Wieder mal am Tabellenende. Das ist ärgerlich, denn mit ‚voller‘ Kapelle sind die Derbys zwischen der Grafschaft Bentheim und dem Osnabrücker Land immer spannend und gehaltvoll. Mit dem letzten Aufgebot kann man beim Schachklub Nordhorn-Blanke nichts entwenden, sich aber herorisch wehren. Was in Teilen gelang. Nicht nur davon berichtet Jörg Stock in seinem Gastbeitrag.
Das 6. Mal in Folge zum Auftakt gegen den Bezirksrivalen
Wow! Was für ein Zufall, würde der naive Laie sagen, der den fairen Sportsgeist im Herzen trägt. Ein Neuntel hoch 6 ist die Wahrscheinlichkeit dafür, also 0,00019% oder anders gesagt: So was passiert nur zweimal in einer Million Jahren.
Der misstrauische Realist, der im Menschen das faule Gewohnheitstier sieht, dürfte dagegen wohl eher dem Insider Glauben schenken, demnach der Turnierleiter im Spielplan nur Auf- und Absteiger und das Heimrecht tauscht. Spielen die Nordhorner und wir auch nächstes Jahr Oberliga, wofür das LigaOrakel die Wahrscheinlichkeit bei fast 90% sieht, dann läge die Wahrscheinlichkeit für ein erneutes Wiedersehen in der 1. Runde in der ersten Variante bei 11%, in der Zweiten dagegen bei 100% und das würde sich dann zumindest zu Lebzeiten des Turnierleiters wohl auch nicht mehr ändern.

Aber Spaß beiseite. Beschäftigen wir uns mit dem sportlichen Teil. Wie schon seit Wochen feststand, mussten wir drei Stammspieler aus der oberen Hälfte des Tableaus ersetzen.
Unser neuer Mannschaftsführer Jürgen Grosser hatte aber bereits frühzeitig für starken Ersatz gesorgt. Dennoch musste am Spieltag nochmal kurzfristig umdisponiert werden. Kurioserweise fehlten beim Kontrahenten auch die Bretter 1, 3 und 4 der Stammbesetzung, sodass eine Vorbereitung eigentlich einfach gewesen wäre.
Was Ersatz angeht, können die Nordhorner traditionell aus dem Vollen schöpfen. Zudem präsentierten sie mit dem 15-jährigen Jan Holtwessels ihre neue Geheimwaffe. Letztlich waren wir an allen Brettern nominell schwächer aufgestellt, mal mehr, mal weniger. Laut Arpad Emrick Elo durften wir mit 2,8 Brettpunkten rechnen. Aber der Reihe nach.
Guter Start mit zwei Remisen
An Brett 4 durfte ich wie im Vorjahr gegen Timo Oehne ran, bereits das 4. Mal in den letzten 10 Jahren. Nachdem ich im Vorjahr recht früh einen Bauern wegstellte und danach ziemlich chancenlos unterging, wich mein Gegner im 9. Zug von der Vorjahrespartie ab. Nach ein-zwei Ungenauigkeiten auf beiden Seiten verlief die Partie im Gleichgewicht und trotz noch vollem Brett wurde im 22. Zug Remis vereinbart.
Ähnlich kurz lief es am 7. Brett in der Partie von Hajo Bade gegen Hans Plasmann. Hier konnte Hajo zwar eine gewisse Aktivität entwickeln, aber Schwarz verteidigte sich aufmerksam und so einigte man sich nach 21 Zügen auf Remis. Womit Stockfish nicht zufrieden war…
An Brett 8 kam es zum Nachwuchsduell zwischen dem bereits genannten Jan Holtwessels und unserem Manuel Kamps, der ganz kurzfristig eingesprungen war. Dafür nochmals herzlichen Dank.
Mut und Leidensfähigkeit kann man Manuel wahrlich bescheinigen, griff er doch in der Eröffnung nach einem geopferten Bauern, um anschließend eine passive Stellung mit Dame in prekärer Lage zäh zu verteidigen. Irgendwann wurde aus dem strategischen Manövrieren eine hoch taktische Stellung. Und hier passieren erfahrungsgemäß Fehler, so auch in dieser Partie. Der Nordhorner ließ eine Gewinnmöglichkeit aus und plötzlich stand Manuel mit Turm, zwei Leichtfiguren und einem Triplebauern gegen die weiße Dame da. Leider stellte er in der Folge einen angegriffenen Springer nach d7 statt c8 und mit einer taktischen Pointe stand er vor der Wahl, Matt zu werden oder Springer und Turm zu verlieren. Aber auch andernfalls wäre es angesichts knapper Bedenkzeit nicht leicht geworden, allerdings für beide Seiten.
Im „Holländerduell“ spielte Locke Hart mit den schwarzen Steinen zunächst abwartend und auf Chancen lauernd. Der Gegner spielte jedoch solide und kontrolliert, so dass es schließlich Locke war, der zu aggressiv fortsetzte und die Schwächung seines Königs zuließ. Der Nordhorner wehrte in der Folge noch ein paar Schummelversuche ab und gewann die Partie dann recht sicher auf taktische Weise.
Die Partie des Tages

