74. Osnabrücker Stadtmeisterschaft, Tag 3

Zwei Spieler ohne Verlustpunkte, dahinter ein recht großes Rudel von Verfolgern mit nur einem halben Punkt Rückstand. Spannender geht es nicht. Wer wird Stadtmeister? Am Sonntag musste die Entscheidung fallen. Häufig ist aber die vorletzte Runde vorentscheidend, in der schon oft ein Topfavorit ausgeknockt wurde. Würde das auch im Barenturm passieren?

Kunstgalerie oder Schach? Immerhin wird Königsgambit gespielt. Und das ist Kunst!

Tag 3 – Runde 4

Erstaunliches und andere Überraschungen

Das Topspiel hieß IM Tobias Kügel vs Robin Keyser. Denn der Sieger würde den Siegerpokal so gut wie sicher nach Hause tragen. Nicht nur die Kiebitze erwarten viel von den Top-Spielern: Spannung, starkes Schach, ein Auf und Ab der Chancen. Der Berichterstatter hoffte dies auch.

IM Kügel (r.) – Keyser: Leider eine sehr langweilige Partie.

Doch es kam anders. Der IM machte keine Anstalten, auf Gewinn zu spielen. Vielmehr tauschte er alles ab, bis das Remis nicht mehr zu verhindern war. Danach hatte er 3½ P – und war angreifbar für die Verfolger mit 2½ P.
Alles Taktik?

Tatsächlich profitierten zwei Spieler besonders von dieser Punkteteilung: Lukas Schimnatkowski (SF Essen Katernberg) und der Nordhorner CM Fabian Stotyn, die beide zum Führungsduo aufschlossen.

Edward Burdan verliert gegen
Edward Bundan verliert gegen Lukas Schimnatkowski und ist aus dem Rennen

Die Verfolger mit 3 P hatten dagegen nur noch eine theoretische Chance auf den ersten Platz. Dachte man zumindest.

Tabelle nach Runde 4

Tag 3 – Runde 5

Dramatisches Finish und keine Stichkämpfe

Manchmal erzählen Bilder mehr als Worte. Stefan Ewert, der als Internationaler FIDE-Schiedsrichter (IA-D9) nicht nur im Barenturm, sondern demnächst auch bei den Offenen Internationalen Bayerischen Meisterschaften (OIBM) seiner spannenden Tätigkeit nachgehen wird, hat eine Fotoserie mitsamt Bildunterschriften erstellt, die den letzten Turniertag gut auf den Punkt bringen.

… genauso wie in der unteren Hälfte

Die Fotogalerie beginnt mit Robin Keyser. Doch wo ist IM Kügel? Der hatte seinem Gegner  Fabian Stotyn bereits nach vier Zügen Remis angeboten, was angenommen wurde. Und dies öffnete Robin Keyser sehr weit die Turnier zum Turniersieg. Vorausgesetzt, er würde Jakob Speck (Osnabrücker SV; DWZ 1906) schlagen. Und genau dies geschah nicht. Die Partie endete mit einem Remis. Ebenso das Verfolgerduell zwischen Maximilian Jürgenpott und Norbert Lange. Stand Sonntag, 19:00 Uhr waren die SF Kügel, Keyser, Stotyn punktgleich und alle warteten, ob Tom Möller (Hagener SV, DWZ 1951) mit einem Sieg ebenfalls dem 4 Punkte-Club beitritt. Und das geschah. Möller besiegte seinen Vereinskameraden Maksym Pac in einer extrem spannenden Partie und blieb im gesamten Turnier ungeschlagen (+3 =2 -0).

Nicht ganz so dramatisch war die Partie Jürgenpott-Lange. Beide hatten ihre Chance, aber insgesamt war das Remis o.K.

Schlusstabelle TOP TEN nach Runde 5

Die vollständige Tabelle gibt es hier.

Aber was folgte? Nun, dafür gab es eine Ausschreibung: „Um den Titel des Stadtmeisters wird unter allen punktgleich erstplatzierten Spielern ein Stichkampf mit verkürzter Bedenkzeit ausgetragen.“
Nur hatte man nicht mit vier Spielern gerechnet.

Wurde der Titel verschenkt? Ein Kommentar.

