Happe Birthday, Reinhold

Am 24. Juli wurde Reinhold Happe 60 Jahre alt. Für den SV Hellern hat er viel erreicht – auch Titel. Zum Beispiel den Gewinn des Niedersächsischen Dähne-Pokals. Im Fernschach war er Spitzenspieler des Teams, das die Deutsche-Pokal-Mannschaftsmeisterschaft gewann. Seine größte Leistung: die unbedingte Treue zum Verein. Ein Vierteljahrhundert lang fuhr Reinhold vom Ruhrgebiet nach Osnabrück (und zurück), um für die 1. Mannschaft zu spielen. Reinhold, wir sind froh, dass wir dich haben!
Im folgenden Interview erklärt Reinhold, warum er ein Hellaner ist.

Schachfamilie: viele Menschen, mit denen ich gerne Zeit verbringe!

Begeisterung und ein Schnappschuss aus der Hüfte…Sieg im Derby gegen Nordhorn-Blanke

Frage: In unserem Archivband zum fünfzigjährigen Bestehen der Schachabteilung steht, dass Du bereits 1998/99 in der Verbandsliga für unsere Erste gespielt hast. Hinter Carsten zur Brügge und Christian Fiekers am dritten Brett. Wie lange spielst Du tatsächlich für den SV Hellern? Und was gefällt dir bei uns am meisten?

Reinhold Happe

Ich bin zur Saison 1989/90 zum SV Hellern gewechselt. Maßgeblichen Einfluss daran hatte Frank Schumacher, der wie ich in Münster studierte. So trafen wir uns hin und wieder bei Turnieren und als ich mein Interesse signalisierte, empfahl er mir den SVH. Meine ersten schachlichen Erfahrungen auf Vereinsebene verdanke ich aber unserem Nachbarverein aus Gaste-Hasbergen, für den ich seit 1982 spielte. Dort wurde meine Begeisterung für das Schachspiel gerade als Teamsport gefördert und entwickelt.

Aus sportlicher Sicht war der Wechsel nach Hellern für mich eine neue Herausforderung, da ich mehrere Klassen höher spielen konnte. Damals habe ich mir allerdings nicht vorstellen können, noch 36 Jahre später schachlich hier zuhause zu sein, zumal meine Wohnorte (Münster, Paderborn, Duisburg) sich immer weiter entfernten.

Mannschaftsfoto: 1995. h.v.l.n.r.: Zur Brügge, Hentschel, Peistrup, Schumacher, Happe; vorne: Dr. Thal, Kuchemüller, Bade

Was macht also die Magie des SVH aus? Für mich sind dies viele Menschen, mit denen ich gerne Zeit verbringe. Einzelne Namen aufzuzählen, wäre ungerecht. Die Liste würde sehr lang werden. Außerdem bin ich einfach eine treue Seele und die jährliche Frage, ob ich noch ein Jahr weitermache, beantwortet sich meistens von selbst. Dafür danke ich meiner Schachfamilie beim SVH.

Frage: Was Dich auszeichnet, ist die Vereinstreue. Dazu gehören auch an Spieltagen Deine Fahrten von Duisburg nach Osnabrück. Und bei Auswärtsspielen gibt es noch einen Nachschlag. Wie oft bist Du eigentlich hin- und zurückgefahren?

Antwort: In der Schule war Mathe zwar mein Lieblingsfach – das auszurechnen wäre aber eher kontraproduktiv. In Duisburg lebe ich seit über 20 Jahren. Pro Saison kann man vielleicht 7-8 Spiele zugrunde legen (abgesehen von der Corona-Zeit). Ab jetzt darf jeder selbst weiterrechnen. Ob sich das gelohnt hat? Welch absurder Gedanke bei einem Hobby. Wenn ich kein absoluter Schachenthusiast wäre, würde ich meine Zeit wohl anders verbringen.

Mannschaftsfoto 2006: h.v.l.n.r.: Happe, Böhme, Hart, Niendieker, Stock; vorne: Kovermann, Bade, Röhrich

Frage: Mit 60 Jahren spielen viele nicht mehr auf Top-Niveau. Du hingegen gehst in das 11. Jahr Oberliga. Wie machst Du das? Ist es mentale Fitness, akribisches Training oder gute Technik? Oder hütest Du ein Erfolgsgeheimnis?

Das Schöne an einem Geheimnis ist, dass ich es niemanden erzählen darf. Nur soviel: Als ich mich dem Schach als meinem Hobby verschrieben habe, war immer auch die Hoffnung damit verbunden, eine Freizeitbeschäftigung gefunden zu haben, die ich nicht mit Mitte 30 aufgeben muss, sondern länger betreiben kann.

Aufstiegsteam Oberliga 2014. h.v.l.n.r.: Bade, Hummel, IM Lingnau, Happe, Röhrich, Stock; vorne: Niendieker

Ich bin in Zeiten groß geworden, in denen Viktor Kortschnoi als 50-Jähriger 1981 im Finale der Schach-WM stand und 2006 im Alter von 75 Jahren noch Seniorenweltmeister wurde. Dieses Top-Niveau hatte ich nie und werde ich auch nicht mehr erreichen. Trotzdem spiele ich immer noch gerne Schach und kann jetzt mit immenser Erfahrung angeben.

