Knappes 3½- 4½ gegen SK Union Oldenburg
Die wenigen Kiebitze, die sich in Hellern einfanden, wurden gut unterhalten. Es wurde alles geboten: vom blanken Irrsinn bis zur (fast) fehlerfreien Positionspartie kam alles Mögliche auf’s Brett. Halt! Nicht alles! Es fehlte ein schwarz-gelber Punkt, um an diesem Sonntag in bester Laune den Klassenerhalt zu feiern. Stattdessen gab es die vierte Saison-Niederlage. Update!
Vom Winde verweht
Eigentlich war es das Ziel der Mannschaft gewesen, eine unaufgeregte Saison zu spielen. Nicht ohne Grund: Tatsächlich werteten die Neuzugänge den Kader auf und erzielten zusammen mit mehr als 50% ein starkes Ergebnis. Die Mittelachse des Teams befindet sich mit aktuell 2½ P v. 16 dagegen in einer rätselhaften Formkrise, kämpften dort doch gestandene Oberliga-Spieler um Punkte. Doch Glück und Können hatten sich abgewendet. Das gibt es auch in anderen Mannschafts-Sportarten – und meistens kann es nicht vollständig erklärt werden. Eins steht aber fest: Der vor der Saison aufgekommene Optimismus ist mittlerweile vom Winde verweht.
Der folgende Bericht fasst die Partien nicht chronologisch zusammen, sondern unterteilt sie in drei Rubriken. Fangen wir an!
Job erledigt!

Der Oldenburger spielte eine Variante, die auch Magnus Carlsen gelegentlich mit Schwarz auf’s Brett bringt. Der Haken an der Sache: Stockfish hält die schwarze Stellung bereits nach wenigen Zügen für verlustgefährdet. Am Brett hilft das aber nicht weiter, denn die Partie war „konkret“ – das heißt, dass sie so komplex war, dass man nach jedem Zug erneut genau rechnen musste. Das klappt nicht immer: Laut Engine stand Ingo nach 12 Zügen auf Gewinn, aber mit dem ersten Zug nach der Zeitkontrolle setzte er die Partie dann auf null. SF Mueer verfehlte aber die richtige Fortsetzung, das Remis war futsch und Ingo konnte die Stellung öffnen. Job erledigt. 5½ P (6) hat Ingo nun vorzuweisen. Glückwunsch!

Die Partie an Brett 3 war zunächst ein Theorieduell, das der Oldenburger im 11. Zug mit einem selten gespielten Zug beendete. Hannes zog als Antwort eine Neuerung aus dem Zylinder, die zu einer stabilen Initiative führte. FM Bredemeier konnte sich zunächst gut verteidigen, aber eine Ungenauigkeit und zwei kleinere Fehlen reichten Hannes. Im 23. Zug war alles vorbei. Job erledigt.


Weitgehend unaufgeregt ging es an Brett 6 zu. Nach 21…dxe4 (Diagramm) bot sich Jens Güting allerdings die Gelegenheit mit 22.d5! fortzusetzen. Nach 22…exd5 23.Sxd5 exf3 24.Lf3 zielen beide Läufer auf den Damenflügel: unangenehm. Nach 24…g6 folgt das ebenfalls unangenehme 25.b4 und nach 25…Lg5 26.Tc5 Lf5 27.Db2 und die Engine ruft: „Gewonnen!“ Allerdings ist dies eine ziemlich komplexe Gewinnführung. Und von Pech und Pannen konnte in dieser Partie daher nicht die Rede sein. Dies wird sich in den folgenden Partien ändern.
Aber haben wir auch mal Glück gehabt? Ja!
Glück gehabt!


