In einem packenden Endspiel in der Klaus-Stürmer-Straße setzte sich die vierte Mannschaft gegen den TSV Riemsloh mit 5:3 durch. Ein Spiel mit dem nötigen Quäntchen Glück. Die Riemsloh waren allerdings nicht chancenlos. Sie hätten ein gerechtes Unentschieden erzwingen können, haben es sich jedoch nicht zugetraut. Ein Gastbeitrag von Ramin Kaberi. Upgrade (mit Partie).
SV Hellern gewinnt die Meisterschaft 2022 in der Bezirksklasse deutlich und vor allem sehr souverän mit 6,5 MP von 7
Um Punkt 19:00 Uhr endeten alle acht Partien insgesamt zu unseren Gunsten, nämlich vier Siege und zwei Unentschieden. Das Spiel hätte aber auch minimal 4:4 enden können. Am letzten Brett verpasste der Riemsloher Nunzio Russo in einer gewonnenen Stellung eine Sensation. Auch an meinem Brett hätte mir mein Gegner Tobias Templin durch maximales Pressing noch mehr Kopfschmerzen bereiten können. Dominiert haben die Gegner, doch Schachgebote und Matts gaben wir. Deshalb genießen und feiern wir die Meisterschaft!
Brett 1: Unser Kapitano Niels Dettmer bekam die Herausforderung des Abends: Mit den schwarzen Steinen gegen den ehemaligen, maximal angriffswilligen Oberligaspieler Antonius-Maria Schwefer gute Schachunterhaltung anzubieten. Rechnerisch gesehen haben beide die Kiebitze gut unterhalten. Jedoch erschien der spielstärkere SF Schwefer mindestens eine halbe Nummer zu groß. Statistisch gesehen war Schwefer der effektivste Schachspieler des Tages – nur zwei Ungenauigkeiten gingen auf sein Konto. Bei den restlichen 32 Zügen hat die stärkste Engine nichts zu bemäkeln. Großmeister-Niveau in der Bezirksklasse. Hut ab!
Und unser Niels? Schlecht war er auf gar keinen Fall. Laut Analyse-Programm war Niels viertbester Spieler des Abends. Mit einer Effektivität von nur drei Ungenauigkeiten + einem Patzer spielte Niels ein Schach mit einer Effektivitätsquote von 61%. Der Kapitano hat zwar gegen einen 78%-igen verloren, jedoch schlecht war er mit diesen 61% nicht.
Brett 2: Meine Devise vor der Partie ist und bleibt nach wie vor, dass ich nach dem Partieende während der Analyse am PC keinen Meckerzettel von Stockfish erhalte. Doch heute erhoffte ich von der stärksten Engine eine Bestätigung der etwa 90%-igen Richtigkeit meines Spiels. Der Grund des Abzuges kann begründet werden: Vorab muss ich mich bei allen Schachfreunden für meinen unbedachten 32. Zug entschuldigen. Denn so etwas darf nicht serviert werden. Ansonsten bin ich mit zwei Ungenauigkeiten plus einer verpassten Chance in 44 Zügen relativ gut zufrieden. Zumal ich auf einen „Ultra-Berserk-Modus“ fixiert war (Anm. d. Red.: Der Berserk-Modus ist ein Begriff, der bei LICHESS gebräuchlich ist. In diesem frei wählbaren Modus verliert ein Spieler die Hälfte seiner Bedenkzeit, aber ein Sieg wird mit einem zusätzlichen Turnierpunkt honoriert. Letzteres geschieht im Präsenzschach leider nicht 🙂 ). Ich musste aus privaten Gründen die Partie innerhalb von 3,5 Stunden gewinnen. Darum hatte ich nach 11 Zügen bereits über 34 Minuten Zeitvorsprung. Fast jeder meiner Züge wurde nach etwa 30 Sekunden bestätigt. Manchmal ist der erste Gedanke der beste. In Sachen Effektivität lag ich mit 65% hinter SF Schwefer und Stefan Ewert.
Brett 3: Klaus Lapehn war heute super gelaunt. Ein Wahnsinnsspiel von ihm. In einer sehr komplexen Stellung im Mittelspiel tauschte er am Ende des Schlachtens seinen Turm gegen die gegnerische Dame. Es ist anzunehmen, dass Lappi dies 7 bis 8 Zügen im Voraus kalkuliert hat. Der Rest war ein Selbstläufer. Sein Gegner bekam gegen den Sizilianer nicht einmal einen Hauch an Chance. Herzlichen Dank, Lappi!
Brett 4: Martins Gegner war zu sehr zäh. Er konnte sich maximal verteidigen. Da Martin den halben Punkt für seine Mannschaft nichts riskieren wollte, einigte er sich mit Reinhard Wente auf Remis. Gute Entscheidung und Danke.
