…und Hannes wurde 13. beim 29. Staufer-Open in Schwäbisch-Gmünd. Noch vor „Wunderkind“ Vincent Keymer und unserem ehemaligen Mitstreiter Jan Wöllermann. Alles eine One-Man-Show? Mitnichten, denn der SV Hellern trat auch als Team auf und holte sich den 2. Platz in der Mannschaftswertung.
In der letzten Runde spielte Hannes Ewert gegen den Lokalmatador IM Frank Zeller (2398). Es sah nicht gut aus, Hannes stand auf Verlust. Doch dann zeigte er wie ein angeschlagener Boxer erstaunliche Nehmerqualitäten – und konterte den IM aus! Mit einer Serie von 5½ P aus 6 legte er zudem einen sehenswerten Schlussspurt hin – ein frühes Highlight des neuen Schachjahrs 2017!
„Heaven, I’m in heaven and my heart beats so that I can hardly speak“
So sang es Fred Astaire 1935 im Musical „Top Hat“ seiner Angebeteten vor. Die war damals Gingers Rogers, aber wenn man das Objekt der Zuneigung durch die Schachgöttin Caissa ersetzt, dann wird daraus wohl auch für Hannes ein passabler Song. Vielleicht fühlt er sich nicht im Himmel, aber ganz irdisch betrachtet sollte er schon ein wenig feiern, wenn der Herr Papa mal wegschaut.
Was will man als Nachwuchsspieler mehr? 5½ aus 6 in den letzten Runden, einen FM und einen IM geschlagen, dazu noch ein Remis gegen GM Dgebuadze nach vorheriger Gewinnstellung – das ist eine kraftvolle Ansage, die einen direkt in die „Hall of Fame“ unseres Vereins befördert. Dazu auch unser ausführlicher Bericht vom Vortag.
ChessBase berichtet heute in seinem Artikel schwerpunktmäßig über Vincent Keymer, aber das ist verständlich. Ärgerlich ist nur, dass auch dort die falsche Tabelle der 8. Runde veröffentlicht wird, aber dafür können die Hamburger nichts. Die Endtabelle stimmt und nun hat Hannes einen halben Punkt mehr als Vincent und ich bin gespannt, ob dies auch eine Nachricht wert ist.
Sieger des A-Turniers wurde ungeschlagen der für die SF Spraitbach spielende GM Vladimir Burmarkin mit 7 Punkten. Allerdings nur aufgrund der besseren Feinwertung, denn Burmarkin musste sich den ersten Platz mit fünf weiteren Spielern teilen. Die große Nachwuchshoffung Vincent Keymer landete mit 6 P auf dem 22. Platz und verlor 9 ELO-Punkte. Für den Elfjährigen, der immer noch über 2400 liegt, kein Beinbruch. Aber dies zeigt auch den Wert des 13. Platzes von Hannes, denn normalerweise muss man beim Staufer-Open deutlich mehr als ELO 2200 haben, um unter die ersten 40 zu kommen.
Nun aber zum dramatischen (dieses Wort ist angebracht, wenngleich oft zu häufig gebraucht) Fight gegen Frank Zeller. Hier ist die Partie:
[Event „29. Staufer-Open (A)“]
[Site „?“]
[Date „2017.01.06“]
[Round „9“]
[White „Zeller“]
[Black „Ewert“]
[Result „0-1“]
[ECO „D26“]
[WhiteElo „2397“]
[BlackElo „264“]
[Annotator „Thal,Ortwin“]
[PlyCount „94“]
[EventDate „2017.??.??“]
[SourceDate „2017.01.06“]
1. Nf3 Nf6 2. c4 e6 3. Nc3 d5 4. d4 Be7 5. Bg5 c6 6. e3 O-O 7. Bd3 Nbd7 8. O-O
dxc4 9. Bxc4 c5 10. Qe2 cxd4 11. exd4 Nb6 12. Bb3 {Die Datenbank-Statistik
spricht ein klares Urteil: Weiß steht besser.} Bd7 13. Ne5 Bc6 14. Rad1 Bd5 (
14… Nbd5 15. Nxc6 bxc6 16. Na4 {1-0 (74) Kortschnoj,V (2635)-Arbakov,V (2455)
