VEM R 6: Will denn immer noch keiner Meister werden?

„Will denn keiner Meister werden?“ fragte Otto im Titel seines Berichts von der fünften Runde der Vereinsmeisterschaft. Die Frage stellt sich nach Runde 6 erneut, denn die Entscheidungen sind auf die siebte Runde vertagt, die es vor allem in der A-Gruppe in sich haben wird. Ein Team-Bericht von Ortwin Thal und Robert Gillenkirch.

B-Gruppe

Beginnen wir in der B-Gruppe, in der vor der sechsten Runde Jonas Gernhardt (4,5 aus 5) vor Philipp Kleemann (4) führte. Beide konnten ihre Partie gestern nicht spielen, weshalb die Verfolger aufholen konnten: Julian Blümke schlug Kilian Kaberi und Jonas Schemann Victorie Rygol, so dass beide nun auf 4 Punkte aus 6 Partien kommen. Beide haben nun 4 Punkte auf dem Konto, aber ganz nach oben werden sie es wohl nicht mehr schaffen, denn dafür müssten Philipp und Jonas beide in den letzten Runden einbrechen. Zwischen den beiden wird es spannend, Philipp lauert auf einen Punktverlust von Jonas.

A-Gruppe

In der A-Gruppe wurde eine Spitzenpartie – Harry Szobries gegen Alfons Thöle – räumlich verlegt, im Spiellokal aber fanden fünf Begegnungen statt. Entscheidungen für die Meisterschaft fielen nicht, im Gegenteil: Es wird in der letzten Runde so eng wie lange nicht mehr.

H. Weist (r.) – Mescher

Hartmut Weist hatte es mit Bernhard Mescher von der SG Ankum zu tun, der sich mit Georg Brinkmann zusammen donnerstags auf den Weg nach Hellern macht, um unser Turnier zu bereichern, worüber wir uns sehr freuen. Hartmut war allerdings alles andere als gastfreundlich aufgelegt und hatte sehr bald entscheidenden Vorteil.

Dr. Wagner-Meyjohann (r.)

Ähnlich lief es in der Begegnung Patrick Meyjohann gegen Jochen Wagner. Jochen büßte irgendwann einen Bauern ein, dann einen zweiten, und im Doppelturmendspiel war für ihn nichts zu holen. Patrick steht nun bei 4 Punkten und hadert mit seiner Feinwertung. Dazu gleich mehr.

Ramin Kaberi und Mathias Dommach sind zwei „echte Amateure“ im Wortsinne – Schachliebhaber ohne die bei ihrer Stärke normalerweise anzutreffenden tiefen Kenntnisse der Eröffnungstheorie. Und so stand schnell eine Stellung auf dem Brett, bei der die Kiebitze zweimal hinschauen mussten.

Die beiden Partien übrigen Partien im Schachlokal sahen die Titelaspiranten jeweils auf der mit Schwarz spielenden Seite: Robert Gillenkirch (3 Punkte) gegen Thorben Weist (3,5) und Georg Brinkmann (3) gegen Hajo Bade (4). Hajo konnte nicht sehen, was Harry macht, und musste daher eigentlich auf Gewinn spielen, um sicher zu sein, dass er nicht mit einem Rückstand in die Schlussrunde geht. Aber das ist einfacher gesagt als getan. In einem Londoner System setzte Hajo auf einen bewährten schwarzen Aufbau mit Druck auf d4 und den schwarzfeldrigen weißen Läufer, konnte  aber nie Vorteil erlangen, zu stark war der Auftritt von Georg. Das Remis in ausgeglichener Stellung war folgerichtig.

Gillenkirch – T. Weist (r.)

Ich (Robert) hatte es mit Thorben zu tun, der mich nach meinem Glücksremis vor einigen Jahren in einem wilden Sizilianer in den darauf folgenden Begegnungen stets souverän besiegte. Ich hatte wieder einmal Weiß und wich von unserer letzten Partie bewusst sehr früh in einen Botwinnik-Dreieck-Aufbau ab. Ja, der Aufbau ist nicht toll und gerade gegen starke Gegner sollte man das lassen. Folgerichtig verlor ich irgendwann den Faden und den Ausgleich. Aber etwas überraschend machte es Thorben mir nach, sprich: verlor den Faden.

