Hellern 1: Nuancen entscheiden

Die Auswärtsfahrt nach Hannover brachte wenig Zählbares, möglicherweise aber Lehrreiches. Nuancen können Kleinigkeiten sein, aber auch feine Unterschiede können gemeint sein. Welche das sind, fasst Reinhold Happe in seinem Gastbeitrag zusammen.

 

Nuancen entscheiden

Auch die zweite Auswärtsfahrt der Saison führte nach Hannover, diesmal zum HSK Lister Turm, neben Werder Bremen und Tostedt sicherlich das Topteam der Oberliga. Da wir sie aber in ihrer Aufstiegssaison besiegt hatten, reisten wir nicht ambitionslos an. Selbst heftigste Infekte und Beschwerden einiger Helleraner wurden verdrängt, um einen Wettkampf auf Augenhöhe bestreiten zu können.
Die erste Enttäuschung des Tages erlebten wir dann aber schon vor Wettkampfbeginn: 30 Minuten vor dem Start war weder ein Spieler des Gastgebers anwesend, noch gab es die Möglichkeit, Essen oder Getränke zu bekommen. Als dann 15 Minuten vor Wettkampfstart der Raum aufgeschlossen wurde, der als Spielort dienen sollte, wäre ich am liebsten direkt wieder abgereist. In einem viel zu kleinen, unbelüfteten und ungeheizten Raum standen die Tische und Stühle durcheinander, von Schachfiguren war weit und breit nichts zu sehen. Nur mit einem Kraftakt schafften die langsam eintreffenden Lister Spieler es, bis 11 Uhr die Bretter und Uhren aufzubauen.

Julian zur Lage (Archivfoto)

Der Schiedsrichter gab den Wettkampf dann unter nicht (oberliga-) adäquaten Bedingungen frei. Jetzt hieß es also, die Umgebung auszublenden und sich auf die 64 Felder mit ihren 32 Figuren zu konzentrieren. Nach der Eröffnungsphase zeichneten sich relativ bald an den Brettern 7 und 8 erste Entscheidungen ab. Locke spielte mal wieder seinen Aljechin, versäumte aber den Vorstoß seines Isolanis auf der d-Linie und wurde danach überrollt. Hiervon ließ sich Julian aber nicht schocken, sondern setzte seinen katalanischen Läufer zum Königsangriff ein, der letztlich erfolgreich verlief.

[Event „Oberliga 2018/19“]
[Site „Hannover“]
[Date „2018.11.25“]
[Round „3.7“]
[White „zur Lage“]
[Black „Gentemann“]
[Result „1-0“]
[ECO „E04“]
[WhiteElo „2119“]
[BlackElo „2195“]
[Annotator „Thal“]
[SetUp „1“]
[FEN „r4rk1/3n1pp1/pqN1b3/1pb5/2p1BB2/4P1P1/P3QP1P/R2R2K1 w – – 0 21“]
[PlyCount „25“]
[EventDate „2018.??.??“]
[EventType „team“]
[EventRounds „9“]
[EventCountry „GER“]
[SourceVersionDate „2015.09.05“]
[WhiteTeam „SV Hellern“]
[BlackTeam „HSK Lister Turm“]
[WhiteTeamCountry „GER“]
[BlackTeamCountry „GER“]

21. Rxd7 $3 {[%mdl 704]} Rac8 22. Qh5 $1 f5 23. Rxg7+ $3 {Das ist Matt in 7.} (23. Qg6 Bf7 24. Bd5
Qxc6 25. Bxf7+ Kh8 26. Be6 Qh1+ 27. Kxh1 Rf7 28. Qxf7 Rf8 29. Qxg7# {[%eval
32754,51]}) 23… Kxg7 24. Qh6+ $2 {Das ist nicht das schnellste Matt – daher
ein Fragezeichen :-)} (24. Be5+ Rf6 25. Qg5+ Kh7 26. Bxf6 Qc7
27. Ne5 Qf7 28. Qh4+ Qh5 29. Qxh5+ Kg8 30. Qh8# {[%eval 32754,67]}) 24… Kf7
25. Qh5+ Kg7 26. Bh6+ {verlängert das Procedere. Dafür wird eine Geldstrafe
verhängt :-)} (26. Be5+ Rf6 27. Qg5+ Kh7 28. Bxf6 Qc7 29.
Ne5 Qf7 30. Qh4+ Qh5 31. Qxh5+ Kg8 32. Qh8# {[%eval 32754,69]}) 26… Kf6 27.
Bg5+ Kg7 28. Qh6+ Kf7 29. Qf6+ Kg8 30. Qxe6+ Rf7 31. Qxc8+ Kg7 32. Bd5 Qc7 33.
Qe6 {[%mdl 5] Eine absolut herausragende Partie.} 1-0

 

Als Hannes an Brett 2 dann nach einem kleinen italienischen Theorieduell ein Remis erreichte, war unsere Ausgangsposition vor der ersten Zeitkontrolle durchaus zufriedenstellend: Carsten verfügte an Brett 1 über die Initiative und einen großen Zeitvorteil, die übrigen Partien waren noch sehr umkämpft.

Leider verlor Thorben beim Übergang vom Mittel- ins Endspiel die Kontrolle über die bis dahin sehr ausgeglichen geführte Partie, was sein Gegenüber mit großer Präzision ausnutzte. Etwas später erging es mir nicht wesentlich anders. Nachdem ich eine relativ einfache Abwicklung in ein remisliches Endspiel ausgelassen hatte, zeigte auch mein Gegner eine gute Technik und verwandelte seinen Vorteil in einen vollen Punkt.

Unsere letzten Hoffnungen auf eine Wende im Wettkampf ruhten also auf Carsten. Doch sein Gegenüber verteidigte sich zäh und genau, so dass das Turmendspiel trotz Mehrbauer nur Remis wurde.

(Anm. d. Red.: Carsten hatte das Pech, dass er nicht in T+2 vs – T+1 wechseln konnte. Die Ausgangsstellung kommt häufig vor, wobei Prichett-Lieb ein typisches Gewinnverfahren zeigt, zudem hat Schwarz noch einen sehr passiven Turm. Carsten spielte noch 41.f3, konnte aber wegen des gefesselten f-Bauern die Stellung nicht umwandeln – und als er es schaffte, war es technisch Remis.)

Tammo wurde dann irgendwann auch Opfer der Lister Präzision. In einem lange sehr ausgeglichenem Spiel entschied hier ein Mehrbauern zu Gunsten der Gastgeber. Da half es leider auch nicht mehr, dass Jörg die fehlende Genauigkeit seines Gegners eiskalt zum Gewinn nutzte.

Nachspiellink

Fazit: Die größere Präzision in einigen Schlüsselstellungen führte zu einem verdienten Sieg der sympathischen Gastgeber. Als Makel bleibt aber der oben beschriebene Zustand der Räumlichkeiten.

Anm. d. Red.: Der Gastgeber HSK Lister Turm hat auf seiner Webseite einen sehr guten Wettkampfbericht veröffentlicht. Die fairen und sehr lehrreichen Analysen können nachdrücklich empfohlen werden. Sie sind direkt auf der Seite nachspielbar. Auch sonst lohnt sich ein Besuch der Website.

Fotos: © 2018 Hellern-Archiv