Mit einem dramatischen Schlussspurt und 3,5 P v. 4 holte sich Jana den erhofften Titel einer Deutschen Meisterin u18. In der letzten Runde machte sie es noch einmal spannend, als sie recht schnell gegen WFM Alina Zahn auf Gewinn stand, dann aber Probleme bekam. Mit einem Kraftzug sicherte sie aber das Remis und damit den ungeteilten 1. Platz. Wir gratulieren ganz herzlich zum Titelgewinn.
Nach der tragischen Verlustpartie in der 5. Runde schrieb ich: „Jana hat nach dieser Partie den Ballast des Titelgewinns abgeworfen und kann nun einfach nur Schach spielen – und das kann sie wirklich sehr gut.“ Zurückgefallen auf Platz 5, war mit 3 P und 1,5 Punkten Rückstand auf Emily Rosmait an einen Titelgewinn nicht mehr zu denken.
Dieses Schicksal teilte sie mit Alina Zahn vom SV Empor Erfurt, der einzigen Titelträgerin im Turnier. Die hinter Jana an 2 gesetzte Co-Favoritin konnte mit 3 Punkten ebenfalls nicht glücklich sein, während an der Tabellenspitze einige Außenseiterinnen den Titelkampf unter sich auszumachen schienen. Doch ein Turnier ist lang, sehr lang.
Auf Jana schien das vermeintlich frühzeitige Ausscheiden aus dem Titelkampf befreiend gewirkt zu haben, denn von nun an verlor sie keine einzige Partie mehr, gewann drei Matches nacheinander und ging nach einem waschechten Hattrick als Tabellenführerin in die letzte Runde – mit einem halben Punkt Vorsprung vor einem Riesenpulk aus ambitionierten Verfolgerinnen. Und gegen wen? Gegen Alina Zahn, die sich ebenfalls energisch nach vorne gearbeitet hatte. Und Jana hatte Schwarz. Doch der Reihe nach.
Der Hattrick
Runde 6: Leonore Poetsch (1748) – Jana Böhm (2009)
48. Kd4? verliert, 38.Kd3 hätte remisiert. Zuvor war es spannend, denn Jana hatte erneut Französisch gespielt und musste sich auf eine gut vorbereitete Gegnerin einstellen. Nach 28 Zügen stand Jana auf Gewinn, konnte dann aber – leider nicht zum ersten Mal – den vollen Punkt zunächst nicht einsacken. Diesmal war das Glück der Tüchtigeren aber auf ihrer Seite, zu Recht, denn sie hatte über weite Strecken dominiert. Partielink.
Runde 7: Jana Böhm (2009) – Lea Maria Brandl (1892)
Janas Gegnerin hatte vor dieser Partie ebenfalls 4 P. Mit einem Najdorf machte sie gleich zu Beginn die passende Ansage: Es sollten die Fetzen fliegen. Jana sah dies anders und überführte die Stellung in einen eher positionell gestrickten Richter-Rauser und bald waren beide Spielerinnen in einem Stellungstyp, den bereits der große Botwinnik als Nachziehender eingepflegt hatte. Nicht immer mit Erfolg. Jana schien diese komplexe Stellung gut zu kennen und als Lea Maria mit e6-e5 den Punkt d5 offerierte, war alles im höheren Sinne vorentschieden.
Runde 9: Alina Zahn (2116) – Jana Böhm (2009)
Für den Chronisten war das Grande Finale hart. Abgesehen von der Partie in Runde 4 hatte Jana eigentlich in allen Partien die Nase vorn, aber zweimal nicht ‚eingetütet‘. Nun trat sie in der letzten Runde als Favoritin an. Allerdings gegen eine Titelträgerin mit starker Rating. Wer solche Konstellationen selbst erlebt hat, weiß, dass man den Titel nicht nur durch Können, sondern auch durch Nervenstärke erkämpfen muss. Auch das reicht meistens nicht – man braucht auch Glück. Und das ist ein treuloser Geselle.
Ich hatte schon zuvor Janas Comeback mit großem Erstaunen verfolgt, da der Rückstand doch beachtlich war. Nun bekam ich am heimischen Monitor die Züge 1.e4 e6 2.Sf3 Le7 serviert. Le7! Mit Mühe und Not fand ich tatsächlich zwei Partien auf Meisterniveau, in denen dies gespielt worden war. Wer immer sich dies ausgedacht hatte, musste eine doppelte Portion Chuzpe zum Frühstück verspeist haben.
Alina Zahn, die FIDE-Meisterin, wird wohl kräftig geschluckt haben. Da wird Theorie bis zum Abwinken gepaukt und plötzlich steht nach zwei Zügen eine Stellung auf dem Brett, die sogar bei der u10 für Aufsehen gesorgt hätte. Zwei Anmerkungen: 1) Man kann das spielen, 2) wenn man nach 18 Zügen dann auch noch auf Gewinn steht, dann hat man nichts falsch gemacht.
Doch dann entglitt Jana die Stellung immer mehr. Sollte sich das Szenario aus Runde 5 wiederholen? Immer mehr sah es danach aus, denn plötzlich übernahm Alina die Initiative und sogar der halbe Punkt verabschiedete sich langsam. In dieser Phase war klar, dass aber dieser halbe Punkt reichen würde. Dann kam die Schlussphase …
Die Ups und Downs bringen die beiden o.a. Diagramme auf den Punkt: Im ersten Diagramm spielte Jana 28…Ld8, konnte indes mit 28…bxc4 gewinnen. Zuvor hatte der kommentierende IM Carlstedt auf CHESSY TV prophetisch angemerkt, dass Schwarz zwar über den Zeitpunkt der Öffnung entscheiden kann, aber Jana irgendwann auch zeigen müsse, was sie eigentlich will. Im zweiten Diagramm dann die Entscheidung: Jana findet das subtile 41…Df4!
Die Partie kann man hier komplett nachspielen. Live-Kommentare inklusive.
Kurz nach 13:00 Uhr war es dann geschafft: Jana ist Deutsche Meisterin!
Und kurz nach 21:00 Uhr wurde sie dann bei der Siegerehrung „gebeamt“ – dann ging’s aufs Siegertreppchen…
Die Online-Redaktion gratuliert begeistert und erleichtert zu diesem tollen Erfolg!
1 | Jana Böhm | SV Hellern | +5 =3 -1 | 6½ |
2 | Olga Weis | OSG Baden-Baden | +4 =4 -1 | 6 |
3 | Alina Zahn | SV Empor Erfurt | +3 =6 -0 | 6 |
4 | Linda Gaßmann | SC Grunbach | +5 =2 -2 | 6 |
5 | Paula Wiesner | Karlsruher SF | +5 =2 -2 | 6 |
6 | Sophie Bork | SG Mengede | +5 =2 -2 | 6 |
Bilder: Deutsche Schachjugend