Keine Verlustpartie – das allein ist schon eine Erwähnung wert nach einer durchwachsenen Saison. 5-3 gegen Delmenhorst: der zweite Saisonsieg katapultierte unsere Erste sogar auf Platz 6. Um 14.00 Uhr war Hellern 1 allerdings noch Tabellenvorletzter. Also Spannung pur.
Die Nagelprobe
Nach dem 4-4 in Hameln konnte das Helleraner Flagschiff etwas ruhiger, aber keineswegs entspannt in das Heimspiel gegen Delmenhorst gehen. Zur Verfügung standen Dr. Ingo Gronde und Julian Zur Lage. Thorben Weist musste pausieren.
Glaubt man der Wikipedia, so bedeutet der Begriff ‚Nagelprobe‘, dass Zimmerleute imstande sind, mit drei Schlägen einen Nagel einzuschlagen. Heute konzentrierte sich die Neugier der Kiebitze wohl eher auf vier entscheidende Schläge. Dass diese nicht unbedingt an den vorderen vier Brettern gelingen würden, musste unterstellt werden. Dort waren die Gäste im Schnitt besser besetzt. Immerhin spielten an den Brettern 3-5 drei FIDE-Meister.
Gelingen sollte, ja musste es hinten, wo die vier Heimspieler immerhin acht Punkte aus 17 Partien geholt hatten, während die Gäste, die in der laufenden Saison noch nie ihre Top 8 ans Brett einsetzen konnte, vier Spieler präsentierten, die bislang 4½ aus 17 geholt hatten.
Statistisch ein Vorteil für den Gastgeber, allerdings kennt man die Mär vom Pferd und der Apotheke. Und wieder einmal kam es dann auch prompt anders als man erwartet hatte.
Verbissene Zähigkeit
Der Wettkampf kam nicht ‚in die Pötte‘, wie es so schön heißt. Ein Remis folgte dem nächsten. Julian Zur Lage begann mit einem Remis gegen Tobias Sturm, der damit zum ersten Mal etwas Zählbares in der laufenden Saison holte. Das passte nicht ganz in den Matchplan. Aber nur scheinbar, denn am Ende konnte Hellern 1 alle Schwarzpartien remisieren. Und das passte dann doch ganz gut.
Auch weil Reinhold Happe mit einer sehr überzeugenden Leistung gegen den starken FM Fred Hedke sein Brett hielt. Dann remisierte auch IM Carsten Lingnau gegen Bernd Korsus, während Tammo Lewin als Vierter im Bunde einige Probleme lösen musste, um seine Punkteteilung zu erreichen.
Sehr interessant war der geschlossene Italiener, den Fred Hedke aufs Brett brachte. Der Delmenhorster entschied sich für eine selten gespielte Variante, in der die weiße Dame recht forsch auf dem Königsflügel auftaucht. Allerdings sah der Delmenhorster dann doch einige Probleme, als Reinholds Turm auf der 6. Reihe krawallig wurde: Nachspiellink.
Wow, Ingo!
Hier staunten die Kiebitze. Einige murmelten: „20 Züge Theorie!“ Beide Spieler hauten tatsächlich zügig einen Najdorf aufs Brett. Theorie ist nach Ansicht des Chronisten die gründliche Analyse einer Variante, und die hatte im vorliegenden Fall GM Ftacnik mit der Untersuchung der Partie Najer (2687)-Vachier Lagrave (2798), 0-1, Dortmund 2016 geliefert.
In Ingos Partie kam die Neuerung noch später, nämlich erstens von ihm und zweitens im 26. Zug. Und die war beileibe nicht schlecht. Allerdings haben sich Erik und Theis Pahl wohl auf diese hochkomplexe Variante spezialisiert, sodass für Ingo trotz seines ELO-Vorsprungs knochenharte Arbeit angesagt war: nach dem in dieser Variante typischen Gewinn einer Qualität sah sich Ingo dann doch einigen schwarzen Bauern gegenüber – und der Delmenhorster spielte das auch recht stark. Nach 41…g5 hatte Theis Pahl wohl Kompensation.
Ingo konnte nur noch auf seinen c-Bauern setzen, den der Delmenhorster später auch hätte einkassieren können. Er tat es nicht. Und dann hatte Ingo eine Idee… Nachspiellink.