„Kurz nach 21:00 Uhr erhielt die Redaktion die Mitteilung, dass Tom Möller neuer Stadtmeister sei. „Die anderen drei haben zu seinen Gunsten auf den Stichkampf verzichtet“, lautete die Erklärung.
War den Spielern der Titel egal? Ging es nur um die Preisgelder? Oder hatte man ganz einfach keine Zeit dafür und/oder keine Lust auf Stichkämpfe? Vielleicht wollten alle einfach nur nett zu einem 16-jährigen Nachwuchsspieler sein, der ein gutes Turnier gespielt hatte?
Der Verfasser dieses Berichts war nicht vor Ort. Antworten auf diese Fragen werden daher schnell zu Vermutungen, die rein spekulativ sind.

Nach zusätzlichen Recherchen gilt jedoch als gesichert, dass drei Erstplatzierte keine Stichkämpfe wollten. Der Zeitfaktor war wohl das entscheidende Kriterium. Ein drei- oder sechsrundiger Stichkampf hätte mindestens 30 bis 60 Minuten Zeit in Anspruch genommen, und das mit der Gefahr danach immer noch keine Entscheidung zu haben. Klar war jedoch, dass die Turnierleitung niemanden zu den in der Ausschreibung festgelegten Stichkämpfen zwingen konnte und wollte. Eine verzwickte Situation. Also wurde in einer mehrköpfigen Gruppe diskutiert, um zeitnah eine Lösung zu finden.

Gelöst wurde das Problem zwar nicht restlos zufriedenstellend, dafür aber nachvollziehbar. Und damit kam die bereits geplante Änderung der Ausschreibung für die nächste Stadtmeisterschaft ins Spiel.
2026 wird der beste Spieler den Titel erhalten, aber er muss entweder bei einem Osnabrücker Schachverein gemeldet sein, in Osnabrück geboren sein oder seinen Wohnsitz in der Stadt oder dem Landkreis Osnabrück haben, so Turnierleiter Niels Dettmer.
Landkreis deshalb, weil auch schon in den vergangenen Jahren Teilnehmer aus dem Landkreis Osnabrück Stadtmeister wurden. Für punktgleiche Spieler gilt die Feinwertung.
Das Ergebnis: die geplante Neufassung wurde auf 2025 vorgezogen und Tom Möller ist nun neuer Stadtmeister, weil er seinen Wohnsitz im Landkreis Osnabrück hat.

Bei Unstimmigkeiten müsse man einfach lernen, wie man es besser machen kann, so Dettmer. Deshalb wird auch die Sofia-Regel Einzug in die Ausschreibung halten. Dies bedeutet: kein Remis unter 30 Zügen. Und möglicherweise auch kein Remis ohne Zustimmung des Schiedsrichters (was seit 2009 in den FIDE-Regularien steht).

Tom Möller (Foto) wurde der Titel also nicht geschenkt. Und selbstverständlich dürfen Spieler selbstbestimmt darüber entscheiden, ob sie einen Titel oder eine Auszeichnung annehmen wollen oder nicht. Man darf aber erwarten, dass die Akzeptanz der Ausschreibung und damit der Respekt vor den Ausrichtern und dem engagierten Orga-Team nicht ignoriert wird. Immerhin kann sich jeder vor dem Turnier darüber informieren, ob ihm der Event zusagt oder nicht. Die Sorge, dass für Auswärtige die Osnabrücker Stadtmeisterschaft in Zukunft nicht mehr attraktiv ist, kann schnell beseitigt werden. Man kürt einfach den Open-Sieger und den besten Osnabrücker. Zwei Titel sind spannender als einer! Beim SV Hellern praktizieren wir dies mit großem Erfolg schon seit etlichen Jahren…“

Die Siegerehrung

Eine Zusammenfassung der Ehrungen gibt es auf der Website des Osnabrücker Schachvereins.

Und die Bilanz von drei Tagen Schach im Barenturm? Das neue Format mit fünf Runden an drei Tagen war sehr erfolgreich. Das Turnier war restlos ausgebucht und es war auch für Spieler aus anderen Bundesländern attraktiv.
Turnierleitung und Orga-Team funktionierten vorbildlich. Sehr gut war die sofortige Veröffentlichung der Ergebnisse auf chess-results-com. Bei anderen Turnieren werden die Ergebnisse zu oft und lange nach dem Rundenende online gestellt.
Stimmungsfördernd war auch das gute Catering. So war es kein Wunder, dass die Teilnehmer sich wohlfühlten, entsprechend positiv reagierten und sich nachdrücklich bei den Ausrichtern SV Osnabrück, SV Hellern und der SGO Osnabrück für das gute Turnier bedankten.

Weitere Berichte:

Fotos: © Niels Dettmer 2025, Stefan Ewert 2025