Froh konnte der sein, der als Kiebitz dabei gewesen ist. Im Vorjahr war der Wettkampf gegen den SK-Nordhorn-Blanke schon sehr dramatisch. Diesmal wurde es noch schlimmer.
Hundewetter
Wie heißt es so schön: Man jagt bei diesem Wetter nicht einmal einen Hund vor die Tür. Es war nasskalt und unfreundlich. In Osnabrück hatte es geschneit, Hellern lag unter einer kaum nennenswerten Schneedecke. Da aber der Blaulichtreport im Emsland keine Verkehrunfälle meldete, dürfte für die Gäste aus Nordhorn die Anreise nicht bedrohlich gewesen sein. Aber wohl beschwerlich, denn als der Gong zur 6. Runde der Oberliga Nord West erklang, befanden sich nur vier Spieler des SK Nordhorn-Blanke in unserem Spiellokal. Für unsere Bretter 1-4 begann das große Warten. Doch die Gäste füllten rasch ihre Reihen auf. Nur der Nederländer Hans Plasberg blieb dem Geschehen fern. Nach einer Stunde führte Hellern 1-0.
Der Bonus war zeitweilig ganz nett, aber die Gäste schienen fest entschlossen zu sein, die fehlende Quantität durch Qualität wettzumachen. Nach relativ kurzer Zeit musste Martin Hart gegen FM Bierenbroodspot die Segel streichen. Dann schlug Reinhold Happe mit seinem zweiten Saisonsieg zu: 2-1. Hannes Ewert remsierte gegen FM Bertholee – der Nordhorner hatte vor seinem letzten Zug den Gewinn übersehen. Thorben Weist zettelte eine Theoriediskussion im Najdorf an – und das in einer umstrittenen Variante. Er war gut vorbereitet, aber Alexander Baisakow war sehr gut vorbereitet. Der Nordhorner gewann und es stand 2,5-2,5.
Nun schlug erst recht die Stunde der Malocher. Carsten Lingnau und Frank Kroeze wollten herausfinden, was die Schottische Partie hergibt. Das hatten sie schon einmal versucht (Remis), doch diesmal überrollte der Spitzenspieler der Nordhorner unsere bislang ungeschlagene Nr. 1. Carsten vergrub sich in die Partie und verwandelte die Verlust- in eine Gewinnstellung. Hinterher hatte er blaue Flecke aufgrund des intensiven Schulterklopfens, an dem sich auch die Kiebitze beteiligten. 3,5-2,5.
Wer gewinnt denn nun? Mit einem Punkt Vorsprung und zwei richtig guten Partien in der Hinterhand eigentlich keine Frage, aber Simon Elgersma drehte nun für die Gäste eine Partie. „Zu wenig Zeit“, stellte Dr. Ingo Gronde danach zerknirscht fest, während Reinhold philosophisch feststellte, dass Simon Elgersma leider ein „Zwischenmatt“ gefunden habe. Angesichts eines scheinbar unwiderstehlich zur Dame laufenden Bauern von Ingo machte dies auch semantisch Sinn und die Schachwelt ist um einen neuen Begriff reicher. Es stand nun 3,5 zu 3,5. Die Stunde des Käpt’n war gekommen.
Drama in vier Akten
Vor dem Hauptgang kommt die Vorspeise. Interessant war, dass wir 3x mit Schwarz gewinnen konnten. Leider verdarb Ingo diese makellose Bilanz, aber auch so blieb dies ein seltenes Phänomen. Den Anhang machte Reinhold, der eine Neuerung als Appetitanreger präsentierte.
Brett 5: Oehne – Happe = 0-1
[Event „Oberliga Nord West 2017/18“]
[Site „Hellern“]
[Date „2018.02.04“]
[Round „6.5“]
[White „Oehne“]
[Black „Happe“]
[Result „0-1“]
[WhiteElo „2140“]
[BlackElo „2129“]
[Annotator „Thal“]
[SetUp „1“]
[FEN „1rbqr1k1/p4ppp/2p2n2/3pb1B1/N7/3B1Q1P/PPP2PP1/1R1R2K1 b – – 0 15“]
[PlyCount „49“]
[EventDate „2018.??.??“]
[EventType „team“]
[EventRounds „9“]
[EventCountry „GER“]
[SourceDate „2015.09.05“]
[SourceVersionDate „2015.09.05“]
15… Qa5 $146 (15… Qd6 $11 {0-1 (30) Prijovic,B (1899)-Blagojevic,D (2529)
Herceg Novi 2006}) 16. b3 Be6 $11 17. Bf4 Bxf4 18. Qxf4 c5 $1 19. Bf5 $6 (19.
c4 d4 $11) 19… Rb4 $1 20. Qf3 Bxf5 21. Qxf5 Rbe4 $1 22. Qf3 d4 23. Qd3 (23.
c3 dxc3 24. Nxc3 Rd4 25. Na4 $11) 23… Nd5 $1 24. Qc4 Nc3 25. Nxc5 $2 (25.
