Oberliga: Erfolg ist die Summe richtiger Entscheidungen

Hellern gewinnt 5½-2½ in Hannover
Der größte Erfolg in der SVH-Schachhistorie ist eine Runde vor Saisonende gesichert: Zweiter der Oberliga. Wie es dazu kam, dass wir in dieser Saison bis zur Schlussrunde um die Meisterschaft mitspielen können, zeigte auch der Wettkampf gegen den sehr starken Aufsteiger SF Hannover, der immerhin als einziges Team den Tabellenführer aus Oldenburg besiegt hatte. (Gastbeitrag: Reinhold Happe)

Gegen uns schienen sich die Hannoveraner auch einiges vorgenommen zu haben, liefen sie doch in absoluter Topbesetzung auf, sodass rein statistisch ein nahezu offener Wettkampf zu erwarten war. Die erste Wettkampfstunde spiegelte dies auch wider. So sah sich Dirk Hummel an Brett 2 mit dem Evans-Gambit konfrontiert, das ich bei ihm noch nie auf dem Brett gesehen hatte, und er benötigte einige Zeit (50 Minuten als Spitzenwert für einen Zug), um die Stellung in allen Tiefen zu durchleuchten.

Dr. Gronde – Böhm: Ingo an Brett 3 sah sich mit einer aggressiven schottischen Verteidigung konfrontiert, in der sich sein Gegenüber offensichtlich bestens auskannte. Jürgen Böhm (rechts) gewann bei seinem zweiten Oberliga-Einsatz die einzige Partie für die Gastgeber.

Aber nicht nur die Hannoveraner schienen vorbereitet, sondern auch einige Helleraner hatten ihre Hausaufgaben gemacht. So zerlegte Julian zur Lage die gambitorientierte Spielweise seines Gegners Andreas Herrmann, immerhin eines Hannoveraner Topscorers in dieser Saison (4/7). Julian sammelte Bauer um Bauer ein, zwar um den Preis eines gewissen Entwicklungsrückstandes, aber das Gegenspiel schien nie so stark zu werden, dass die Partie noch einmal hätte kippen können. Trotz noch zäher Gegenwehr ließ unser 90-Prozent-Mann (5,5/6) nichts mehr anbrennen und stellte damit als Erster die Zeichen in Richtung Auswärtssieg – und dies nicht zum ersten Mal im Saisonverlauf.


Happe – Liebau: In meiner eignen Partie hatte sich mein Gegner Andreas Liebau (Foto rechts) auch speziell vorbereitet und wählte die extravagante Fortsetzung (1.c4 e5 2.Sc3 Lb4), die ich in einer Turnierpartie erstmals auf dem Brett hatte. Auch dies zeigte, dass er mit Schwarz nicht einfach nur auf Remis spielen wollte, sondern seine Chance bereits durch eine bessere Eröffnungskenntnis nutzen wollte.
Doch um meine Ruf als Remiskönig nicht zu gefährden, suchte ich nach Möglichkeiten, eigene Ambitionen zu entwickeln und erreichte nach einigem Lavieren auch eine vorteilhafte Stellung, die meinem Gegner direkt zu einem Remisangebot verleitete.
Zu solchen Angeboten kann ich in dieser Saison anscheinend nicht „Nein!“ sagen, zumal meine Nachbarbretter, die JJs (Jörg und Julian), bereits äußerst gut standen. Als ich mich bei der Analyse noch etwas über meine übertriebene Friedfertigkeit ärgerte, merkte  Schachfreund Liebau an, dass seine längste Remisserie 18 Partien angedauert hätte. Da habe ich ja noch nicht einmal die Hälfte erreicht. Als kleine Entschädigung für entgangene Züge gehen unsere Getränke in der Schlussrunde auf mich. Nachspiellink.


Lingnau-Schirm: Kurz nach meinem Partieende sicherte Carsten – fast möchte man schon sagen wie gewohnt, doch dafür war es noch zu früh – gegen Friedmar Schirm (rechts) im besten Stile eines Magnus Carlsen unseren ersten vollen Punkt.
7 P aus 8 an Brett 1, das kann kein Zufall sein.

Als dann auch noch Jörg Stock mit c5 das Zentrum seines Gegners attackierte („e5 konnte ich ja nicht spielen“), zeigte sich relativ schnell ein deutlicher positioneller Vorteil, den er mit gnadenloser Präzision verwertete. Als das Mattnetz gespannt war, resignierte mit Bernd Fritze (4,5/7) ein weiterer Hannoveraner Topscorer. Jörg weist jetzt 5/7 auf, ein weiterer Topwert.