Paris 1995}) 15. Nxd5 $146 (15. Bc2 Nfd7 16. Bf4 Nxe5 17. dxe5 Bg5 18. Qh5 h6
19. Bg3 Qc7 20. h4 Bd8 21. Rd4 Qc5 22. Rg4 f5 23. exf6 Rxf6 24. Be5 Bc6 25.
Rxg7+ {1-0 (24) Botvinnik,M-Budo,A Leningrad 1938}) 15… Nbxd5 $6 (15… Nfxd5
$11) 16. f4 $1 $16 g6 17. Bh6 $18 Re8 18. Ba4 $6 (18. f5 $1 exf5 19. g4 fxg4
20. Qg2 Rf8 (20… Bf8 21. Nxf7 $3 Kxf7 22. Bxd5+ Re6 23. Bxe6+ Kxe6 24. Rde1+
$18) 21. Bxf8 Kxf8 22. Bxd5 Qxd5 23. Qxd5 Nxd5 24. Rxf7+ $18) 18… Qa5 19.
Bxe8 Nxe8 $2 (19… Rxe8 $142) 20. g4 $18 {Erneut steht Hannes schwer auf
Verlust. Wie lange kann das noch gut gehen?} Nd6 (20… Nef6 21. f5 $18) 21. f5
exf5 22. gxf5 g5 23. f6 (23. h4 $1 $18) 23… Bxf6 24. Nd7 (24. h4 $1) 24…
Re8 25. Qg2 Ne4 26. Rde1 $4 {What a blunder: IM Zeller stellt die Partie ein.}
Bxd4+ 27. Kh1 Ne3 28. Qf3 Qd5 $3 {[%cal Gd5f7,Rd5d7] Quo vadis, Springer?} (
28… Nxf1 29. Rxe4 Qe1 30. Rxe8+ (30. Rxe1 $2 Rxe1 31. Kg2 Ne3+ 32. Kf2 Rf1+
33. Ke2 Rxf3 34. Kxf3 f6 $19) 30… Qxe8 $11) 29. Nf6+ Nxf6 30. Bxg5 Qxf3+ $5 {
Hannes wickelt pragmatisch ab. Wen wundert’s angesichts der enormen
Verwicklungen. Tatsächlich ist manchmal ratsam, einen dauerhaften Vorteil in
übersichtlicher Stellung mitzunehmen als einen großen mitten im Chaos –
sowas kann man auch mal verlieren!} ({Sogar} 30… Qxg5 {ging jetzt.
Natürlich mit einem Feuerwerk für Taktikfreunde:} 31. Rg1 Nfg4 $1 32. Rxe3
Rxe3 33. Rxg4 Re1+ 34. Kg2 Rg1+ 35. Kh3 Qxg4+ $19) 31. Rxf3 Nfd5 $17 32. Rf5 $2
({Stockfish 8 64:} 32. Rg1 Kf8 33. Bh6+ Ke7 34. Re1 Kd6 35. Rxf7 Re7 36. Bf8
Ke6 37. Rxe7+ Nxe7 38. Bg7 Bb6 39. Bh6 N7d5 40. Bxe3 Nxe3 41. Rc1 Nd5 $17 {
wäre komplizierter geworden.}) 32… Re6 $1 {Jetzt steht Hannes wieder auf
Gewinn.} 33. Rf3 b6 34. h4 Re4 $1 35. Rg3 Kf8 36. Reg1 Nf5 $1 37. Rg4 Rxg4 (
37… Bxg1 38. Rxe4 Ng3+ 39. Kxg1 Nxe4 $19 {war auch hübsch.}) 38. Rxg4 Bxb2 {
ganz prosaisch gespielt.} 39. Rc4 Bf6 40. Bxf6 Nxf6 41. Kh2 Nd5 42. h5 Kg7 43.