Hammerpartie an Brett 3
Unser Neuzugang Christian hatte es mit dem Delmenhorster Topscorer zu tun. Um es abzukürzen: Christian stand schnell auf Gewinn, die Stellung war mega-komplex, man könnte eine Anhandlung dazu verfassen. Auch hier waren die Kiebitze neugierig, was denn wohl gewonnen hätte. Ein Beispiel:
[Event „Oberliga 2018/19“]
[Site „Hameln“]
[Date „2019.02.24“]
[Round „7.3“]
[White „Hoeffer“]
[Black „Boettcher“]
[Result „1/2-1/2“]
[ECO „A83“]
[WhiteElo „2300“]
[BlackElo „2188“]
[Annotator „Thal“]
[SetUp „1“]
[FEN „3r2rk/ppp3qp/3n4/5p2/4p2P/6PR/PbPQBP2/1R3KN1 b – – 0 28“]
[PlyCount „3“]
[EventDate „2019.??.??“]
[EventType „team“]
[EventRounds „9“]
[EventCountry „GER“]
[WhiteTeam „Delmenhorster SK“]
[BlackTeam „SV Hellern“]
[WhiteTeamCountry „GER“]
[BlackTeamCountry „GER“]
28… Nc4 $3 {[%cal Gc4b2,Rd8d2] Das war der Korkenzieher, der die Partie
schnell beendet hätte.} ({Gespielt wurde} 28… Bd4 {Das ist alles andere als
schlecht. Im Gegenteil: Schwarz liegt mit +4.5 vorne.}) 29. Qf4 (29. Qxd8 Ne3+
(29… Rxd8 30. Bxc4 Rd2 31. Re1 Bd4 $19) 30. fxe3 Rxd8 $19) (29. Qe1 Bc3 30.
Qc1 Nd2+ 31. Kg2 f4 $19) 29… Nd2+ $19 1/2-1/2
Das war bereits recht spannend, aber eigentlich war fast jede Stellung in dieser Partie spannend. Am Ende erkannte der Delmenhorster seine Chance, opferte geschickte und rettete das sinkende Boot in letzter Sekunde. Das dürfte aber nicht sein Matchplan gewesen sein: Nachspiellink.
Das Finale…
… blieb Hannes vorbehalten. Hellern führte 3½-2½, Hannes stand gegen Daniel Margraf schon seit längerer Zeit auf Gewinn, aber auch hier war alles sehr komplex, sehr rechenintensiv – und um es abzuschmecken: Hannes, bitteschön mit nicht mehr Zeit als dem Increment abwickeln! Haarsträubend.
Die Materialverteilung war es auch: Hannes spielte mit Turm und Springer sowie zwei Freibauern gegen die gegnerische Dame. Zuvor musste er jedoch eine Entscheidung treffen, die anderen Spielern wohl schwer gefallen wäre. Der König musste die sichere Komfortzone zu verlassen, um zusammen mit dem Springer die Partie zu beenden. Mitten rein in die gegnerischen Schachgebote. Hannes blieb aber cool und machte den Sack zu: Nachspiellink.
Der ewige Letzte
Mittlerweile ein running gag: Selbst wenn irgendeiner sieben Stunden spielen sollte – Jörg spielt garantiert länger! Das ist keine Absicht, es passiert halt. Diesmal wurde er ansichts der engen Wettkampfes vom Delmenhorster FIDE-Meister Mossakowski geknetet. Aber Jörg ist nach Julian Zur Lage der Topscorer des Teams und so wurde er mit dem dritten Remis in Serie auch diesmal nicht bezwungen.
Ein erfreulicher Sonntag: um 14.00 Uhr Vorletzter, am Ende Sprung auf Tabellenplatz 6. Und ein Wettkampf mit echtem Hellern-Feeling. Das hatten die Fans lange vermisst.
Ansonsten ein interessanter Tag in der Oberliga Nord West. Nicht erstaunlich: der MTV Tostedt trat beim ½-7½ gegen Werder Bremen II nur noch mit einer Rumpftruppe an. Die Schachfreunde Hannover gewannen in Nordhorn und können nur rechnerisch, aber nicht erwartbar, eingeholt werden. Denn Hannnover 96 hat nicht nur im Fußball Probleme: beim Lister Turm trat der Tabellenletzter nur noch mit sechs Aktiven an.
Hellern reist am 24. März zu den SF Hannover und kann Tabellenkosmetik betreiben.
Fotos: © Thal 2019