Frage: Ich habe mal bei Lichess nachgeschaut: im Schnellschach hast Du etwa 7000 Partien gespielt und eine EL0 von 2200. Im Blitzen sind es 40000 Partien (sagenhaft!) und eine ELO von 2250. Was spielst Du am liebsten: normales Schach oder den Online-Teamkampf bei Lichess? Oder gar Fernschach?

Alles hat seine Reize. Beim Online-Zocken ist vieles einfach nur Quatsch, d.h. ohne echte Berechnung gespielt – macht zur Entspannung trotzdem Spaß. Leider gibt es immer noch Spaßbremsen, die meinen durch den Einsatz von Engines ihr Ego aufblähen zu müssen.
Der Vorteil beim Onlinespiel ist aber, dass man es immer und überall spielen kann: morgens, mittags, abends, nachts, zu Hause, unterwegs (in der Bahn), im Urlaub. Einfacher geht es nicht.

Fernschach war jahrzehntelang meine große Leidenschaft, ist jetzt durch die superstarken Engines dem Remistod ausgeliefert, was ich sehr bedauere, da ich mich gerne an die Analyseschlachten gerade in Mannschaftswettkämpfen erinnere und gerade auch mit dir, Otto.

Deshalb bleibt Schach am Brett das einzig wahre Schach.

2005/2007: Deutscher Mannschafts-Pokalsieger 2012. v.l.n.r.: Dr. Thal, Stock, Röhrich, Happe

Früher habe ich übrigens im Sommer auch sehr gerne Freischach gespielt. Nur zu gerne erinnere ich dabei an die legendären Turniere bei meinem Herkunftsverein Gaste-Hasbergen, an denen auch Hajo Bade und Eddy Hentschel teilgenommen haben. Hier feierte ich meine längste Siegesserie im Schach als 9- oder 10-facher Seriensieger 😉

Frage: Kurz zurück zum Blitzen. Verteilt man die Anzahl der Partien auf sechs Jahre (so lange bist Du bei Lichess), dann wären das 18,5 Partien pro Tag! Wann spielst Du eigentlich? Nachts?

Die Corona-Zeit hat die Quote enorm in die Höhe getrieben. Die Zahlen überraschen trotzdem. Betrachtet man aber einen Mannschaftsspielabend, der von 20 Uhr bis 21.40 Uhr geht und zweimal die Woche stattfindet, spiele ich dort meine tägliche Dosis. Zudem eignen sich auch meine täglichen Zugfahrten von Duisburg nach Dortmund und zurück für die eine oder andere Partie. Ärgerlich sind nur die zahlreichen Verluste durch WLAN-Störungen …

Und zur Beruhigung: nachts schlafe ich.

Letzte Frage: Es wäre töricht, Dich nicht nach Deinen drei besten Partien zu fragen. Du darfst auch gerne fünf nennen. Welche sind es? Und vergiss‘ nicht: Sie werden alle auf unserer Website landen!

Ich verstehe „beste Partien“ als Partien, die einerseits besonders schön und andererseits auch bedeutsam für mich waren. Deshalb erkläre ich meine Auswahl kurz.

Kortschnoi-Happe (Simultanpartie gegen den Vize-Weltmeister):

Dies war für mich die erste Partie gegen einen GM und dann noch gegen die Legende Viktor Kortschnoi, der im Kalten Krieg gefühlt gegen das ganze sowjetische Schachimperium kämpfen musste. Einen Sieg in einer Kurzpartie hatte ich nicht für möglich gehalten.

Baumbach-Happe (Fernschachpartie gegen den Fernschach-Weltmeister):

Gegen den ehemaligen Fernschach-Weltmeister antreten zu können, war schon eine Ehre. Und dann noch seine eher experimentelle Eröffnungswahl zu demontieren -das war die Krönung.

Happe-Gellrich (Oberliga):

(Anm. d. Red.: Reinholds Wunschpartie ist verschollen. Gesucht wird immer noch. Als Platzhalter präsentieren wir daher eine der schönsten Angriffspartien der letzten Oberliga-Saison!)

Happe-Horn (Dähne-Pokal, Halbfinale):
Dähne-Pokalfinale 1991: Winkelmann (r.)-Happe

Der Sieg im Niedersächsischen Dähne-Pokal war ein besonderer Erfolg für mich. Dabei den nominellen Favoriten im Halbfinale in einer Glanzpartie zu besiegen, kam für mich völlig überraschend. Und für meinen Chauffeur Otto auch, der das Spiellokal für einen anderen Termin kurz verlassen hatte und bei seiner Rückkehr feststellte, dass die Partie bereits beendet war.
(Anm. d. Red.: Das Halbfinale gegen den Top-Favoriten aus Braunschweig war der sportliche Höhepunkt des Wettbewerbs).

Stotyn-Happe (Oberliga):

Eine aktuelle Partie aus der Oberliga darf natürlich nicht fehlen und die Wettkämpfe gegen die Nordhorner sind legendär, sodass der Spielleiter sie seit Jahren immer in Runde 1 ansetzt.

Reinhold, ich danke dir für das Gespräch. Nur am Rande: nach Braunschweig bin ich als Fan gefahren. Funktionell war ich Chauffeur. Aber dieser Berufsstand fiebert normalerweise nicht mit, wenn der Chef sich sportlich betätigt. Ich dagegen werde dein Fan bleiben – so, wie es sich für einen guten Chauffeur gehört.

Fotos: © Hellern-Archiv