Die Niedersächsischen Landesmeisterschaften mausern sich immer mehr zu dem Mega-Event des neuen Jahres. SVHler, die früher weit reisten, um zum Jahresbeginn ein starkes Open zu spielen, haben umgebucht. Kein Wunder, das Gute liegt ja vor der Haustür. Auch in diesem Jahr war Verden ein gute Adresse, alle waren nach Turnierende begeistert von der tollen Ausrichtung. Nur am Rande: Auch sportlich gab es das eine oder andere zu berichten.
Vom 3. – 6.Januar 2016 wurden das Meisterturnier (20 Teilnehmer), das A-Open (83), das B-Open (88) und das C-Open (71) in Verden ausgetragen. Mit anderen Worten: Über 260 Spieler mussten turnierlogistisch betreut werden. Das klappte, Veranstalter und Ausrichter leisteten außergewöhnlich gute Arbeit. Die Spielbedingungen waren perfekt und online gab es täglich Live-Übertragungen, bei denen nicht nur Partien aus dem Meisterturnier übertragen wurden. Es war wirklich spannend! Turnierveteran Martin „Locke“ Hart, der wirklich sehr viel gesehen hat, schob das eine oder andere Kurzremis ein – um lieber zu kiebitzen. Es habe einfach Spaß gemacht, an den anderen Brettern zu schauen, was los ist, stellte er fest. Und: wirklich jeder habe einen eigenen Tisch gehabt. Einen großen! Ich weiß, was er meint, und ich erinnere mich ungern an ähnliche Veranstaltungen aus den 1980er Jahren. Da saß man noch auf Stühlen, die für Erstklässler gezimmert waren.
16 Teilnehmer aus unserem Verein waren am Start. In allen Turnierkategorien. Es gab ja neben Geld- und Sachpreisen viel zu holen, zum Beispiel die Qualifikation für das Meisterturnier. Laut Ausschreibung dürfen die ersten Sechs des A-Open ‚eins höher‘.
Sehr spektakulär war Daniel Prenzlers Sieg im Meisterturnier. NSV-online schrieb von einem „Herzschlagfinale“. Das war es auch. Wir gratulieren Daniel zu diesem Erfolg. Daniel hat mittlerweile unseren Verein verlassen und sucht neue Herausforderungen. Wir wünschen ihm viel Glück und Erfolg dabei.
Um so interessanter war natürlich das Abschneiden unserer beiden Rokkies Hannes und Thorben. Und üblicherweise würde ein Bericht auch mit den Topspielern beginnen. Dieser aber nicht. Ich habe dem Schema F Adieu gesagt und mich auf die Suche nach den heimlichen Siegern begeben. Und das sind oft die Aktiven, die häufig am Ende eines Artikels landen. Manchmal unter „ferner liefen“. Dabei haben sie oft Tolles geleistet – wenn man genauer hinschaut. Das tun wir einfach mal. Deshalb wird es über die LEM zwei Beiträge geben.
Der zweite Teil heißt „Die Talente“, den Inhalt werde ich nicht spoilern..
Der erste Teil heißt:
Die DWZ-Sieger
Joe Santos und Andre Böhme legten gewaltig zu.
Joes statte +69 sind auch deswegen so beeindruckend, weil er ohne Null durchs Turnier kam. Rang 4 mit +4 =3 -0 im Open B sind auch angesichts der Performance von fast 2000 ein Beweis dafür, dass man von einem guten Start getragen werden kann. Joe legte wie die Feuerwehr los und holte aus den ersten vier Runden 3,5 Punkte. In Runde 2 wurde sein Gegner Dieter Stummmeyer (SG Garbsen/Marienwerder) bereits in der Eröffnung überrollt.
Stummeyer (1746) – Santos (Runde 2)
Statt des unvermeidlichen 14.dxe5 glaubte Joes Gegner, das Zentrum mit 14.c3 halten zu können. Wie dies innerhalb weniger Züge zu einer Verluststellung führte, kann man hier nachspielen.
Als noch stärker schätze ich allerdings Joes Sieg in Runde 4 ein. Sein Gegner Georg Merettig (SC Caissa Wolfenbüttel) wurde später Elfter – und verlor nur gegen unseren Jugendchef. Merettig spielte als Weißer einen Spezialaufbau von Zvonimir Mestrovic. Den habe ich 1986 mal gegen „Locke“ ausprobiert und durfte anschließend für den halben Zähler dankbar sein. Danach geisterte das Ganze nur noch selten durch den Verein. Auch Joe reagierte völlig humorlos auf den theoretischen Paradiesvogel und zeigte sich theoretisch bis an die Zehenspitzen vorbereitet.