Brett 5: Stefan Ewert fungierte taktisch als Joker. Nämlich so: Falls der Zwischenstand auf ein Unentschieden hinausläuft, müsste er auf Gewinn spielen. Da wir 4,5 Zähler verbuchen konnten, war er vom Zwang des Gewinnenmüssens befreit. Um den Lesern einen besseren Überblick zu bieten: Stefan spielte in der totsicheren Caro-Kann-Verteidigung 34 Theoriezüge. Insgesamt mit „nur“ drei Ungenauigkeiten. Es ist müßig darüber zu debattieren: Wer war denn der effektivste Mann des Tages – Schwefer oder Stefan Ewert? Hut ab vor ihm! Also einigte er sich mit Michael Berger auf Remis. Es ist einfach toll in diesem Schachverein solche Schach-Kameraden mit höchstem Qualitätshintergrund zu haben. Lieben Gruß.
Brett 6: An den Brettern 6, 7 und 8 mussten wir erneut Ersatzspieler einsetzen. Und dann geschah ein Wunder. Zwei aus drei! Was für ein herrlicher Tag. Das Gute daran ist – das Gute darin. Für den Spruch werfe ich gerne drei Münzen ins Phrasenschwein. Der erste Ersatzspieler, Christian Buddecke, spielte bis zum 37. Zug absolut sehenswertes Schach. Die Eröffnung und das Mittelspiel gingen an Christian mit +6,1. Absolut totsicherer Sieg. Doch im 38. Zug stellte er seine Partie ein. Sein Gegner Lutz Kleyer muss wohl in völlig gewonnener Stellung auf Zeit verloren haben. Tja, Hauptsache gewonnen, egal wie! Herzlichen Dank Christian für dein Engagement.
- Anm. d. Red.: Abt.leiter Hartmut Weist bat um folgende Klarstellung: „Nicht Christian stellte die Partie ein (wie berichtet), sondern der Gegner Kleyer gab in hoffnungsloser Stellung die Partie auf, in dem er nicht mehr ans Brett kam“ (Hervorhebung durch die Redaktion). Nachtrag: Aufgeklärt wurde der Irrtum durch Christians authentifizierte Notation. Die Ursache war der „Fluch der Buchstaben“, mehr Heimsuchung als Mysterium. Ramin, der Autor der Berichts, hatte einen (!) Buchstaben für einen anderen gehalten! Kleine Ursache, große Wirkung. Dadurch verwandelte sich Christian in einen Kamikaze-Spieler, der seine Gewinnstellung auf rätselhafte Weise zerstörte. Tatsächlich hat er eine fabelhafte Partie gespielt, die an dieser Stelle veröffentlicht werden soll – nicht nur, weil sie für den Gewinn der Mannschaftsmeisterschaft wichtig war! Nein, auch die Partie selbst ist der Hammer: Taktisch ist sie ein Bewerbungsschreiben für höhere Aufgaben!
Alternativer Nachspiellink
Brett 7: Der zweite Ersatzspieler war Uli Thesing. Ohne Spielpraxis – gefühlt zwei Jahre – ist man erstmal sehr vorsichtig. Ich sah mir die Partie nebenbei an und dachte, dass Uli die gegnerische Dame aus seinem Territorium wegkicken müsste. Das ist nicht zustandegekommen. So wurde die gegnerische Dame, unterstützt durch Qualitätsfiguren, noch gefährlicher für Ulis König. Der Begriff: „Schach und matt“ stammt ursprünglich aus den Persischen und bedeutet, dass der König (Schach) überfallen und matt (hilflos) ist. Einfach den Schwamm drüber und beim nächsten Spiel lässt Du dein König nicht überfallen.
Brett 8: Arsim Hana. Mittlerweile kein Ersatzspieler. Er hat sich bestens eingespielt und ist auch nominell ein sehr starker Schachspieler. Fast alle seiner Gegner haben ein DWZ-Defizit von ca. 600 Punkten. Heute saß ihm SF Nunzio Russo gegenüber. Nach 18 Zügen dominierte Arsim das Spiel mehr als souverän. Einfach fantastisch. Dann aber passierten im 19. sowie im 20. und 21. Zügen gigantische Patzerle, sodass die Partie von +7 auf -6 die Partie kippte. Man müsse sich vorstellen, dass man im Kampf 7 gewonnene Bauern + 6 eigene Bauern, also insgesamt 13 Bauern einfach mal so an den Gegner verliert. Und der Riemsloher? Er konnte die erforderliche Vorgehensweise im Denkspiel Schach nicht erkennen. Zum Glück wurde unser Arsim also nicht bestraft. Durchatmen! Arsim hat im 22. Zug alles wieder instandgesetzt und den Gegner zur Aufgabe erzwungen. Vielen herzlichen Dank für Dein Engagement.
Abschlusstabelle
Au revoir, Bezirksklasse. Nach 5:3-Sieg gegen TSV Riemsloh haben wir insgesamt einen guten Job gemacht. Für uns endet heute die Leidenszeit in der Bezirksklasse. Die Mannschaft hat immer an ihre Chance geglaubt. Wir haben heute das vollendet, was wir vorgenommen haben. Wir bedanken uns bei allen Spielern für die schönen und fairen Partien. Herzlichen Dank an dieser Stelle auch an das NSV-Team und an den Turnier- und Staffelleiter für eine gute Organisation.
Ramin Kaberi
Fotos: © Hellern-Archiv