Somit stand es bereits 1:3. Dann keimte noch mal kurz Hoffnung auf. Reinhold Happe hatte bereits vor einigen Jahren gegen Fabian Stotyn eine starke Partie gewonnen und auch diesmal konnte er mit einem Zentrumsvorstoß eine aussichtsreiche Stellung erreichen.
Nach einigen ungenauen Zügen des Schwarzen konnte er die gegnerische Königsstellung zerstören und einen Mattangriff starten. Dieser führte zunächst zu einem Qualitätsgewinn und schließlich tatsächlich zum Matt. Aus unsere Sicht zweifellos die Partie des Tages.
Die WM-Partie zwischen Kasparov und Karpov gibt es hier.
Eine verdiente Niederlage
Nun spielten noch die ersten drei Bretter. Aber leider mussten sich alle drei mit schlecht stehenden Endspielen herumschlagen. Eine Aussicht auf noch 2 Punkte bestand realistischerweise nicht mehr.
Jens Güting hatte seinen Gegner in der Eröffnung mit einer Nebenvariante in der französischen Verteidigung vielleicht etwas überrascht. Dieser reagierte aber gut und konnte eine solide Druckstellung aufbauen, während Jens Schwierigkeiten mit der Entwicklung seines Damenspringers behielt. Als die Partie ausgeglichen zu werden drohte, opferte Weiß vorübergehend einen Bauern, bekam dafür aber einen aktiven König, der die Partie letztlich entscheiden sollte.
Holger Lehmann versuchte mit den weißen Steinen sehr aggressiv den Aufbau seines Gegners zu attackieren, allerdings auf Kosten struktureller Bauernschwächen. Nachdem es zum Damentausch kam, konnte Schwarz in der Folge gegen diese Schwächen spielen, gewann einen Bauern und trotz zäher Gegenwehr letztlich sicher die Partie.
Am Spitzenbrett musste sich Ingo Gronde erneut mit Frank Kroeze auseinandersetzen. In einer zunächst ruhigen Caro-Kann-Variante, in der Ingo teilweise auf Nebenzüge setzte, verschärfte sich die Lage, nachdem Schwarz kurz rochierte und Ingo einen Bauernsturm begann. Der Nordhorner hatte allerdings eine Riposte vorbereitet, die zum Damentausch führte. Eventuell wäre es chancenreicher gewesen, die Damen auf dem Brett zu belassen, allerdings versprach sich Ingo auch ohne Damen noch Angriffschancen am Königsflügel. Schwarz konnte zunächst geduldig alle Drohungen parieren und setzte dann plötzlich zur Gegenoffensive an. Danach wendete sich das Blatt und Ingo musste zwei Leichtfiguren für Turm und Bauer geben.
Das entstandene Endspiel behandelte der IM dann gewohnt stark und geduldig und führte die Partie zu einem schönen Matt. Überhaupt muss man die Endspielleistungen der holländischen Nordhorner an den Spitzenbrettern anerkennend würdigen.

Insgesamt zweifellos, auch in dieser Höhe, eine verdiente Niederlage. Damit sind wir zunächst einmal Tabellenletzter. Im nächsten Kampf gegen Aufsteiger Braunschweig ist damit schon ein gewisser Druck zu spüren. Vor zwei Jahren gab es eine 2:6 Klatsche.
Jörg Stock
Anm. d. Red.:
In Runde 1 gab kaum Überraschungen. Nur eine: Trotz nomineller Unterlegenheit an sieben Brettern trotzte Aufsteiger SV Osnabrück den Gästen aus Lehrte ein Unentschieden ab. Glückwunsch, guter Start!
Am ersten Punktverlust schrammte der HSK Lister Turm II vorbei. Bei Werder Bremen 3 gab es nur deshalb ein 4-4, weil die Turm-Spieler an den Brettern 5-8 insgesamt 3 Punkte holte.
Auch Aufsteiger Braunschweig-Gliesmarode hatte hinten Probleme: ½ P aus vier Partien war zu wenig, um im ersten Heimspiel etwas zu holen. Der Delmenhorster SK gehört allerdings zu den Aufstiegskandidaten. Das 6-2 der Gäste war daher keine Überraschung.
Erneut sehr diszipliniert waren die Oldenburger, die vollständig antraten und mit einem 4½-3½ gegen Post Uelzen belohnt wurden.
Hellern 1 spielt am 19. Oktober um 11:00 Uhr gegen Braunschweig-Gliesmarode.
Fotos: © Hellern-Archiv