Kh3 Kh6 44. a4 a5 45. Re4 Kg5 46. h6 Kxh6 47. Re5 Nfe7 {Fabelhaftes
Konterspiel.} 0-1
Und die Preise? Und die Ratings?
Nach dem Erfolg gegen IM Zeller wurde Hannes auch geteilter Erster in der Rating-Preisgruppe 2151-2300. Den Sieg musste er aufgrund einer geringfügig schlechteren Feinwertung dem für Schwäbisch-Gmünd spielenden IM Josef Jurek überlassen.
Den 2. Platz in der Mannschaftswertung erzielte der SV Hellern in folgender Besetzung:
- Hannes Ewert – A-Gruppe (+6 =1 -2) 6½ P
- Andre Böhme – B-Gruppe (+5 =3 -1) 6½ P
- Stefan Ewert – B-Gruppe (+4 =4 -1) 6 P
- Dr. Th. Weist – B-Gruppe (+4 =3 -2) 5,5 P
- Stefan Grasser – B-Gruppe (+4 =2 -3) 5 P
- Franz Ernst – A-Gruppe (+2 =4 -3) 4 P
Ausgewertet wurden die jeweils vier besten Spieler eines Teams. Sieger wurden die SF Spraitbach mit 25 Punkten. Spraitbach ist eine kleine Gemeinde in Baden-Württemberg mit etwas mehr als 3000 Einwohnern. Die Spraitbacher spielen in der Verbandsliga Nord, haben mit den Topspielern Vladimir Burmakin (2526) und Evgeny Vorobiov (2585) zwei namhafter Meister in ihren Reihen. Ein Verein mit über 80 Mitgliedern in einer 3000-Seelen-Gemeinde – das muss man erst mal hinkriegen.
Unser sechsköpfiges Team folgte mit 24,5 Punkten auf Platz 2. Nur 12 von 54 Partien gingen verloren, 25 wurden gewonnen. Tolle Quote! Wir gratulieren dem Team für diesen großartigen Erfolg. Und natürlich ganz besonderen Dank an die vielen Helfer, die via WhatsApp die Redaktion mit Notationen und Fotos versorgten. Für den Gesamtsieg hätte Hellern einen ganzen Zähler mehr benötigt, denn die Spraitbacher besaßen einen komfortablen Vorsprung in der Feinwertung.
Den hatte Hellern wiederum vor dem Drittplatzierten SG Schwäbisch Gmünd, der ebenfalls 24,5 P erzielte. Dieser Verein ist uns bekannt, denn dorthin wechselte unser Ehemaliger Christian Fiekers nach seinem Fortgang in den Süden Deutschlands. Christian spielte dort eine Zeit lang in der Oberliga Baden-Württemberg, auch IM Frank Zeller spielte dort. Leider hat der Ergebnisdienst des Schachverbandes Württemberg alle detaiilierten Statistiken vor 2012 gelöscht, sodass weitere Recherchen unmöglich sind.
Wir hoffen, diesen außergewöhnlichen Event in einem weiteren Beitrag genauer unter die Lupe nehmen zu können. Dazu müssen natürlich die Beteiligten selbst zu Wort kommen.
Die vorläufigen Rating-Auswertungen sind insgesamt für uns moderat ausgefallen. Hannes hat nach der ELO-Auswertung den Sprung über 2200 geschafft. Hier die Zahlen (ohne Gewähr):
Name | ELO | +- | DWZ | +- |
Ewert, H. | 2203 | +19 | 2195 | +34 |
Ernst | 2007 | -14 | 1909 | -10 |
Böhme | 1887 | -2.5 | 1796 | +13 |
Ewert, S. | 1819 | -5.7 | 1762 | -16 |
Dr. Weist | 1801 | +10.9 | 1732 | +29 |
Grasser | 1748 | +4.1 | 1705 | -8 |
Weitere Informationen gibt es auf der Seite des Veranstalters.
Foto: SV Hellern © 2017