Hellern 4 zu Gast bei der Reserve des SV Veldhausen. Nach dem freiwilligen Rückzug unseres Teams aus der Bezirksliga durfte man einen Sieg erwarten. Daraus wurde nichts, denn personell gebeutelt trat die Vierte nur mit sieben Spielern an. Auch das hätte reichen können, aber tagesaktuell präsentierte sich die Mannschaft nach langer Corona-Pause eher unentschlossen und fahrig. Mehr im Gastbeitrag von MF Niels Dettmer.
Euphorie – Frust – Spannung – Erleichterung
Ein Mannschaftsführer durchläuft mehrere emotionale Phasen in der Woche vor dem Mannschaftskampf und natürlich auch während des Wettkampfes. Am vergangenen Samstag hatten wir unseren ersten Mannschaftskampf auf Bezirksebene nach 18 Monaten Abstinenz. Infolgedessen war ich natürlich euphorisch und heiß, endlich wieder an einem richtigen Brett mit richtigen Figuren in einer Schachpartie um Punkte spielen zu können. Wofür bin ich sonst Mitglied in einem Schachverein?
Dann kam der Frust der Absagen. Wie bei Robert für die 6. Mannschaft hagelte es Absagen und ich musste froh sein am Ende des Tages 7 Spieler für unsere 4. Mannschaft zusammen bekommen zu haben.
Bei mir stieg die Spannung: Können wir mit dieser Mannschaft gegen Veldhausen/Uelzen 2 den erhofften/erwarteten doppelten Punktgewinn erzielen?
Am Ende nach dem Wettkampf verspürte ich Erleichterung. Erleichterung, dass wir uns nicht bis auf die Knochen blamiert haben. Das 4-4 ist aber auch ein Kompliment an bravourös kämpfende Veldhausener, die uns wirklich alles abverlangt haben. Natürlich war auch der Rost eindeutig zu spüren. Es fehlte einfach die Spielpraxis und damit schlich sich so mancher Fehler ein.
Die Spielanalyse
In der Folge die Paarungen je nach Beendigung der Partie.
Brett 7: Nach einer Stunde lagen wir 0:1 hinten: Das Brett ging kampflos an die Gastgeber. Hier musste ich einen Spieler einsetzen, um Jakob die Möglichkeit zu geben, am 8. Brett DWZ-technisch eine machbare Aufgabe zu bekommen.
Brett 6: Es ist für einen Mannschaftsführer immer großartig, wenn der Ersatzspieler direkt punktet. Aus einer Aljechin-Verteidigung entstand ein Zentrum mit verkeilten Bauern. In so einer Stellung greift man über die Flügel an. Franks Gegner SF Hilberink hatte schon rochiert, Frank hingegen nicht. Somit blies Frank am Königsflügel zur Attacke. Auf dem Partieformular fehlten wohl ein paar Züge. Jedenfalls gelang Frank der Durchbruch am Königsflügel und nach Turmverlust hatte sein Gegner genug gesehen: 1-1.
Brett 8: bei Jakob hatte ich die Hoffnung das er etwas Zählbares mitnehmen kann. Nach der Partie hatte er nur an Erfahrung hinzugewonnen. Ich vermute, dass er das erste Mal einen Colle-Aufbau auf´s Brett bekommen hat. Eigentlich hatte er sich ganz brauchbar aufgebaut und sich auch Zeit bei seinen Zügen gelassen. Aber plötzlich war eine Figur weg und wenige Züge später war Jakob mattgesetzt: 1-2.
Brett 3: auch wenn Ramin im Onlineblitzen so manchen Erfolg mit der Bird-Eröffnung einsammeln konnte, halte ich diese Eröffnung für Partien mit normaler Bedenkzeit völlig fehl am Platz. Das zeigte die Engine auch schonungslos während der gesamten Phase der Eröffnung. Weiß stand in der Bewertung immer schlechter, selbst dann, wenn SF Wolterink nicht den besten Zug fand.
Beim Übergang ins Mittelspiel fand SF Wolterink mehrmals nicht den besten Zug und Ramin stand in einer zugigen vogelwilden Stellung völlig auf Gewinn (s. Diagramm). Statt aber dem Gegner den Garaus zu machen, fand er wahrscheinlich den schlechtesten Zug. Die Bewertung kippte von +18 auf Matt in 4 für Schwarz. Das ließ sich SF Wolterink nicht entgehen. Und Ramin wurde mattgesetzt: 1-3.
Die Spannung im Mannschaftskampf stieg. Ich machte eine schnelle Runde über die Bretter und konnte niemanden von uns im Vorteil sehen.
Brett 1: Ludger führte die weißen Steine und wählte eine äußerst passive Eröffnung. Das Resultat war ein langer und zäher positioneller Kampf. Das Ziel von Ludger ins Endspiel zu kommen, erreichte er nur teilweise. Jedenfalls erhielt er – kurz nachdem wir 1:3 hinten lagen – ein verständliches Remis-Angebot. Ich wies Ludger an, dass er weiterspielen muss, um den Mannschaftskampf offen zu halten. Ludger war gesundheitlich etwas angeschlagen ins Spiel gegangen und hatte wohl keine Kraft mehr. Ein paar Züge später meinte er, dass er nicht mehr durchkommen würde und bot seinerseits Remis an, was SF Stevens natürlich sofort annahm.
