Vermeidbare Niederlage gegen Topfavoriten

Das war nicht nötig. Es war aber möglich. Und damit kann man die Unterschiede zwischen dem, was auf den Brettern passiert, und der Post-Analyse eines spannenden Wettkampfes hinreichend beschreiben. Unterm Strich stand die erste Niederlage der Dritten: 3-5 gegen Hagen 2.

Keine gute Tat bleibt ungestraft!

In Ermangelung eines Wettkampfberichtes war der federführende Redakteur zu weitreichenden Recherchen gezwungen. Einige Telefonate später war er schlauer. Erstens: es gab viele offene Fragen zu bestimmten Stellungen. Zweitens: es gab wenigstens eine Anekdote.

Fangen wir mit der Anekdote an. Um 15:59 Uhr soll ein Spieler des gastgebenden Vereins mit wehenden Rockschößen ins Spiellokal geeilt sein und um Teilhabe am Wettkampf gebeten haben. Diese wurde trotz ausgefüllter Wettkampfkarte von der Gästen gewährt (was auch fair gewesen ist). Allerdings schoss besagter Spieler dann unseren Mannschaftsführer ab – schöne Partie, tolle Taktik.
Mich erinnert dies jedoch an die warnenden Worte eines alten erfahrenen Schachfunktionärs, der mich vor Jahrzehnten vor den Wechselfällen des schachlichen Schicksals gewarnt hatte. Wobei wir bei der Überschrift dieses Absatzes gelandet sind.

Nein, auch Dh2 ging nicht!

Kommen wir zu den offenen Fragen. Im Fokus stand die Partie Brunner (Hagen) – Magiera (Hellern). Brunner spielte eine fabelhafte Angriffspartie und krönte sie mit einem Turmopfer. Hinterher lag bleischwer die Frage über der Partie, ob es denn für Thomas (Foto) nicht einen magischen Rettungszug gegeben habe. Hier ist die Antwort: Nein!

[Event „Bezirksliga 2017/18“]
[Site „Hagen“]
[Date „2017.10.28“]
[Round „2.8“]
[White „Brunner“]
[Black „Magiera“]
[Result „1-0“]
[ECO „B08“]
[WhiteElo „1448“]
[BlackElo „1476“]
[Annotator „Thal“]
[PlyCount „32“]
[EventDate „2017.??.??“]
[EventType „team“]
[EventRounds „9“]
[EventCountry „GER“]
[SourceDate „2015.09.05“]
[SourceVersionDate „2015.09.05“]
[WhiteTeam „Hagener SV II“]
[BlackTeam „SV Hellern III“]
[WhiteTeamCountry „GER“]
[BlackTeamCountry „GER“]

1. e4 d6 2. d4 Nf6 3. Nc3 g6 4. Nf3 Bg7 5. Be3 O-O 6. Qd2 c6 7. h4 Qc7 $2 {
Was hilft’s, wenn man hinterdrein erfährt, dass der Vorstoß des weißen
h-Bauern nichts droht. Diese Attacken sind IMMER unangenehm.} (7… h5 $1 8.
Bh6 Nbd7 9. Bxg7 Kxg7 10. O-O-O Qa5 11. Kb1 b5 12. Bd3 e5 $1 {0-1 (71) Litrico,
P (1921)-Lanni,V (1849) Bratto 2008}) 8. h5 $16 Ng4 9. hxg6 fxg6 $2 ({Leider
ist es so: Man muss fast immer mit dem h-Bauern nehmen.} 9… hxg6 10. Bg5 $16)
10. Bc4+ d5 (10… Kh8 11. Ng5 Nxe3 12. Rxh7#) 11. exd5 Nxe3 12. Qxe3 Kh8 13.
Rxh7+ $1 ({Bekannt ist das Turmopfer besonders in Stellungen, wo der Th1
sofort auf die h-Linie schwenken kann.} 13. O-O-O a6 $2 14. Rxh7+ Kxh7 15. Rh1+
Bh6 16. Qxh6+ Kg8 17. Qxg6#) 13… Kxh7 14. Ng5+ Kh8 15. O-O-O Bf6 (15… Qh2 {
Ist das der magische Rettungszug, der Th1 verhindert? Nur vorübergehend, denn
Weiß hat auch einen magischen Zug mit der Dame.} 16. Kb1 c5 (16… b5 17. Bb3
Qh5 {und es folgt der magische Damezug} 18. Qc1 $1 $18 {[%cal Rd1h1]}) 17. d6 (
17. Qc1 {geht hier nicht:} Qf4 18. Rh1+ Kg8 19. d6+ e6 20. Nxe6 Qxc1+ 21. Kxc1
Bxe6 22. Bxe6+ Rf7 23. Nd5 $14) 17… e6 18. dxc5 Nc6 19. Nce4 Ne5 20. Bxe6
Bxe6 21. Nxe6 $18) 16. Rh1+ Kg8 (16… Kg8 17. d6+ $18) 1-0

Soviel zu den magischen Zügen. Wir sind in der Bezirksliga und nicht in Hogwarts bei Harry Potter.

