Geschafft: Hellern 1 bleibt in der Oberliga Nord Staffel West.
Unsere 1. Mannschaft steigt auch im zehnten Oberliga-Jahr nicht ab und gewinnt 4½-3½ beim Post SV Uelzen. Toll: ausgerechnet die bislang unglücklich spielende Mittelachse rettete das Team vor dem Schlimmsten. Das erinnert an einen formelhaften Sportfilm, in dem ein Außenseiter mit einem Last-Minute-Sieg der große Wurf gelingt. Außenseiter waren wir in Uelzen nicht, dramatisch wie im Kino war es trotzdem, wie Dr. Christian Böttcher in seinem spannenden Gastbeitrag schildert.
„Do-or-Die“

Unser Auswärtsspiel in der 7. Runde beim PSV Uelzen hätte eigentlich schon Anfang März erfolgen sollen, musste aber verschoben werden, da die Uelzener sich für die Zwischenrunde der Deutschen Schach-Pokal-Meisterschaft für Mannschaften qualifiziert hatten.
Nach etwas schwieriger Terminsuche und unter der Vorgabe, dass das Spiel noch vor der 9. und letzten Runde der Oberliga erfolgen musste, fanden wir den Termin Anfang April. Nachdem wir zuvor die drei Spiele gegen HSK, Delmenhorst und Oldenburg alle trotz guter Chancen nicht siegreich gestalten konnten, stand somit für uns fest, dass es ein „Do-or-Die“-Spiel wird.
Sprich: wollten wir die Klassen halten und nicht wie die Hamelner Schachfreunde in der letzten Saison auf einen positiven Ausgang der Aufstiegsrelegation von Kirchweyhe hoffen, musste ein Sieg in Uelzen her. Die Tabellensituation sah vor der Runde so aus, dass wir Achter waren – mit nur einem Mannschaftspunkt Vorsprung vor Uelzen auf Platz 9!
Im Endeffekt war die Terminverschiebung für uns also ganz hilfreich, da wir wussten, dass es um alles geht. Erfreulicherweise schafften wir es auch wieder, die ersten 8 Bretter in Spiel zu schicken und waren auch bei den Ratings zahlenmäßig leichter Favorit.
Klassenerhalt, Jubel und Sektdusche
Die Partien liefen eigentlich auch gut an und insbesondere Ingo kam sehr gut in seine Vorbereitung rein. Nach gut zwei Stunden sah alles mittlerweile recht vielversprechend aus, auch wenn noch keine finalen Ergebnisse feststanden. Für das erste zählbare Ergebnis sorgte ca. eine Stunde später dann Jens an Brett 7, der seinen Gegner stark unter Druck setzte und dann in sehr souveräner Manier die Führung für uns erzielte. Leider blieb die Führung nicht von langer Dauer, denn Reinhold musste sich an Brett 8 seinem Gegner geschlagen geben, als die Drohungen des Eindringens auf die 7. Reihe sehr unangenehm wurden.
Die Zeit schritt weiter voran und es begann die Zeitnotphase. Bei Holger sah die Stellung gefühlt nicht so toll aus und ich musste mich an sein Klagen erinnern, dass er in Holland super punkten würde, aber es in der Saison für Hellern einfach nicht läuft. Vielleicht angestachelt durch meinen Kommentar, dass hier bei uns einfach besseres Schach gespielt wird (war natürlich nicht ernst gemeint) oder als Beleg der am Abend zuvor im Irish Pub in Uelzen diskutierten These, dass sich Erfahrung durchsetzt, konnte Holger im In-Fight seinem jungen Gegner die Partie noch abnehmen und die Führung wiederherstellen. 2-1
Kurze Zeit später jubelte auch Ingo, was ich aber fälschlicherweise schon als 3-1 interpretierte, da ich keine Zeit mehr hatte, mich an den Brettern umzuschauen. Ingo hatte aber nach geglückter Eröffnungsvorbereitung und einem sehr vielversprechenden Angriff für einen Bauern leider nicht den KO-Schlag gefunden. Er konnte sich aber noch gut wehren und schaffte es die Partie noch ins Remis zu retten. 2,5-1,5
Nun waren nach der Zeitnotphase noch vier Partien am Laufen. Alexander hatte immer weiter Druck aufgebaut und dann einen Bauern so weit vorangebracht, dass sein Gegner auch zeitnah aufgeben musste. 3,5-1,5.
Hannes hatte leider an Brett 3 aus einer optisch vielversprechenden Stellung heraus die falsche Abzweigung genommen und musste sich einer verlorenen Stellung erwehren. (Anm. der Red.: die Partie war sowohl theoretisch als auch positionell sehr anspruchsvoll. Das vorgestellte Fragment zeigt, warum beide Spieler in Zeitnot kamen: Nachspiellink.)

