaftsleistung.
Hajo
Pressespiegel
Zum Finale des Matches schreibt FM Matthias Krallmann:
Nun musste noch ein Punkt aus den letzten laufenden Partien von FM Stephan Buchal und Duong Lai Hop her. Stephan stand etwas schlechter und Duong etwas besser. Leider konnte Stephan seine Partie gegen den starken Internationalen Meister Carsten Lingnau nicht halten und Duong seinen Vorteil nicht realisieren. So stand am Ende ein für Hellern glückliches 4-4 Unentschieden auf dem Spielbericht.
Quelle: Werder.de
Das LigaOrakel sieht die Abstiegswahrscheinlichkeit von Hellern bei 4,2%.
Quelle: Das LigaOrakel (Oberliga Nord West)