Großes Übel musste Stefan Grasser (Foto) hinnehmen. Stefan stand schlecht (Diagramm links), vielleicht bereits auf Verlust, aber nun besorgte das Springeropfer 21… Sg3+ 22. Sxg3 hxg3 23. f5 gxf2! 24. Sxf2 (24. fxe6 Txf3-+) 24…gxf5 0-1 der Partie den Rest. Das war keine Magie, sondern Handwerk.

 

Überhaupt lief der Wettkampf auch strategisch aus dem Ruder. So zwang der Wettkampfstand Jürgen Grosser (Foto) nach einer beiderseitig technisch gut gespielten Partie die mausetote Remisstellung gegen Heiner Rieping auf Verlust zu spielen – natürlich mit dem Ziel, sie dennoch zu gewinnen. Das Ergebnis war wie immer in solchen Fällen keine Überraschung. Auch hier wurde die gute Tat bestraft

Die Partie des Tages spielten Maximillian Glaser und Stefan Ewert. Das liegt daran, dass die drei Gewinnpartien von Franz Ernst, Uwe Kuchemüller (er soll wenigstens magisch gespielt haben) und Martin Rothe nicht den Weg in die Redaktionsstube gefunden haben. Das grenzt bereits an Selbstkasteiung.

Nachtrag: Was nicht ganz stimmt, denn die Partie am Spritzenbrett zwischen Daniel Tietje und Franz Ernst (Foto) liegt vor. Theoretisch interessant und lebhaft, endete die Auseinandersetzung mit einem Fingerfehler ohne gravierende Folgen – auch andere Züge hätten den Hagener nicht mehr gerettet.

[Event „Bezirksliga 2017/18“]
[Site „Hagen“]
[Date „2017.10.28“]
[Round „2.1“]
[White „Ernst, Franz“]
[Black „Tietje, Daniel“]
[Result „1-0“]
[WhiteElo „1883“]
[BlackElo „1971“]
[Annotator „Ernst, Thal“]
[SetUp „1“]
[FEN „2rb1rk1/3R3p/1n6/1p2ppp1/1N6/2P3P1/1P3PKP/2BR4 w – – 0 32“]
[PlyCount „9“]
[EventDate „2017.??.??“]
[EventType „team“]
[EventRounds „9“]
[EventCountry „GER“]
[SourceDate „2015.09.05“]
[SourceVersionDate „2015.09.05“]
[WhiteTeam „SV Hellern III“]
[BlackTeam „Hagener SV II“]
[WhiteTeamCountry „GER“]
[BlackTeamCountry „GER“]

32. Rb7 $16 f4 ({Thal: Stockfish sieht hier noch eine Verteidigungsressource.}
32… Rf7 33. Rxd8+ Rxd8 34. Rxb6 f4 35. Rxb5 Rd1 $1 {Schwer zu finden, erst
recht in Zeitnot:} 36. Rxe5 h6 37. gxf4 Rxc1 38. Nd3 $14) 33. gxf4 exf4 34. Rd6
Nc4 {Rennt in horrender Zeitnot in die vorbereitete Variante.} 35. Rdd7 Bf6 36.
Nd5 $18 {Schwarz fasst den Läufer an und gibt auf (entweder Matt oder Se7 mit
Gewinn von Qualität und Bh7).} ({Auch ohne dieses Missgeschick war die
Stellung nicht zu halten (Thal).} 36. Nd5 Ne5 37. Nxf6+ Rxf6 38. Rg7+ Kf8 39.
Rxh7 Rf7 40. Rhxf7+ Nxf7 41. Rxb5 $18) 1-0

 

Bleibt also nur das fabelhafte und auch irgendwie mysteriöse Springerendspiel zwischen den Schachfreunden Glaser und Stefan Ewert (Foto). Dies führt dazu, dass in diesem Bericht fast nur Niederlagen präsentiert werden, aber auch in dieser Partie haben es die Hagener verstanden, dort den Stachel ins Fleisch zu rammen, wo es richtig weh tut.