[Event „Oberliga Nord-West 2016/17“]
[Site „Hellern“]
[Date „2017.04.23“]
[Round „8.6“]
[White „Fritze“]
[Black „Stock“]
[Result „0-1“]
[ECO „A00“]
[WhiteElo „2207“]
[BlackElo „2185“]
[Annotator „Stock“]
[SetUp „1“]
[FEN „r1b1r1k1/pp1nppb1/6pp/2pn4/2NP3B/1P1BPN2/1P3PPP/R4RK1 w – – 0 14“]
[PlyCount „38“]
[EventDate „2017.??.??“]
[EventType „team“]
[EventRounds „9“]
[EventCountry „GER“]
[SourceDate „2015.09.05“]
[SourceVersionDate „2015.09.05“]
[WhiteTeam „SF Hannover“]
[BlackTeam „SV Hellern“]
[WhiteTeamCountry „GER“]
[BlackTeamCountry „GER“]

14. Nce5 $6 {Das allerdings ist jetzt nicht gut, da Weiß nun auch noch eine
zweite Bauernschwäche bekommt.} cxd4 $1 15. exd4 Nxe5 {Nicht ganz genau. Ich
dachte, dass der Springer wieder nehmen muss, da auf 16. dxe5 Lg4 der Bauer e5
Probleme bekommt.} 16. Nxe5 $6 (16. dxe5 Bg4 17. Be4 e6 $15 {Und Schwarz hat
nur leichten Vorteil.}) 16… Be6 $17 17. Bc4 a6 18. Rfc1 g5 19. Bg3 Rac8 20.
h3 Red8 21. Bxd5 {Das kann nicht die Lösung sein, aber Weiß hat bereits
echte Probleme noch gute Züge zu finden.} Bxd5 $19 (21… Rxc1+ 22. Rxc1 Rxd5
23. Rc7 Rb5 $1 $19) 22. b4 {Deswegen der Läufertausch, aber die weißen
Bauernschwächen sind jetzt offenkundig.} e6 23. Rc3 f6 24. Nd3 Rc4 $1 {
Der schönste und eleganteste Zug der Partie.} 25. Rxc4 Bxc4 26. Nc5 Rxd4 27.
Nxb7 f5 {Droht den Trompowsky-Läufer abzuklemmen und macht den eigenen
schwarzfeldrigen Läufer startklar.} 28. Bd6 Rd2 29. Rc1 Bd5 30. Rc8+ Kh7 31.
Rc7 Kg6 (31… Bxb7 $4 {Auch hier konnte man noch fehlgreifen. Idee ist
natürlich, dass nach 32.Txb7 der Ld6 hängt, aber ….} 32. Be5 $1 $18 {
und Weiß dreht den Spieß um.}) 32. Bc5 {Das beendet die Partie sofort. Weiß
hatte inzwischen auch keine Bedenkzeit mehr. Aber auch der Engine fällt hier
nur noch das Qualle-Opfer auf g7 ein, was am Partieausgang auch nichts ändern
würde.} Rd1+ (32… Rd1+ 33. Kh2 Be5+ 34. g3 Rh1#) 0-1


Gabriel-Weist: Dann machte es auch nichts mehr, dass unser Nachwuchstalent Thorben Weist seinen Gegner Uwe Gabriel (links) noch ins Remis entkommen lassen musste. So führten wir mit 3-1 und Julians Sieg war nur eine Frage der Zeit.

Ackermann-Hummel: Dann endlich schlug die Stunde für die Partie des Tages. Dirks Tiefenanalyse der Stellung zeigte Wirkung. Der Gambitbauer war verspeist, die Stellung hielt trotz wilder Attacken seines Gegners und in Zeitnot entkorkte Dirk (Foto Mitte) einen Konter, der eine Vielzahl taktischer Motive enthielt, die er souverän kontrollierte und seinem Gegner im Angesicht diverser Mattdrohungen zur Aufgabe zwang. Damit war der dritte Hannoveraner Punktesammler besiegt und der Mannschaftssieg sicher, auch wenn Ingo sich lange in einem Endspiel mit Minusbauern quälte, dafür aber nicht mehr belohnt wurde.

[Event „Oberliga Nord-West 2016/17“]
[Site „Hellern“]
[Date „2017.04.23“]
[Round „8.2“]
[White „Ackermann“]
[Black „Hummel“]
[Result „0-1“]
[ECO „C51“]
[WhiteElo „2086“]
[BlackElo „2292“]
[Annotator „Thal“]
[PlyCount „90“]
[EventDate „2017.??.??“]
[EventType „team“]
[EventRounds „9“]
[EventCountry „GER“]
[SourceDate „2015.09.05“]
[SourceVersionDate „2015.09.05“]
[WhiteTeam „SF Hannover“]
[BlackTeam „SV Hellern“]
[WhiteTeamCountry „GER“]
[BlackTeamCountry „GER“]