Nxc3 $1 dxc3 26. Qd3 $13) 25… R4e7 $19 26. b4 Qc7 27. g3 Nxb1 28. Rxb1 Re1+
29. Rxe1 Rxe1+ 30. Kg2 Qe5 31. a4 h5 32. h4 Rd1 33. a5 Rd2 34. a6 Qf5 35. Qf1
Qxc2 36. Kf3 Qf5+ 37. Kg2 d3 38. Qe1 Re2 39. Qf1 Qd5+ {Technisch und taktisch
eine starke Leistung von Reinhold.} (39… Qd5+ 40. Kg1 Qf3 41. Nxd3 Qxd3 $19)
0-1
Brett 1: IM Kroeze – IM Lingnau = 0-1
Ein besserer Aphorismus ist mir zu dieser Partie nicht eingefallen. Aber es passt schon – einfach mal nachspielen. Da diese Schlüsselpartie etwas ausführlicher kommentiert wurde, gibt es hier einen Nachspiellink. Glückwunsch an Carsten für diesen tollen Fight. Gleiches gilt für Frank Kroeze, der richtig gut aufspielte.
Brett 3: Elgersma – Dr. Gronde = 1-0
Es nervt, eine bessere Stellung zu verlieren. Allerdings hat der Nordhorner alles ‚rausgehauen‘, wie es heute so schön heißt. Chapeau!
[Event „Oberliga Nord West 2017/18“]
[Site „Hellern“]
[Date „2018.02.04“]
[Round „6.3“]
[White „Elgersma“]
[Black „Gronde“]
[Result „1-0“]
[WhiteElo „2218“]
[BlackElo „2226“]
[Annotator „Thal“]
[SetUp „1“]
[FEN „6R1/8/5r1p/p1kp1p1b/3N1K2/2P5/P7/8 w – – 0 52“]
[PlyCount „21“]
[EventDate „2018.??.??“]
[EventType „team“]
[EventRounds „9“]
[EventCountry „GER“]
[SourceDate „2015.09.05“]
[SourceVersionDate „2015.09.05“]
52. Ke5 {Optisch steht Ingo besser. Die Engine sieht jedoch völlig Ausgleich.}
(52. Rc8+ Kb6 53. Rb8+ Kc7 54. Ra8 Kb6 55. Rb8+ {scheint ausgeglichen zu sein.}
) 52… Rg6 53. Rc8+ Kb6 54. Kxd5 (54. Rb8+ Kc5 55. Rc8+ Kb6 $11) 54… f4 55.
c4 {Noch ist nichts passiert, aber Weiß scheint sich um aktives Spiel zu
bemühen – bei dem aktuellen Stand von 3,5-2,5 für Hellern keine
Überraschung.} Rf6 56. c5+ Kb7 57. Rh8 f3 $2 (57… Bf7+ 58. Ke5 f3 59. Kxf6
f2 60. Kxf7 f1=Q+ 61. Ke7 $11 {Wer so eine Stellung in der ‚Nachspielzeit‘
aufs Brett bekommt, dürfte mit den Augen rollen. Belassen wir es beim Urteil
der Engine: Remis!}) 58. c6+ $1 Rxc6 $2 (58… Kb6 59. Rb8+ Kc7 60. Rb7+ Kc8
61. Nb5 Rxc6 $1 (61… f2 62. Na7+ Kd8 63. c7+ Ke8 64. c8=Q#) 62. Kxc6 Be8+ 63.
Kb6 Bxb5 64. Rf7 $1 Be2 $13) 59. Nxc6 Bf7+ {Der Sperrzug.} (59… f2 60. Rf8
$19) 60. Kd6 $1 f2 (60… Ka6 61. Kc5 Bd5 62. Ra8+ Kb7 63. Ra7+ Kc8 64. Kxd5 f2
65. Kd6 f1=Q 66. Rc7#) (60… Kb6 61. Rb8+ Ka6 62. Kc5 f2 63. Rb6#) 61. Rb8+
Ka6 62. Kc5 $1 {Tolle Leistung des Nordhorners, der die Partie komplett drehte.
} (62. Kc5 f1=Q 63. Rb6#) 1-0
Brett 8: Höllmann – Bade = 0-1
[Event „Oberliga Nord West 2017/18“]
[Site „Hellern“]
[Date „2018.02.04“]
[Round „6.7“]
[White „Hoellmann“]
[Black „Bade“]
[Result „0-1“]
[WhiteElo „2185“]
[BlackElo „1985“]
[Annotator „Thal“]
[SetUp „1“]
[FEN „1n1r2k1/r1p1qppp/1p2pb2/8/p1PP4/P5P1/1BQ1PPBP/R2R2K1 w – – 0 21“]
[PlyCount „96“]
[EventDate „2018.??.??“]
[EventType „team“]
[EventRounds „9“]
[EventCountry „GER“]
[SourceDate „2015.09.05“]
[SourceVersionDate „2015.09.05“]
{Beide Spieler wandelten auf indischen Pfaden, aber der Nordhorner hatte fast
alles besser gemacht und stand auf Gewinn, wie auch Hajo selbstkritisch
feststellte.} 21. e4 $18 g6 22. e5 Bg7 23. f4 c6 24. Bc3 Bf8 25. Qb2 Qc7 26.