[Event „Bezirksliga 2017/18“]
[Site „Hagen“]
[Date „2017.10.28“]
[Round „2.4“]
[White „Glaser, Maximilian“]
[Black „Ewert, Stefan“]
[Result „1-0“]
[ECO „D00“]
[WhiteElo „1774“]
[BlackElo „1735“]
[Annotator „Thal“]
[SetUp „1“]
[FEN „5k2/5ppp/2p3n1/pp1p4/3P1PN1/6P1/PPPK3P/8 b – – 0 27“]
[PlyCount „52“]
[EventDate „2017.??.??“]
[EventType „team“]
[EventRounds „9“]
[EventCountry „GER“]
[SourceDate „2015.09.05“]
[SourceVersionDate „2015.09.05“]
[WhiteTeam „Hagener SV II“]
[BlackTeam „SV Hellern III“]
[WhiteTeamCountry „GER“]
[BlackTeamCountry „GER“]

27… f6 {[%csl Rc6,Rg7] Man wird sehen, dass eine saubere Bauernstruktur im
Springerendspiel wichtig ist: Weiß hat Ketten, deren Basis weit vom
gegnerischen Springer entfernt ist, während im schwarzen Lager die Bauern c6
und g7 latent schwach sind. Wenn man dies erkennt, bietet sich an: 1) den Bc6
zu decken und 2) den Bg7 nach g6 zu stellen. Danach würde Schwarz die Felder
e5, f5, g5 und h5 decken. Richtig schlecht kann das nicht sein und 27…f6 ist
der erste Schritt.} 28. Nf2 Ke7 $5 (28… Ne7 29. g4 g6 $11 {[%csl Ge5,Gf5,Gg5,
Gh5] Diese Aufstellung kann auch Stockfish nicht bekämpfen.}) 29. Nd3 Kd6 $2
30. Nc5 $16 {Es droht f4-f5 nebst Se6.} a4 $2 {sieht logisch aus, leitet aber
das weiße Gewinnverfahren ursächlich ein.} (30… Ne7 {verhindert f4-f5
nebst Se6.} 31. Nb7+ Ke6 32. Nxa5 Kf5 {[%cal Rf5g4,Rg4h3] Für den Bauern hat
Schwarz ein gewisses Gegenspiel.}) 31. b3 $1 axb3 32. cxb3 {Im Prinzip ist die
Stellung unter praktischen Wettkampfbedingungen für Weiß gewonnen, weil
dieser einen einfachen Plan hat, während Schwarz sich einen Wolf rechnet.
Allerdings werden Gewinnstellungen in der Regel irgendwann verdorben. Auch
diese Regel wird im Folgenden bestätigt.} Ne7 33. a4 bxa4 34. bxa4 Nc8 35. a5
Na7 36. Kd3 $6 {Ja, das ist die große Chance für Stefan.} (36. f5 $18 {
[%csl Rg7]}) 36… Nb5 (36… f5 $3 {Stockfish 8 64:} 37. a6 Nb5 38. h3 g6 39.
g4 Kc7 $1 {Danach ist kein weißer Gewinn nachzuweisen:} 40. Ne6+ Kb6 41. Nf8
fxg4 42. hxg4 h5 $11) 37. h4 $2 {Es gab nun für Stefan vier Kandidaten: 2
verlieren, 2 remisieren. Also Fifty-fifty.} (37. f5 $18) 37… h5 $2 {Autsch,
daneben.} (37… f5 $11) (37… g6 38. g4 f5 39. gxf5 gxf5 40. h5 h6 $11) (
37… Ke7 38. f5 $18) (37… Nc7 38. f5 $18) 38. f5 $18 {[%csl Rg7]} Ke7 39.
Ne6 g6 40. Nf4 gxf5 41. Nxh5 Kf7 42. Nf4 Kg7 43. a6 Kf7 44. Ne2 Kg6 45. Ke3 Nc7
46. a7 Kf7 47. Kf3 Kg6 48. Nf4+ Kh6 49. Ne6 Na8 50. Kf4 Kg6 51. Nd8 c5 52. dxc5
d4 53. Ne6 {[%mdl 4098]} 1-0

Ziemlich gut vom Hagener gespielt, wenngleich nicht perfekt. Und so zeigte auch diese Partie, dass die 3-5-Niederlage in Hagen nicht nötig, aber möglich war. So geschah es dann auch, aber nach einem ordentlichen Saisonstart tut das nicht wirklich weh, denn aufsteigen will die Dritte ja nicht.

Fotos: © 2017 Hellern Archiv