Oberliga: Bericht zum Saisonabschluss parallel zum Finale der Schach-WM

„Durch den Rückzug von Lingen war die 8. Runde der Oberliga Nord West bereits die letzte Runde für die Erste. Weder für uns noch für die Gäste aus Oldenburg ging es noch um Auf- oder Abstieg. Dennoch entwickelte sich ein spannender Wettkampf: 7 von 8 Partien werden entschieden, nur eine Punkteteilung ist zu verbuchen“ (Gastbeitrag von Reinhold Happe).

 

Aus 3-0 wird 3-3

Sieben Gewinnpartien: Dies ist sogar mehr Kampfgeist als bei der gerade laufenden Schach-WM. Von wegen entspannter Sonntagnachmittag.

Ding Liren vs Ian Nepomniachtchi. Screenshot. Quelle: ChessBase
Gastautor Reinhold Happe

Ich schreibe diese Zeilen während die 14. Partie zwischen Ding und Nepo läuft. Parallel höre ich den Kommentar von Fabiano Caruana, der von Tania Sachdev und Robert Hess assistiert wird. Ding spielt kompromisslos auf Angriff. Für Zuschauer ein Fest. Für mich eine Erinnerung an die Startphase in der Oberliga gegen Oldenburg. (Anm. d. Red.: Internet mit Webbrowser gibt es seit 30 Jahren. Das Video-Streaming ist deutlich jünger. Nur wenige können sich daran erinnern, dass man damals ausschließlich über analoge Medien Informationen über eine WM erhielt).

 


3-0 stand es dort deutlich vor der Zeitkontrolle. Tammo Lewin, Alexander Hoffmann und Christian Böttcher hatten alle mit Schwarz ihre Gegner überrannt.

Da kann doch eigentlich nichts mehr schiefgehen, mag der eine oder andere gedacht haben. Doch Oldenburg ist nicht zufällig seit Jahren fester Bestandteil der Oberliga unterbrochen nur von kurzen Abstechern in die 2. Bundesliga. Sie kämpften sich zurück.

Holger Lehmann spielt 29.Sf2 statt Se3 oder Sc3. Aus einem Vorteil gerät er entscheidend in die Defensive. Ich selbst befand mich in dieser schon kurz nach der Eröffnung, als ich den im 10. Zug den thematischen Vorstoß c5 unterließ und später nachzuholen versuchte, was meinem Gegner ein Spiel auf ein Tor einbrachte. Zudem entkorkte Hajo Bades Gegner in nahezu ausgeglichener Stellung einen taktischen Konter, der zu einem Figurengewinn führte (wer findet’s raus?). Damit stand es 3-3.

Grandioser Konter bringt den Sieg

Mit einem Konter hat sich mittlerweile auch Ding auseinanderzusetzen. Nepo beantwortet den direkten Königsangriff mit den besten Zügen, glaubt man den Engines. Und Ding muss seine erste Figur zurückziehen: 14. Le2.
Zurückziehen? Doch wer FM Ingo Gronde, den Helleraner Spieler der Saison  richtig kennt, weiß, dass er diese Option nicht kennt.

FM Ingo Gronde

Es wird immer bis zum Schluss gekämpft. Egal wie klein oder groß der Vorteil sein mag. Dies wurde wieder einmal belohnt. Ingo schaffte es, ein Turmendspiel mit gleicher Bauernzahl (4 vs 4) solange zu kneten, bis er mit grandioser Technik doch noch den vorentscheidenden Sieg, den ersten Weißsieg des Tages, zur 4-3-Führung sichern konnte. Daraufhin schlägt die Stunde von Dominik. Über eine Stunde muss er sich noch in einem Endspiel mit dem Springerpaar gegen das Läuferpaar seines Gegenübers beweisen bei immer knapper werdenden Zeitressourcen. Er schafft es und sichert damit den verdienten Mannschaftssieg und einen sehr versöhnlichen Saisonabschluss.

Die Partien


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(Anm. d. Red.: Die Partie Suendorf-Koehne wurde aktualisiert. In die Partien-Datenbank des Deutschen Schachbunds hatte sich ein Fehler eingeschlichen. Unser Replayer und der alternative Machspiellink wurden daher aktualisiert.)

Alternativer Nachspiellink

 

Quelle: Deutscher Schachbund
Quelle: Deutscher Schachbund

Und wie geht jetzt die Schach-WM aus? Da ich tatsächlich immer noch live schreibe, muss ich eine Antwort schuldig bleiben. In jedem Fall kann ich mich als Fan dieser Schach-WM outen. Beide Spieler zeigen, dass das klassische Schach nicht am Ende ist. Auch wenn für Carlsen dies zu anstrengend ist, zeigen Ding und Nepo viel Mut, Kreativität und unbedingten Siegeswillen. Und was noch wichtiger ist: sie beweisen, dass man nach Niederlagen nicht verzweifeln muss. Die nächste Partie kann schon wieder ein anderes Ergebnis bringen.

Das tut gut, wenn man persönlich gerade seine letzte Partie verloren hat.

Die nächste Saison kann also kommen …

Reinhold Happe