1. e4 e5 2. Nf3 Nc6 3. Bc4 Bc5 4. b4 Bxb4 5. c3 Bc5 6. d4 exd4 7. O-O d6 8.
cxd4 Bb6 9. d5 Na5 10. Bb2 Nf6 11. Bd3 O-O 12. Nc3 Bg4 13. Na4 Re8 (13… Nd7
14. Nxb6 axb6 15. Qc2 Bxf3 16. gxf3 Ne5 17. Kh1 Qf6 $15 18. Rg1 Qxf3+ 19. Rg2
Qxd3 $4 20. Qxd3 Nxd3 21. Rxg7+ Kh8 22. Rg8+ Kxg8 23. Rg1# {1-0 (23) Anderssen,
A-NN Rotterdam 1861}) 14. Re1 $146 ({Fernpartien sind angesichts der
technischen Hilfsmittel recht aussagekräftig.} 14. Nxb6 axb6 15. Re1 Nd7 16.
h3 Bh5 17. Bb5 f6 18. g4 Bg6 19. Nd4 $11 {1/2-1/2 (43) Cosentino,A (1901)
-Aymard,M (2221) ICCF email 2010}) 14… Nd7 15. h3 Bxf3 16. Qxf3 Ne5 17. Qg3
f6 18. Nxb6 axb6 19. Bc2 Nac4 20. Bc3 Ra3 21. f4 $11 Nd7 $6 (21… Ng6 $11 {
hätte die folgende Umgruppierung nebst Doppelangriff vorerst verhindert.}) 22.
Qd3 b5 23. e5 $1 {[%cal Rd3h7] Dass der am besten verteidigte Punkt aufgerollt
wird, ist keine Seltenheit. Die Begründung ist nicht schwer zu finden.} g6 (
23… fxe5 24. Qxh7+ $18) 24. e6 $14 Ndb6 25. Qd4 $6 (25. Bb3 $1 $14) 25… Qe7
(25… c5 $1 26. dxc6 bxc6 27. Qxf6 Qxf6 28. Bxf6 Nd5 $17) 26. Bb4 Raa8 27. g4
$2 {[%cal Yf4f5]} (27. Be4 $142 $11) 27… c5 $19 {Spät, aber nicht zu spät.}
28. dxc6 bxc6 29. Bc3 Nd5 $5 (29… b4 $3 30. Bb2 c5 31. Qxf6 Nxb2 32. Qxb2 $19
) 30. f5 $2 {Hier bot sich dem Hannoveraner noch eine Ausgleichschance.} (30.
Be4 $1 Nce3 31. a4 bxa4 32. f5 Nxc3 33. Qxc3 d5 (33… Nd5 {Stockfish} 34. Qxc6
Nb4 $132) 34. Rxe3 dxe4 35. Rxe4 a3 $11) 30… Nxc3 $19 (30… Ne5 31. Kh1 Ra3
32. Bb3 Nxc3 33. Qxc3 $19) 31. Qxc3 Ra3 32. Bb3 d5 33. Qd4 Rd8 34. fxg6 hxg6
35. Bc2 $2 (35. Rf1 $142 Rf8 $15) 35… Qd6 36. Qf2 Rg3+ 37. Kf1 Rxh3 38. Kg1
Rg3+ 39. Kh1 Kg7 40. Bxg6 Rh8+ $1 {Matt in 9} 41. Bh5 Rxg4 42. Qf5 Rg5 (42…
Qg3 43. Qxf6+ Kxf6 44. Rf1+ Kg5 45. Rf5+ Kh4 46. Bxg4 Kxg4+ 47. Rh5 Rxh5#) 43.
Qxg5+ fxg5 44. e7 Rxh5+ 45. Kg2 Rh2+ 0-1

Bei einem 5-2-Zwischenstand, auch Julians Gegner hatte kapituliert, kämpfte nur noch unser u16-Landesmeister Hannes Ewert in einem Turmendspiel mit Mehrbauern um den vollen Punkt, der vermutlich kurz vor der Zeitkontrolle einfacher möglich gewesen wäre. Aber mit dem Remis und einer Saisonleistung von 6 P aus 8 ist Hannes zusammen mit Julian der Senkrechstarter der Saison. Da aber auch die Etablierten das Schachspielen nicht verlernt haben, ist der zweite Tabellenplatz mit dem Bestwert von 41 Brettpunkten Tatsache und Grund genug dafür, die Schlussrunde gegen Werder 3 noch einmal hochmotiviert anzugehen.


SF Hannover
SV Hellern
Schirm (2238) IM Lingnau (2413) 0 1
Ackermann (2169) Hummel (2282) 0 1
Böhm (2180) Dr. Gronde (2215) 1 0
Kaimer (2199) Ewert (2236) 0,5 0,5
Liebau (2230) Happe (2113) 0,5 0,5
Fritze (2216) Stock (2171) 0 1
Herrmann (2164) zur Lage (2134) 0 1
Gabriel (2048) Weist, Thorben (1997) 0,5 0,5

Fotos: © Gerhard Streich 2017

Wir bedanken uns ganz herzlich bei den Schachfreunden Hannover für das zur Verfügung gestellte Bildmaterial.