Kh1 Na6 27. Bf3 Raa8 28. Qe2 Rac8 29. Bb2 Qa7 30. Rac1 Qa8 31. Rc2 (31. d5 $1 {
war auch in der Folge mehrfach möglich:} cxd5 32. cxd5 Rxc1 33. Bxc1 Rxd5 34.
Bxd5 exd5 35. e6 $18 {Die Variante zeigt, dass Raumvorteil irgendwann zur
Öffnung des Spiels führen sollte.}) 31… Rc7 32. Rcd2 Rcd7 33. Qe3 {Der
Nordhorner kann sich zum linienöffnenden Vorstoß nicht durchringen.} (33. d5
$1 $18) 33… Qb7 34. g4 b5 $1 35. cxb5 $6 Qxb5 $11 36. f5 Nc7 37. Rc2 Nd5 38.
Qc1 Qb3 39. Be2 Qe3 $6 (39… Ne3 $19) 40. Rd3 Qe4+ $1 $19 41. Rf3 c5 $1 {
Danach musste der Nordhorner etwas länger nachdenken.} (41… Nf4 {ging auch:}
42. Qd2 Bh6 $1 $19) 42. Qd2 {Noch das Beste.} (42. dxc5 Nf4 $1 {nebst Matt
oder Materialverlust.}) 42… cxd4 43. fxe6 fxe6 44. Qd3 Qxd3 45. Bxd3 Ne3 46.
Re2 Rf7 47. Rxf7 Kxf7 48. h3 Nd1 49. Bc1 Rc8 $1 50. Rc2 Rc3 $1 51. Rxc3 dxc3
52. Kg2 Nb2 53. Bc2 Bxa3 54. Bxa4 Nxa4 55. Bxa3 Nb2 ({Hier ging es schneller:}
55… c2 56. Kf2 Nc5 {[%csl Rb3,Rd3] Schwarz kommt auf die korrespondierenden
Felder, der Bauer läuft durch und gewinnt Material.}) 56. Kf3 Nc4 57. Bc1
Nxe5+ 58. Ke4 Nc6 59. Kd3 Nb4+ {Auch Hajos Gewinnverfahren ist imponierend.}
60. Kc4 Nd5 (60… Na2 61. Bh6 c2 $19) 61. Bg5 Ke8 62. Kd4 Kd7 63. Ke5 c2 64.
Kd4 Kd6 65. Bd2 e5+ 66. Kd3 Nf4+ 67. Kxc2 Nxh3 68. Kd3 Nf2+ {Das war der
Matchpoint. Hellern hatte 4,5-3,5 gewonnen.} 0-1
So ist das mit dem Käpt’n: Sinkt das Schiff, so geht er nicht als Letzter von Bord. Nein, er stopft das Leck und holt die anderen aus dem Wasser.
Tolle Leistung von Hajo, der nach schlechtem Saisonstart die zweite Partie in Folge gewann. Und so endete ein Wettkampf mit Können und und Glück, denn dieses Match war auch locker und und leicht zu verlieren.
Zwischenstände: Was passierte sonst?
Der SV Lingen setzte seinen Siegeszug fort: der 7-1-Sieg in Delmenhorst reißt die die Gastgeber mitten in den Abstiegskampf. Tempo Göttingen begann die erwartete Aufholjagd mit einem 5-3 bei den Schachfreunden Hannover. In der nächsten Runde können sie gegen Werder III den nächsten Schritt machen. Die Bremer gewannen ihrerseits gegen ihren Nachbarn, die SG Bremen, die trotz Doppelsieg an den Spitzenbrettern mit 3½-4½ das Nachsehen hatten. Das Gleiche widerfuhr den Hamelnern: an 1 und 2 gewonnen, trotzdem 3½-4½ gegen den Lister Turm verloren. Aber das wird nicht zum Problem, da Hameln in den letzten drei Runden gegen die Teams auf den letzten drei Tabellenplätzen spielt. „Zünglein an der Waage“ nennt man das. Ob Hellern (Platz 3) und Nordhorn-Blanke (Platz 4) den Kampf um den dritten Platz unter sich ausmachen, bleibt zweifelhaft, denn beide haben etwas gemeinsam: sie müssen gegen den Lister Turm und Lingen antreten, was völlig unlustig ist. Freuen wir uns über diesen Wettkampf und über den unterhaltsamen Sonntag, frei nach Vergil: „Harte Arbeit besiegt alles.“
Tabelle Oberliga Nord West (Deutscher Schachbund)
Fotos: © Thal 2018