Alexander Hoffmann hatte sich einiges vorgenommen. Es kam anders. Berthold Wittje erwies sich nämlich als zäh. Sehr zäh. Dann bot sich Alex eine Chance: Nach 14.Sd4 war in der Diagrammstellung 14…Sf4 die richtige Antwort, auch weil dies die weiße Bauernstruktur beschädigt. 14.exd4 führte dagegen zum Bauernverlust, denn Weiß kassierte den Bc7. Später stand unser Spitzenbrett sogar auf Verlust, was SF Wittje nicht ausnutzen konnte. Die Folge war ein endlos langes remisliches Turmendspiel mit Plusbauer für den Oldenburger. Das Remis passte am Ende perfekt in die Rubrik „Glück gehabt“.
Pleiten, Pech und Pannen
Während Fußballtrainer anderen weißmachen wollen, dass die Fehler im letzten Spiel allesamt überflüssig waren, sind die Fehler im Schach unausweichlich. Egal, ob ELO 1000 oder 2700 – das Schachspiel ist nicht kontrollierbar. Fehler sind unvermeidbar, sie sorgen aber für Drama, Frust und Freude. Manchmal auch für ein Gefühl von Ungerechtigkeit, das natürlich dann ausbleibt, wenn man gewinnt. 🙂

Gut gespielt und doch wenig Ertrag: Summa summarum hätte das Quartett Jörg Stock, Holger Lehmann, Stephan Niendieker und Martin Hart bei günstigstem Verlauf 2½ P erzielen können. Klappte aber nicht.
Jörg machte gegen Tom Peters nur einen Fehler. Aber vorentscheidend war, dass er den Schlüsselzug der Partie gesehen hatte, sich aber für einen anderen Plan entschied. Pech gehabt.
Holger Lehmann hatte auf das aggressive Potential seines d-Bauern gesetzt, der allerdings auf schwachen Füßen stand. Nach 22.Tc3 (Diagrammstellung) hätte 22…Txc3 zwar zunächst einen Bauern gekostet, aber am Ende der Tauschfolge wäre dafür der Ba2 gefallen. Klare Remisstellung, aber es geschah halt 22…Tfd8, wonach Weiß den Bd3 kassierte. Pech war dann, dass Holger ein Überlastungsmotiv übersah. Jan Wagners Doppelangriff attackierte zwei Figuren, die nicht gleichzeitig gedeckt werden konnten. Pech gehabt.

Stephan Niendieker zeigte nach längerer Oberliga-Pause gegen seinen nominell stärkeren Gegner, was er drauf hat. Stephan entkorkte in der Eröffnung sogar einen bärenstarken Zug, den Weltmeister A. Aljechin vor fast 90 Jahren vorgeschlagen hatte. Im 25. Zug war es dann so weit. Der Damenausfall nach h5 gewinnt unwiderstehlich, auch weil der Te1 auf die 3. Reihe kommt. Stephan ärgerte sich noch im Spielsaal über die ausgelassene Möglichkeit, obwohl 25.c4 ebenfalls stark war. Später verdarb eine Kleinigkeit die Gewinnstellung. Pech gehabt.
In Sachen Drama, Pech und Pannen toppte Martin Hart seine Mitstreiter aber um Längen. Zunächst findet ‚Locke‘ auf typisch kreative Weise ein blitzsauberes Qualitätsopfer, dann steht plötzlich sein Gegner auf Gewinn. Last but not least scheint Locke schließlich eine unbezwingbare Remisstellung mit Freibauern auf der 2. Reihe zu haben. Dann steht Weiß auf Gewinn, aber auch Enno Eschholz muss einige leiden, als ihm die Gewinnstellung abhanden kommt. Hin und Her, Auf und Ab. Drama pur. Beide hätten verlieren können, aber nur einer tat es. Pech gehabt, aber toll von beiden gespielt. Nachspiellink.
(Anm. d. Red.: die erste Fassung der Partieanalyse basierte leider auf einer fehlerhaften Notation. Die neue Fassung wurde von Martin gecheckt und entspricht auch der heute vom DSB veröffentlichten Fassung).
Am 6. April findet das entscheidende Spiel um einen sicheren Platz in Uelzen statt. Dort tritt unser Mannschaft hoffentlich mit mehr Fortune an. Und wenn das nicht reicht, müssen wir halt Kirchweyhe schlagen. In der letzten Saison schafften wir ein 4-4. Da geht noch mehr… 🙂
Fotos: © Thal 2025