Wie stark ist die Oberliga Nord West?

Das ist eine Frage, die man immer wieder stellt. Statistische Vergleiche können bei der Antwort helfen. Am Ende aber bilden sie  nur Tendenzen eines möglichen Saisonverlaufs ab. Diese Tendenzen stimmen aber doch sehr häufig.
Kein Wunder, wenn das ratingstärkste Team 250-300 ELOs mehr auf dem Konto hat als die Aufsteiger. Für alle Teams auf Augenhöhe wird dagegen die Konstanz entscheidend sein. Wer nur selten mit Backup-Spielern aufstocken muss, wird seine sportlichen Ziele erreichen. Das allerdings kann keine Statistik vorhersehen!

 

Was kann Hellern erreichen?

Ein Blick zurück: Am Ende der Saison 2023-24 mussten Hameln, Braunschweig-Gliesmarode und Ricklingen absteigen. Unsere Mannschaft rettete sich nach einer schwachen zweiten Saisonhälfte als Sechster – der SV Hellern hatte aber nur einen Punkt mehr als die Mannschaften in der Abstiegszone. Richtig stark spielten Martin „Locke“ Hart (6 P v.7) und Jörg Stock (7½ P von 9). Sie konnten allerdings nichts verhindern, dass die letzten drei Saisonspiele „über die Wupper“ gingen.

Wiederholen soll sich das nicht. Immerhin hatte Hellern den Top-Mannschaften aus Nordhorn und Kirchweyhe ein 4-4 abgerungen. Also ging man auf die Suche nach Verstärkungen. Und man fand sie. Dazu später mehr. Aber würde das reichen, um mehr Ergebnisstabilität zu bekommen?

Wer nicht auf die letzte Runde am 14. April 2025 warten will, um dies herauszufinden, kann sich einer ELO- und DWZ-basierten Prognose bedienen. Methodisch wurden diesmal die Ratingschnitte (gesamter Kader nach ELO/DWZ) sowie die der TOP 8 (ELO/DWZ) ermittelt. Andere Parameter wie die Besetzung der Spitzenbretter oder die taktische Verstärkung der letzten Bretter wurden dabei nicht berücksichtigt.
Eins ist klar: die TOP 8-Auswertung ist die Kategorie mit der geringsten Wahrscheinlichkeit. Für die Abschlussauswertung wurde daher der ELO-Durchschnitt des gesamten Kaders herangezogen.

Fangen wir mit den beiden Aufsteigern an.

SG Osnabrück

Spektakuläre Verstärkungen sucht man unserem Nachbarverein vergebens. Der Kader hat einen DWZ-Schnitt von 2002. Etwas besser ist der ELO-Schnitt von 2034. Allerdings haben sechs Spieler keine ELO-Zahl (deshalb auch kein Æ der Top 8).
Positiv ist der DWZ-Schnitt der Top 8 mit ordentlichen 2068. Trotzdem: Unseren alten Rivalen aus Landesliga-Zeiten erwartet eine harte Saison.

SK Lehrte

Etwas besser sieht es beim zweiten Aufsteiger aus. Im Vergleich zur Oberliga-Saison 2021/22 und der Aufstiegssaison in der Landesliga Nord ist Friedmar Schirm wieder dabei. Starke Neuzugänge sucht man auch in Lehrte vergebens. Allerdings hat das Team zwei FM und einen CM im Kader. Der ELO-Schnitt: 2076. DWZ: 2067. Im Vergleich mit dem Mitaufsteiger hat Lehrte allerdings bei den Top 8 die Nase vorn: DWZ =2145, ELO: 2161.
Lehrte muss also den Kopf nicht in den Sand stecken. Der Klassenerhalt ist möglich. Auch weil man über ein halbes Dutzend sehr starker Backup-Spieler verfügt.

Delmenhorster SK

Den Traditionsverein rettete zuletzt ein halber Brettpunkt vor dem Abstieg. Den letzten sportlichen Höhepunkt erreichten die Delmenhorster in der Saison 2021/22. Der zweite Platz hinter dem Lister Turm (18 P!) ließ nicht vermuten, dass die Mannschaft Probleme bekommen würde. Tatsächlich ging es danach in Richtung Abstiegszone.
Für die neue Saison hat das Team aus dem Oldenburger Land die Aufstellung etwas umgebaut. Der ELO-/DWZ-Schnitt (2088/2042) ist nur geringfügig besser als der unseres Teams, fällt aber bei den TOP 8 deutlicher aus (2253/2218). Mit diesem Profil müsste Delmenhorst eigentlich im vorderen Tabellendrittel landen. Erst recht, wenn GM Warakomski häufiger spielt. Eigentlich.

Nun ein Sprung in die Gefilde des professionellen Schachs.

SK Kirchweyhe II

Der Vorjahresmeister erreichte nicht die 2. Bundesliga – die Mannschaft verlor nämlich überraschend den Stichkampf gegen den SC Kreuzberg (mehr über die Neugliederung der 2. Bundesliga hier). Also wieder Oberliga. Die Ab- und Zugänge der Profitruppe aus dem Landkreis Diepholz erspare ich unseren Lesern. Aber ist sie tatsächlich unschlagbar? Beinahe. In der Vorsaison hatte sie nur ein Pünktchen abgegeben – gegen die in Bestform spielenden Helleraner. Geht doch.
Die Auswertung des neuen Kaders ist auf den ersten Blick nicht furchteinflößend: ELO=2319, DWZ=2247. Brutaler ist der ELO-Schnitt der Top 8 mit sagenhaften 2446. Der DWZ-Schnitt der sieben GM plus einem IM liegt in ähnlichen Bereichen: 2428.