Jörg hatte Brett 5 ein Endspiel mit gleichfarbigen Läufern und 2 gegen 1 Bauern an einem Flügel. Vielleicht zu gewinnen, aber sicherlich nicht einfach, aber wenigstens ein Remis war in seiner Stellung im Notfall sicher.
(Anm. d. Red.: Jörg Stock hat das Endspiel akribisch analysiert. Nicht jeder mag anstrengende Endspiele, aber wer weiß, wie’s geht, wird im Laufe der Jahre viele Punkte einsammeln. Nachspiellink)
Und bei mir? Ich hatte wieder meine gute Stellung leider nicht erfolgreich zu Ende gespielt. Da ich Ingos Jubel aber falsch interpretiert hatte, war ich sowieso schon dazu übergegangen, in den letzten Zügen vor der Zeitkontrolle das Remis anzustreben.
Da Jörg das Remis wie gesagt sicher hatte, bedeutete ein Remis in meiner Partie also Mannschaftssieg, Klassenerhalt, Jubel, Sektdusche etc. Blieb nur die Frage: Wie kann man in der ausgeglichenen Stellung am schnellsten die Punkte teilen? Irgendwann hatte ich die Idee, mit einem Bauernopfer in ein ungleichfarbiges Läuferendspiel abzuwickeln, in dem ich die beiden weißen Bauern mit meinem König blockieren konnte. Da alle möglichen anderen Züge auch spielbar waren, aber alles deutlich länger gedauert hätte, muss ich zugeben, dass es mir in den vielen Jahren Mannschaftsschach noch nie so schwergefallen ist, ein derartiges Manöver zu spielen. Hätte ich mich irgendwo vertan und das Spiel noch verloren, hätten wir auch die Vermeidung des Abstiegs nicht mehr selber in der Hand gehabt. Ich hätte am besten danach mit dem Schachspielen aufgehört und Bier hätte es im Vereinslokal in Hellern sicher auch keins mehr gegeben.
Während des dritten Durchrechnens der Variante kam mir die Erinnerung an Franck Riberys Panenka-Elfmeter 2008 in der 120. Minute des DFB Pokals gegen 1860 und die Erkenntnis: man muss manchmal Eier zeigen.
Also den Bauern geopfert, wenige Züge später das Remis sicher gehabt und nach dem direktfolgenden Remis von Jörg mit 4,5-2,5 den Sieg und den Klassenerhalt gefeiert. Hannes musste sich dann direkt danach noch geschlagen geben, aber das tat dem Jubel und der Erleichterung vor Ort als auch in dem WhatsApp-Chat der Schachabteilung keinen Abbruch. Ob es Sekt im Mannschaftsbus gab, kann ich leider nicht bezeugen, aber für mich gab es auf jeden Fall im Zug erstmal ein Radler.
Paarungen

Tabelle nach Runde 8
Somit haben wir zumindest das Minimalziel dieser Saison geschafft, in der wir häufig gut spielten, aber die Mannschaftskämpfe nicht nach Hause bringen konnten.
In der letzten Runde geht es kommenden Sonntag in Kirchweyhe nochmal gegen den ungeschlagenen Tabellenführer und vielleicht schaffen wir es wie letzte Saison wieder als einzige Mannschaft, dem Meister einem Punkt abzunehmen. Für den PSV Uelzen geht es in der letzten Runde nun gegen Lehrte noch einmal mal um die Chance, mit einem Sieg an Lehrte vorbeizuziehen. Wie gesagt: Es steht erst nach der Aufstiegsrelegation fest, ob es einen oder zwei Absteiger gibt.
Wir sind allerdings mehr als froh, uns mit dieser Fragestellung nicht mehr beschäftigen zu müssen.
Dr. Christian Böttcher
Fotos: © Hellern-Archiv 2022