Eigentlich war ich nur da, um Fotos vom Pokalfinale zu machen. Aber dann landete ich mitten in einer Veranstaltung der Jugendabteilung. Der Saal: proppenvoll. Der Anlass: Siegerehrung des Jugend-Blitzcups. Die Zugabe: eine witzige Filmvorführung, locker und spritzig von Joe Santos kommentiert. Filme am Trainingsabend: nicht typisch. Die tollen Ideen, die unsere Trainer präsentierten? Absolut typisch.
Was die „Alten“ nicht mitbekommen…
Wie gesagt: es war ein Zufall. Ich machte meine Fotos von Stefan Grasser und Martin Rothe. Das allein war schon Stoff für eine Story. Die folgt an andere Stelle.
Was mich aber dann wirklich fesselte, war ein toll organisierter und richtig professionell gestalteter Abend in der Jugendabteilung. Halt eine der Sachen, von denen die erwachsenen Schachspieler, die um 20.00 Uhr eintrudeln, nur selten etwas mitbekommen. Klar, das wollte ich live miterleben. Schöner Anlass für eine Reportage.
Im Mittelpunkt: die Kids und ihre Trainer. Man bekommt dabei so einiges mit, was man sonst nicht erfahren hätte. Etwa die schlagfertige und witzige Art, mit der unser Jugendwart Joe Santos mit den Kids umgeht. Ein Praktiker mit Entertainer-Qualitäten. Alle hörten aufmerksam zu. Das muss man erst mal hinbekommen. Und man fragt sich insgeheim, ob man das auch so gut könnte. Nö, eher nicht. Ich mache dann schon lieber meine Fotos…
Das Trainingskonzept
Super ist, dass Robert Gillenkirch nach dem vorübergehenden Ausfall von Hajo Bade sofort einsprang, um die Lücke im Trainerteam zu stopfen. Als Prof hat er an der Uni Osnabrück garantiert mit älteren Semestern zu tun. Mit den Kid’s kann er’s aber auch gut. Ein Allrounder.
Joe, Robert und auch Norbert Sobotta stellten dann unserem Nachwuchs das neue Trainingskonzept für 2020 vor. Natürlich wie immer am Donnerstag. Von 18-19 Uhr werden die Einsteiger von Norbert Sobotta trainiert. Natürlich wieder per Laptop und mit multimedialen Inhalten. Auch bei der Stappenmethode stehen Spiel und kreativer Spaß im Vordergrund.
Von 19-20 Uhr ist Robert dran. Der kündigte an, dass er keinen Frontalunterricht anbieten, sondern ganz individuell auf die Bedürfnisse der Fortgeschrittenen eingehen wird. Anders formuliert: Jeder kann Robert ansprechen, egal, was für ein Problem er hat. Trotzdem gibt es inhaltliche Ziele: Eröffnungen, Taktik für Fortgeschrittene, vielleicht auch das eine oder andere Turmendspiel.
Joe wird sich um die Turnierformate kümmern. Dazu gehört auch der beliebte Blitzcup. Und die Idee dahinter: ein Abend, ein Macher.
Das entlastet den Trainerstab und stärkt die Fokussierung auf Inhalte. Ist eigentlich auch klar: zwei Stunden unterschiedliche Alters- und Leistungsgruppen zu trainieren, das wäre etwas viel.
Die große Siegerehrung
Über den Blitzcup für die Jugend ist an anderer Stelle schon viel geschrieben worden. Nur so viel: 2020 soll die Turnierserie noch attraktiver und spannender werden. Zunächst aber stand die Siegerehrung 2019 auf dem Programm.
Der Sieger der u14-Altersklasse, Kilian Kaberi, war leider verhindert. Für ihn gibt’s ein Extrafoto. Gut, dass wir ein Bildarchiv mit mittlerweile über 5000 Fotos haben. (weiß auch nicht jeder).
Unsitten am Schachbrett…
Mir schwante nichts Gutes. Da sollte doch tatsächlich als Highlight des Abends den Kids beigebracht werden, wie sie sich vor, während und nach einer Schachpartie zu benehmen haben. Ein Schach-Knigge? Klappt doch nicht mal bei Erwachsenen – es sei denn, sie spielen in Hellern.
Spaß nicht beiseite: Joe hatte zwei irre lustige Videos der Niedersächsischen Schachjugend organisiert, dazu einen Beamer, die Technik klappte dann sogar (hört! hört!) – und der Saal tobte.
Zu sehen waren kurze Clips, in denen einige typische Fälle von angewandtem Fehlverhalten am Schachbrett gezeigt wurden. Garniert mit pointierten und witzigen Benimmregeln. Alles launig von Joe kommentiert, auch mit einem Schuss Sarkasmus von einem, der seine Pappenheimer kennt und auch deshalb noch ein paar Extra-Lacher produzierte.
Ein Beispiel: der gönnerische Spruch „Gut gespielt!“ zu einem Gegner, den man gerade besiegt hat. Den Kids wurde klar gemacht, dass keiner, der gerade verloren und zuvor richtig danebengegriffen hat, sowas glauben würde. Völlig überflüssig, so ein Spruch. Man gibt sich die Hand und bietet als Sieger eine gemeinsame Partieanalyse an.
Den Teil des Abends fand ich dann auch richtig gut. Robert würzte das Ganze mit einigen klugen Bemerkungen. Richtiges Sozialverhalten: leicht gemacht. Tja, da erinnerte sich der Chronist an seine Schulzeit und die ex cathedra vorgetragenen Belehrungen durch die Lehrkräfte, die zum einen Ohr rein und zum anderen rausgingen. Ich bin sicher, dass die Kids an diesem Abend stattdessen einiges mitgenommen haben. Das auch, weil eben nicht nur gewitzelt wurde, etwa als Robert den Kids erklärte, dass es auch mal weh tun kann, wenn man eine Partie verliert. Und dass man als Sieger wissen müsse, was der Gegner gerade fühlt. Manchmal kann man was klarmachen, auch wenn man das Wort Empathie dabei nicht verwendet … da wurde es schon mal ruhig im Saal.
Ein runder Abend in der Jugendabteilung. Schön, dass ich dabei war. Gelernt habe ich auch einiges. Dass man einen Plan haben muss. Dass man sich immer wieder was Neues ausdenken muss, denn die Kids spielen lieber als dass sie trockene Inhalte büffeln. Dass die halt dann nicht trocken sein dürfen. Dass man vorbereitet sein muss. Dass das Zeit kostet. Dass es nicht jeder kann. Und dass es Sinn macht.
Ach ja, wer nicht dabei war, kann sich die Videos hier anschauen:
Fotos: © Thal 2020, Hellern-Archiv
Videos: Niedersächsische Schachjugend