Merretig (1746) – Santos (Runde 4)
Weiß spielte hier 20. Se6?, was im höheren Sinne die Partie kostet. Warum wohl?
Indes wurde es noch mächtig spannend und Joe musste noch einmal eine Schippe draufpacken. Bitte nachspielen. Nach Runde 4 lagen die die spätere Siegerin Madita Mönster (SK Wildeshausen) und Joe einen halben Punkt hinter Stefan Zucker und Ralf Kaßner, die beide 100% geholt hatten. Madita legte dann einen energischen Schlussspurt hin, Joe eigentlich auch, aber zwei Remise in Runde 5 und 6 reichten nicht, um Platz 1 zu erreichen. In der letzten Runde musste Joe gegen Michael Jäkel (Schach-Drachen Isernhagen) alles auf eine Karte setzen, um in den Geldrängen zu bleiben:
Santos – Jäkel (1723) (Runde 7)
„Letzte und entscheidende Partie im Turnier, ob es für einen Platz in den Top 7 (Geldränge) ausreicht. Schwarz macht Druck am Damenflügel (Diagramm 1). Mein Plan lautet: im Zentrum kontern und öffnen. 10.Se5 Sxe5 11.dxe5 Sd7 12.Dg4 g6 13.exd5 h5 14.De2 exd5 15.e6 Sf6 16.exf7 Kf7 17.Sf3. Acht Züge später (Diagramm 2): Ziel erreicht, Königsstellung sieht sehr luftig aus. Weiß hat positionellen Vorteil und gewinnt auch später“ (Santos). Partielink.
Fazit: Tolles Turnier, geteilter 2. – 4. Platz (Vierter nach Feinwertung), eine enorme Rating-Verbesserung – und Joe ist der fiese Taktiker geblieben, so wie ich vor über 10 Jahre in unserer tollen Zweiten erlebte, die damals um ein Haar in die Landesliga aufgestiegen wäre.
Andre Böhme ging im schweren Open A an den Start. Am Ende wurde er leider nur 30. (+3 =2 -2), obwohl er mit 3 P v. 4 optimal ins Turnier starten konnte. Die Niederlagen gegen Thorben Weist und Lara Schulze in den Runden 5 und 6 verhinderten eine bessere Platzierung. Aber Andre brachte mehr als 47 Rating-Punkte und eine Performance von fast 2000 mit nach Hause. Er hatte auch gute Partien im Gepäck. In Runde 4 erwischte es Karsten Bertram (Hagener SV).
Bertram (1946) – Böhme (Runde 4)
Unser Nachbar aus Hagen hatte den vom c-Bauern angegriffenen Läufer von d4 nach e5 gezogen. Hatte er 13.Lxf6 Lx6 14.exd5 übersehen? Wie auch immer: Andres Konter ist sehenswert, gewinnt er doch quasi auf der Stelle. Natürlich gab Bertram nicht auf, sondern begann zu tricksen. Nicht mal übel, wie man hier sehen kann. Aber Andre blieb cool und sackte den Punkt ein.
Vor der letzten Runde war Andre dann in den Untiefen des Mittelfelds verschwunden. Er musste handeln. Sein Gegner Dr. Irmin Meyer (SV Werder Bremen) hatte aber die gleichen Beschwerden und fuhr so schwere Geschütze auf, dass ich keine müde Mark mehr auf Andre gesetzt hätte. Pech für mich, ich hätte wohl einen fetten Gewinn eingestrichen.
Meyer (1932) – Böhme (Runde 7)
Der Bremer hatte sich mit 47. Kh6 tief in die gegnerische Stellung hingewagt. Im Endspiel ist der Wanderkönig eine Macht. Moment mal, wir sind ja nicht im Endspiel, wir sind mitten in einem Mattangriff! Glauben Sie nicht, lieber Leser? Dann schauen Sie mal hier den Zug an, den Schwarz entkorkte.
Dies war Teil 1 unserer Nachlese über die ‚heimlichen Sieger‘. Natürlich haben auch andere Vereinskameraden gut zugelangt, aber von einigen wird im zweiten Teil die Rede sein. Da geht es dann um die Talente.