Heute begann um 20:00 Uhr MEZ die Schach-WM zwischen Magnus Carlsen, dem amtierenden Weltmeister, und Sergey Karjakin. Der Herausforderer hat in der ersten Partie Schwarz – aber wo auch immer man zuschauen will, bekommt man eine Zahlungsaufforderung in die Hand gedrückt.
Wir wissen aber, wo man die Partie(n) sehen kann. Umsonst und völlig legal!
Wer zuschauen will, muss blechen!
An die Kommerzialisierung des Sports hat man sich gewöhnt. Wer Fußball live sehen will, muss einige Scheine hinblättern. In Hellern haben wir ein gemütliches Vereinsheim, das die Sache etwas gemeinnütziger gelöst hat. Und irgendwie hat man sich ja auch an den Kommerz gewöhnt. Solange Premium-Verstaltungen wie die Fußball-WM allen frei zugänglich sind.
Wer aber hätte gedacht, dass eine Minderheiten-Sportart wie Schach dem gemeinen Wald- und Wiesenspieler die Tür vor der Nase zuschlägt? Nun, es ist geschehen. Wer die Spielkünste von Magnus Carlsen und die Ideen von Sergey Karjakin im Fulton Market Building in New York bestaunen möchte, muss einen ordentlichen Betrag abdrücken.
Die Sponsoren und die Veranstalter, die Firma Agon, kommen aus Russland. Sie haben mit der FIDE einen Deal ausgehandelt, mussten aber einen Austragungsort in den USA akzeptieren, obwohl der Herausforderer aus Russland kommt.
Der amerikanische Markt ist außerdem alles andere als unattraktiv. Trotzdem konnte Agon keine weiteren namhaften Sponsoren ins Boot holen. Microsoft und Facebook haben abgewinkt, wie die FAZ berichtete. Kein Wunder, steht FIDE-Präsident Iljumschinow doch auf der Sanktionsliste der US-Schatzamtes. In den USA dürfe Iljumschinow nicht einmal eine Eintrittskarte für das Schach-Highlight dieses Jahres verkaufen, fasste die FAZ zusammen.
Geld wird nun anders verdient. Das ist an sich nicht sittenwidrig. Auch ChessBase hat Premium-Produkte im Portfolio, konnte aber bislang die schlichten Züge eine Top-Matches auf dem virtuellen Schachbrett vorführen. Auch das ist jetzt anders geworden.
Das Produkt bekommt bekommt eine hübsche Glasur aus Zuckerguß
Natürlich muss man dem zahlungskräftigen Schachfreund etwas bieten für’s Geld. Ein simpler Live-Stream, der stundenlang und in HD die Akteure am Brett abfilmt, während professionelle Kommentatoren den Zuschauern die Züge schmackhaft machen, wäre da bereits nicht mehr innovativ. Also müssen 360-Grad-Kameras ran und die Bilder im 3D-Virtual-Reality-Modus sollen es angeblich möglich machen, dass man daheim um den Schachtisch herumwandern kann. Schade, dass mir das Kleingeld fehlt und auch die passende „Google Cardboard“-Brille. Ich hätte gerne unterm Tisch nachgeschaut, ob sich Magnus die Schuhe geputzt hat.
Wo kann man zuschauen???
Ganz einfach: auf chess24.com. Warum wir nicht verlinken? Ganz einfach: Niemand weiß, welche Abgründe das Urheberecht einem arglosen Berichterstatter alles antun kann. So berichtete die tz (Münschen) darüber, dass chess24 während der Übertragung des Kandidatenmatches, in dem sich Karjakin für das Finale qualifizierte, bereits von den Veranstaltern verklagt wurde, weil die bekannte Schach-Plattform die Züge auf einem simplen Schachbrett gezeigt hatte. 10 Jahre Haft drohte man an und verlangte 20 Millionen Rubel, wobei sich mir nicht erschließt, wieso Kläger überhaupt Zugriff auf das Strafmaß haben. Das Moskauer Handelsgericht entschied jedoch, dass Schachzüge lizenzfrei und für jedermann zugänglich sind. Und nun ist chess24.com wieder am Start!
Und wie sieht’s im Moment am Brett aus? Nun, Magnus hat Trompowsky gespielt und ist gerade im Begriff, einen Bauern zurückzuerobern. Karjakins Rochade hat bereits eine kleine struktruelle Schwäche – man ahnt bereits, worauf dies hinausläuft: schnelles Remis oder Seeschlange. Ob einem dies €13,50 bis max. 30 $ wert ist, muss jeder für sich entscheiden. Ich brauche das nicht. Mir reichen Schachbrett und Figuren, gerne auch digital. Und überhaupt: Unser gestriges Pokalfinale war deutlich spannender als das, was ich gerade bei chess24.com sehe.