Im linken Diagramm hat Schwarz klaren Vorteil, wenn er den Läufer gegen den Springer tauscht (19. … Lxd5). Thorben aber spielte das sehr spekulative 19. … Dh3?! (mit der Pointe, dass nach 20. Lxh3 Sf3+ Schwarz nicht nur die Dame zurücckerhält, sondern auch die Qualität gewinnt). Danach setzte er zu einseitig auf seinen Angriff am Königsflügel, ohne meinem Gegenspiel am Damenflügel genügend Aufmerksamkeit zu zeigen. In der Diagrammstellung in der Mitte hat sich das Blatt bereits gewendet: Thorben spielte 28. … fxg3 und es folgte 29. Txb6 gxf2+?! 30. Txf2 Dc8 31. Txf8 Txf8 32. Dg5! und Schwarz bekommt Schwierigkeiten, der Bauer e5 hängt und die schwarze Dame ist an den Lb7 gebunden. Nach 32. … Sc6 33. h5 Tf7 34. h6+, rechte Diagrammstellung, war es bereits objektiv vorbei, denn auf jeden Königszug folgt das Qualitäts-Scheinopfer auf c6: 34. … Kh8 35. Txc6 Lxc6 36. Dxe5+ Kg8 37. Se7+ und Weiß erhält die Qualität mit Zinsen zurück.


Angesichts der Ergebnisse konnte sich Harald Szobries mit einem Sieg einen halben Punkt Vorsprung und zudem auch den zweiten Platz sichern. Auch andere Vorzeichen waren gut: gegen Alfons Thöle kam eine Variante aufs Brett, die Harry erst vor einigen Monaten in der Verbandsliga auf dem Brett hatte.
Allerdings ist das System schwer zu spielen. Da die Partie in Alfons‘ ‚Guter Stube‘ stattfand, konnte und musste man auch von einem Heimvorteil sprechen, obwohl der Gastgeber die schwarzen Steine führte. Und tatsächlich brachte Alfons im 11. Zug eine starke Neuerung aufs Brett, die aber nicht ganz verhindern konnte, dass der Meisterschaftskandidat positionell besser stand.
Überraschend drehte Alfons dann doch noch die Partie und hatte im 26. Zug eine starke Fortsetzung in petto. Beiden Spielern wurde dann zum Verhängnis, dass sie die Kraft ihres c-Bauern unterschätzten. Alfons konnte mehrfach c6-c5 spielen, um das weiße c4-c5 zu verhindern. Harry konnte beinahe folgerichtig danach diesen Zug spielen, tat es aber 2x nicht. Gut, dann wird er halt Remis!

Nachspiellink

Nur am Rande: das war für Harry die erste Partie, nachdem er durch eine starke Verbandsliga-Saison zum ersten Mal die 1900er-Grenze reißen konnte. Zuletzt brachte der Ex-Helleraner Turnierleistungen um die 2000 aufs Brett: ein Vorbild für alle Spieler, die davon überzeugt sind, dass man nur in jungen Jahren seine Spielstärke dramatisch verbessern kann (O.T.).

Nach dieser Niederlage ist Thorben raus aus dem Titeltrennen. Dennoch sind es gleich vier Spieler, die am 13. Juni ab 18:30 Uhr in der A-Gruppe um den Titel spielen: Patrick Meyjohann (4 Punkte) trifft auf Harry Szobries (4,5), Hajo Bade (4,5) auf Robert Gillenkirch (4). Patrick und Robert müssen also gewinnen, wenn sie ganz nach oben wollen.

Es könnte aber ein echter Feinwertungskrimi werden. Hier ein paar Rechenspiele (allerdings: alle Angaben ohne Gewähr!):

  • Gewinnen Hajo und Harry oder spielen beide Remis, ist Harry Vereinsmeister. Seine Feinwertung ist in jedem Falle besser, Hajo dagegen wird zum Verhängnis, dass Reinhard Paul keine weiteren Punkte mehr holen kann.
  • Gewinnt Patrick, bringt ihn das höchstwahrscheinlich nicht auf Platz 1, denn: Entweder Hajo holt mindestens ein Remis, dann liegt er in Punkten oder nach Feinwertung vor Patrick. Oder Robert schlägt Hajo, dann liegt Robert nach Feinwertung vor Patrick.
  • Gewinnt Robert und spielt Harry Remis, dann wird es ganz haarig, denn es gibt tatsächlich eine Konstellation der übrigen Partien, in der Robert nach Feinwertung Harry  überholen könnte. Unwahrscheinlich schon, aber ich (Robert) werde trotzdem schon mal meine Vereinsmeister-Bettwäsche aufziehen und von meinem ersten Pokal seit ca. 25 Jahren träumen.

Fotos: © Sobotta 2019