Am 12. Juli veröffentlichte die Süddeutsche Zeitung eine dpa-Meldung mit möglicherweise wegweisendem Inhalt: Die 15 Vereine der Schachbundesliga hatten einstimmig die Verlängerung der unterbrochenen Saison beschlossen. Was in den anderen Ligen geschehen soll, ist derzeit unklar. Update
Nicht alle Fragen werden beantwortet
Stefan Ewert hatte es am Sonntag als Erster entdeckt: Die Schach-Bundesliga wird bis Frühjahr 2021 verlängert!
Die einschlägigen Websites hielten sich zunächst bedeckt. Mit der Verlängerung der Saison hatte sich ein Modell durchgesetzt, das bereits vorgeschlagen worden war, dann aber verworfen wurde. Nun stellt sich die Frage, welche Gründe für die aktuelle Entscheidung ausschlaggebend waren.
Entscheidend war wohl die Sorge einiger Vereine, wegen möglicher Reisebeschränkungen und anderer Hemmnisse kein wettbewerbsfähiges Team zusammenzubringen. Damit war der Vorschlag des deutschen Meisters OSG Baden-Baden vom Tisch, die ausstehenden sieben Runden im September zentral auszutragen. Offen sind noch sieben Spieltage der seit Oktober 2019 laufenden Saison. Nun sind die drei letzten Runden der Schachbundesliga für Mai 2021 zentral in Berlin geplant.
Und die anderen Ligen? Klar ist derzeit nur, dass nichts klar ist
Sehr interessant ist der Vorschlag, in einem Ersatzturnier einen deutschen Mannschaftsmeister 2020 zu ermitteln. Der Meister aus dem Badischen dürfte zumindest an einem Brett keine Personalsorgen bekommen, denn in einem Ersatzturnier dürfte der Ex-Weltmeister Viswanathan Anand zum Zuge kommen. Der für den OSG Baden-Baden spielende Schachgroßmeister sitzt wegen Corona in Deutschland fest, weil ihn niemand nach Indien fliegt.
Nachtrag: Wie erwartet blieb eine Reaktion auf die aktuelle Entwicklung nicht aus. Noch am Montag griff Michael S. Langer zum Federkiel und feuerte in „Langers Logbuch“ eine breite Salve auf den eingetragenen Verein „Schachbundesliga“ ab. Schlussendlich forderte der Präsident des Niedersächsischen Schachverbandes die Rückführung der Profiliga in die Obhut des Deutschen Schachbundes. Der hat mit seinen Vertretern im e.V. sowie allen Bundesligavereinen aber just dem aktuellen Vorschlag zugestimmt: gens una sumus.
Inwieweit dies realistisch ist, mag jeder selbst beurteilen. Aber Langer ist – wohl zu Recht – nicht der Einzige, der nicht akzeptieren kann, dass eine zu Marketingzwecken gegründete Profiliga über ihr Kerngeschäft selbst entscheiden will, dabei aber nicht erkennen lässt, dass man ein Konzept für die nachrangigen Ligen und die (potentiellen) Aufsteiger benötigt. Und tatsächlich sucht man danach vergeblich.
Ich möchte dies nicht weiter kommentieren, mir fehlen für eine Expertise die Kenntnisse. Liest man aber in den Foren nach, was der gemeine Schachfreund denkt und fühlt, so wird klar, wo es drückt: Viele verstehen einfach nur Bahnhof. Das ist wenigstens ehrlich.
Ein Sonderevent entscheidet über den Meister
Mittlerweile hat auch der Deutsche Schachbund versucht, etwas Licht ins Dunkel zu bringen. Aber der Bund griff nicht selbst zum Federkiel, sondern veröffentlichte eine Presseerklärung der Schachbundesliga e.V.
Zu lesen ist dort, dass in einem „Sonderevent“ der Deutsche Mannschaftsmeister 2020 in der zweiten Septemberhälfte ermittelt werden soll. Ein passendes Hygienekonzept wird bereits mit den zuständigen Gesundheitsbehörden entwickelt.
Und wer darf mitmachen? „Die Teilnahme aller Spitzenvereine der höchsten deutschen Spielklasse wird angestrebt.“ Also eine Koalition der Willingen. So eine Koalition hat es schon einmal gegeben, sie kämpfte bekanntlich gegen die „Achse des Bösen“ und ihre historischen Nachwehen waren beachtlich. Aber ich will den Teufel nicht an die Wand malen.
Offen gesagt: Ich bin gespannt. Persönlich bin ich eher an der epidemiologischen Debatte interessiert, die sich vorrangig mit der Gesundheit der Schachspieler und der Fürsorge für sie beschäftigt. Und diese Debatte wurde von der Bundesspielkommission am 23.6. auf folgenden Punkt gebracht: „Die exakte Planung hängt aber vom weiteren Covid-19-Pandemieverlauf und den daraus resultierenden gesetzlichen Restriktionen ab.“ So ist es. Im Moment regiert der Konjunktiv. Warten wir lieber auf die Fakten.