Brett 2: die letzte Partie gegen SF Grabs liegt bestimmt 20 Jahre zurück. Wir bekamen ein Abspiel der Philidor-Verteidigung aufs Brett, in der Weiß marginal besser stand. Vor allem der weißfeldrige Läufer auf der Diagonale a2-f7 war mir die ganze Zeit ein Dorn im Auge. Zwischen dem 10. und 15. Zug verbrannte ich bei der Variantenberechnung extrem viel Zeit. Auf beiden Seiten wurden einige ungenaue Züge gespielt. In der Analyse zeigte mir die Engine immer wieder den Vorstoß am Damenflügel. Aber der weiße König steht am Königsflügel. Also konzentrierte ich meine Streitkräfte Richtung Königsflügel. Nach dem ich die f-Linie auf Kosten eines Doppelbauern geöffnet hatte, zeichnete sich für mich der Königsangriff schon ab. Also Türme auf der f-Linie verdoppeln und mit den Leichtfiguren Schwächen provozieren. Waren es zuerst die schwarzen Felder in der gegnerischen Stellung, die schwach waren, wurden es später die weißen Felder. So langsam kamen wir beide in Zeitnot (ich muss definitiv an meinem Zeitmanagement arbeiten). Mit dem 24. Zug taten sich am Königsflügel Lücken auf. Das nutzte ich aus ….
Zeitgleich versuchte Weiß im Zentrum mit seinem Springer Drohungen aufzubauen und musste mit dem Springer auf den Damenflügel ausweichen. Nach g3 von Weiß war endlich das Feld h3 frei für meine Dame. Erst den Springer nach g4, um den blockierenden Läufer auf f2 auszuschalten. Weiß startete einen Gegenangriff im Zentrum. Der kam mir nur zugute, weil jetzt die Diagonale c8 nach h3 aufging. Jetzt ging es ganz schnell und mit meinem 36. Zug drohte ich ein Matt in einem Zug auf zwei verschiedene Arten. Damit konnte ich auf 2,5-3,5 verkürzen.
Brett 6: Martin spielt gemessen an seiner Wertungszahl viel zu weit hinten. Ich vermute, dass er sich in dieser Saison gegen „leichtere“ Gegner Selbstvertrauen holen will, um in der nächsten Saison wieder weiter vorne anzugreifen. Es kam irgendetwas Königsindisches aufs Brett (Anm.: D94, Grünfeld-Indisch, geschlossen). Beide Spieler lavierten hin und her. Als ich schon dachte das die Partie in den Remishafen abgleitet, fasste sich Martin ein Herz und startete den Königsangriff. Dieser schlug auch erfolgreich ein. Aber bevor Martin SF Schüring Matt setzten konnte, fiel die Zeit von SF Schüring. Wir konnten auf 3,5 zu 3,5 ausgleichen.
Brett 4: Alfons wählte einen Königsindischen Aufbau und kam mit leichtem Vorteil aus der Eröffnung heraus. Ich hatte zwischendurch den Eindruck. dass der Durchbruch am Königsflügel nur eine Frage der Zeit sein müsste. Da hatte ich mich aber geirrt. Ob der Mut fehlte oder die Variantenberechnung nicht tief genug war? Wir werden es nicht erfahren. (Anm. d. Red: Doch! Und zwar, wenn man auf den Nachspiellink klickt).
Ich werde mit meiner Mannschaft in den nächsten Wochen Bauernstrukturen und Bauerndurchbrüche üben müssen, das ist offensichtlich. Alfons hatte vorher schon nach einem Remis gefragt, ich gebot ihm aber weiterzuspielen. Nachdem Martin den Ausgleich hergestellt hat, konnte Alfons erleichtert das Remis anbieten, welches SF Thünemann sofort ebenfalls erleichtert und zufrieden annahm.
Wenn ich den gesamten Mannschaftskampf betrachte, war trotz des DWZ-Vorteils an 5 Brettern wohl nicht mehr drin als ein 4-4. Um so erleichterter war ich, dass wir nach einem zwischenzeitlichen 1-3 Rückstand am Ende noch ein 4-4 erreicht hatten. Etwas ärgerlich war, dass Ramin seine wilde Partie einzügig weggestellt hat. Das hätte nicht sein müssen. Ich gehe davon aus, dass wir im nächsten Wettkampf 8 Spieler ans Brett bringen und gegen Bersenbrück/Bramsche auch unseren Rost etwas abgeschüttelt haben werden.
Nachspiellink für alle Partien
Niels Dettmer (Mannschaftsführer SV Hellern 4)
Fotos: © Hellern-Archiv
Notationen: Niels Dettmer