Kann den Profis aus Kirchweyhe überhaupt jemand das Wasser reichen? Ein Kandidat ist…

HSK Lister Turm II

Der Absteiger aus der 2. Bundesliga Nord (Vorletzter mit 3 P) wird es bei näherem Hinsehen aber dann doch nicht sein. Der Kader liegt sowohl bei der ELO- als auch bei der DWZ-Rating deutlich unter 2200 (2166/2170). Letzte Hoffnung sind daher die Top 8. Klar, mit 2280/2270 ist man dort sehr gut aufgestellt. Aber ganz ehrlich: konkurrenzfähig werden die Turm-Spieler nur dann, wenn der Favorit aus Kirchweyhe bei der Aufstellung schwächelt.

Zwischen den Top-Teams der Oberliga Nord West
und den Aufsteigern klaffen also wieder einmal Welten.

Aber wo findet der SV Hellern seinen Platz?

SV Hellern

Mit den Zugängen von FM Ewert (welcome back, Hannes!) und Jens Güting (Osnabrücker Stadtmeister 2023) hat sich das Team verstärken können, aber im Vergleich der Kaderqualität liegen wir knapp hinter Lehrte (2064/2036). Immerhin spielen an den Brettern 9 und 10 mit M. Hart und T. Lewin zwei starke Nachrücker. Die Top 8 liegen dagegen mit 2207 und 2186 über dem Level des Aufsteigers Lehrte. Trotzdem darf sich Hellern nicht zu viele Ausfälle erlauben.
Prognose: der SV Hellern wird mit einem konstant spielenden Kader die Chance auf einen Platz im Mittelfeld bekommen.

Schauen wir uns nun die Mannschaften an, die genau dies Jahr für Jahr mit großer Zuverlässigkeit erreichen.

SK Blanke-Nordhorn

Im eigenen Spiellokal konnten wir den sympathischen Weser-Ems-Konkurrenten gelegentlich bezwingen. In der Vorsaison gab es sogar auswärts ein achtbares 4-4. Schaut man auf die Zahlen, dann präsentiert sich Nordhorn aber als der stärkere Verein. Kader ELO/DWZ=2135/2133. Das ändert sich auch nicht bei den Top 8: 2268/2257.
Die größte Qualität der Nordhorner ist aber die hohe Anzahl von starken Backup-Spielern. Schachspieler, die bei einigen Oberliga-Vereinen garantiert Stammspieler wären. Es wird also wieder spannend, denn Nordhorn ist unser erster Gegner. Der Wettkampf wurde auf Wunsch des SV Hellern auf den 6. Oktober vorverlegt.
Mein Tipp: Nordhorn wird in der aktuellen Saison Zweiter.

Post SV Uelzen

Der Vorjahresdritte zockte uns in der letzten mit einer 6½-1½-Klatsche kräftig ab. Für die neue Saison blieb es beim alten Kader, der sowohl beim Schnitt (2051/2017) als auch bei den Top 8 (2104/2098) eher den Aufsteigern zuzuordnen ist. Allerdings scheint Uelzen taktisch aufgestellt zu haben. So ist der starke Dr. List (ELO 2233) an 9 gemeldet.
Ob Uelzen die Vorjahresleistung abrufen kann (sechs Wettkampfsiege)? Prognose: die Statistik sollte man nicht zu hoch hängen. Uelzen wird wieder im oberen Tabellendrittel landen.

SK Union Oldenburg

Oldenburg überzeugte in den letzten Jahren durch Konstanz: eine Mannschaft, die meistens auf Platz 4 oder 5 landet. Der Kaderschnitt (2120/2092) ist ebenso guter Durchschnitt wie der, den die TOP 8 (2199/2193) zu bieten haben. Zudem besetzt Oldenburg wie immer die letzten Bretter stark und die Backup-Spieler sind es auch.

SV Werder Bremen III

Bei den Bremer Teams weiß man nie, in welcher Aufstellung sie antreten. Einige Spielen werden in 3. Mannschaft geparkt und spielen sich oben schnell fest. Der Einsatz von Ersatzspielern ist daher recht hoch. Interessant wird in der neuen Saison auch die Frage, ob GM Fish an Brett 1 überhaupt antreten wird. Man wird es sehen. Etwas bleibt aber beim Alten: die Vorbereitung auf die Bremer ist wie das Würfeln – nicht vorhersehbar.

Eine Prognose ist daher kaum möglich. Aber mit einem GM, einer WGM, einem IM, zwei FMs und einem CM sollte es für die Werderaner wieder für sicheren Mittelplatz reichen. Kader-Schnitt: 2165/2180. TOP 8: 2257/2261.

Fazit: Der SK Kirchweyhe wird souverän Meister.

Den Top-Favoriten zu erkennen ist keine Raketenwissenschaft. Kniffliger geht es im Mittelfeld zu. Mannschaften wie der Lister Turm, NOH-Blanke, Bremen III und Oldenburg werden wahrscheinlich in der oberen Tabellenhälfte landen.
Gespannt sein darf man auf das Abschneiden von Uelzen, aber auch Aufsteiger Lehrte und der Delmenhorster SK können für Überraschungen sorgen. Das gilt auch für den SV Hellern, der durchaus 9-10 Punkte holen kann. Mehr als Platz 5 wäre allerdings eine faustdicke Überraschung.
Aber warum soll sie nicht gelingen?