Mit einem glatten 5-3-Sieg gegen Tempo Göttingen konnte die Erste in der 5. Runde der Oberliga Nord West zu den Verfolgern des neuen Spitzenreiters HSK Lister Turm aufschließen. Zu erwarten war dies nach den Ausfällen von Alexander Hoffmann und Ingo Gronde nicht, aber auch die Gäste konnten nicht in Bestbesetzung antreten. Das Duell der Reservisten an den Bretter 7 und 8 entschied unsere Erste mit 2-0.
Schiri Dirk Husemann wusste es schon vorher. Aus den Gewinnerwartungen der ELO-Zahlen hatte er die Prognose 4.2.-3.8. errechnet. Ich weiß nicht, ob es dafür einen Fachbegriff gibt, aber a) beruhigte es ungemein, b) irren sich Zahlen nicht und c) mussten die Spieler ’nur noch‘ die Prognose in die Tat umsetzen.
Carsten spielte am 1. Brett „The Berlin Wall“. „Ich spiele das nur, weil alle diese Eröffnung hassen“, stellte er beiläufig fest. Aber Carsten wäre nicht Carsten, wenn er aus diesem Langweiler nicht etwas herauspressen würde. Gegen den Vierten der Nds. Landesmeisterschaften, Florian Armbrust (der schon einmal Shirov bezwungen hatte), fand er folgende Wendung:
Armbrust – Lingnau (Brett 1)
31…c5! führte zu einem forcierten Bauerngewinn. Allerdings verteidigte sich der Göttinger anschließend sehr umsichtig, sodass Carsten später das Dauerschach nicht verhindern konnte. Remis. Partielink. Dies war die fünfte entschiedene Partie, aber folgen wir lieber der Chronologie der Ereignisse.
13:00 Uhr: Locke hat eine Figur mehr. Das sieht ja gut aus. Auch die Partien an den Brettern 3-4 sehen vielversprechend aus.
13:45 Uhr: Jana gewinnt! Es steht 1-0. Jana hatte mit den schwarzen Steinen schon zuvor gezaubert, setzte dem Ganzen aber nun die Krone auf.
Kohlmeier – Böhm (Brett 7)
29…Sh5 ist angesichts der latenten Drohung Tc8-c1 eine äußerst elegante Lösung, denn was tut der Se2, wenn er ‚befragt‘ wird? Schön an der Kombi ist auch Janas finale Pointe. Wer’s nicht findet, kann hier nachschauen. Nach der Aufgabe des Göttingers zog sich Jana ins Analysezimmer zurück – und berechnete die Flächeninhalte von irgendwelchen obskuren Drei- und Vierecken. „Ist das Einsteins Relativitätstheorie?“, fragte ich arglos. „Nein, Geometrie!“ Jana erledigte ihre Schularbeiten …
13:54: Jörg remisiert gegen Golo Petzold, wenige Minuten später meldet Stephan das gleiche Resultat gegen Phillip Kyas. Beide haben mit Schwarz eine starke Defense organisiert. Stephan brachte zudem eine beachtliche Neuerung auf’s Brett. Spielstand 2-1.
14:30 Uhr: Leider muss Hajo die Segel streichen. Eigentlich schade, es war mehr drin. Aber nach einer kleinen Ungenauigkeit fährt Alexander Schmidt den einzigen Sieg der Gäste sicher nach Hause. 2-2.
An den restlichen Brettern sieht es gut aus. Reinhold steht besser, Dirk wohl schon auf Gewinn … und hinten spielt immer noch Locke mit seiner Mehrfigur.
Kurz vor 15:00 Uhr muss Reinhold in die Punkteteilung einwilligen. Seine Partie bezeichnete er anschließend als „Freestyle“ – das muss wohl etwas mit der Eröffnung zu tun gehabt haben. In folgender Stellung verpasste er eine große Möglichkeit:
Happe – Markgraf (Brett 4)
34. cxd5 war nicht das Beste. Warum 34. Sf4 deutlich gewinnversprechender war, kann man hier nachspielen. Da auch Carsten mittlerweile remisiert hatte, stand es 3-3.
Dirks Gegner hatte inzwischen in positionell schlechterer Stellung nach taktischen Tricks gesucht, aber den taktischen Schlusspunkt setzte dann Dirk.
Hummel – Kyas, M. (Brett 2)
38. Dxb6 war dann doch zu brachial für den Göttinger, der noch mit 38…Txg2 zu kontern versuchte, aber nach einem weiteren Einschlag in einer aussichtslosen Stellung landete.
4-3 – und hinten spielte Locke immer noch. Mit seiner Mehrfigur. Wird er denn überhaupt nicht fertig?
Nun, ganz einfach war das nicht, denn über Martins Stellung schwebte das Damoklesschwert des leidigen Dauerschachs. Aber Locke vertiefte sich in die Stellung und wollte unbedingt das Matt. Aus technischer Sicht ist das Finale genial, mindestens aber grandios. Das ist halt Locke. Aber ich hatte ihm ja vor dem Match gesagt, dass er gewinnen muss. Auftrag erfüllt, und zwar so:
Hart – Wachsmuth (Brett 8)
51.De3! leitet ein 13-zügiges Matt ein. Locke spielte das dann mit einem kleinen Sidestep und einem sehenswerten Schlusspunkt. Auf die Uhr habe ich nicht mehr geschaut, die beiden saßen schon sehr lange vor dem Brett, während sich der Rest der Truppe Liverpool – Manchester United anschaute. Als Stefan Wachsmuth dann aufgab, strömten sie in Scharen ins Spiellokal. 5-3 und irgendwie ist ja der Letzte, der den Sack zumacht, auch immer der Held. Allerdings sollte man nicht vergessen, dass das ganze Team gewonnen hat. Und das ist mehr als ein Spruch, den man routiniert aufsagt. Tolle Leistung!
(Fotos: Thal)
Oberliga Runde 5 | 17.01.2015 | ||||||
SV Hellern | – | SC Tempo Göttingen | 5 | – | 3 | ||
IM Lingnau, Carsten | (2412) | – | Armbrust, Florian | (2282) | 0,5 | – | 0,5 |
Hummel, Dirk | (2260) | – | Kyas, Marcel | (2178) | 1 | – | 0 |
Stock, Jörg | (2161) | – | Petzold, Golo | (2265) | 0,5 | – | 0,5 |
Happe, Reinhold | (2121) | – | Markgraf, Stefan | (2130) | 0,5 | – | 0,5 |
Niendieker, Stephan | (2105) | – | Kyas, Phillip | (2097) | 0,5 | – | 0,5 |
Bade, Hajo | (2028) | – | Schmidt, Alexander | (2123) | 0 | – | 1 |
Böhm, Jana | (1930) | – | Kohlmeier, Frank | (2009) | 1 | – | 0 |
Hart, Martin | (2122) | – | Wachsmuth, Stefan | (1887) | 1 | – | 0 |