Frustrierend. Spannend. Brutal. Durchgeknallt. So in etwa lassen sich die Partien des gestrigen Abends beschreiben. Nur ein Remis! 4x gewann Weiß, 4x gewann Schwarz. Geschont wurde niemand. Dass Vorentscheidungen in der Luft lagen, zeigten bereits die Paarungen. Und wie kamen sie zustande? Nun, hätte mir das jemand vorher erzählt, dann hätte ich ihm den Vogel gezeigt. Als sich um 22:30 Uhr der Rauch verzogen hatte, gab es einen ungeteilten Tabellenführer, einen neuen Verfolger und keine Antwort auf die Frage, wer denn nun Vereinsmeister wird.
Die Stimmung im Spiellokal war adrenalingesättigt. Später lag das auch an den Stellungen. Zunächst aber an den dumpfen Beats und der rauen Schreien der Fußballjugend, die offenbar etwas zu feiern hatte. Die unerwünschte Zwangsbeschallung aus der Umkleidekabine durchdrang mühelos alle dicken Mauern und widersetzte sich auch allen diplomatischen Vermittlungsversuchen. Zunächst jedenfalls, dann war Ruhe. Wer das überstanden hatte, ohne die Konzentration zu verlieren, konnte sich in der der fortan anhaltenden Stille auf die Schultern klopfen.
Frustrierend
Die erste große Entscheidung fiel dann in der Partie Stock-Gillenkirch. Robert Gillenkirch (Foto links) hatte sich akribisch vorbereitet und begegnete seinem Tabellennachbarn zunächst auf Augenhöhe. Jörg hatte einen gewissen zentralen Vorteil, aber sonst nicht viel in der Hand. Aber er ging mit dem unerwarteten heftigen Widerstand recht pragmatisch um.
Im 15. Zug kam es zu einer folgenschweren Entscheidung: Robert spielte 15…Tad8?
Leider gab es eine ‚petite combinaison‘, die sich Jörg nicht entgehen ließ.
Zwei Dinge dazu: Mit 15…Sxc3 nebst b5-b4 (ein thematischer Zug, der in der Post-Analyse diskutiert wurde) konnte mindestens eine gleiche Stellung erreicht werden. Das aber blieb ein schachlicher Konjunktiv, denn Robert gab zwei Züge später auf. Dann sollte auch erwähnt werden, dass die gesamte Zugfolge bereits vor 28 Jahren gespielt wurde, und zwar in der Partie Garcia Ramon (ELO 2315) – Perez, Las Palmas. Verblüffend, aber ohne tröstendes Potential. Robert wird sich nicht hängen lassen – es kann noch einiges passieren. Nachspiellink
Spannend
In der Partie Lange – Röhrich gelang Stefan, der zwischenzeitlich bereits gegen Julian zur Lage die einzige Niederlage wegstecken musste, ein richtig spektakulärer Coup. Er besiegte den Hollager Spitzenspieler (Foto rechts) eindrucksvoll. Technisch war das große Klasse.
Brutal
In Szobries – zur Lage gelang Julian (Foto links) ein souveräner Schwarzsieg gegen Harald Szobries (Freibauer Lübbecke). Julian, der zu den Topscorern unserer Oberliga-Mannschaft gehört, hatte mit dem ambionierten Aufbau von „Harry“ keine Probleme, stand nach 10 Zügen deutlich besser und sorgte dann mit einigen Kraftzügen bereits im 17. Zug für eine klare Gewinnstellung. Harry fühlte sich völlig überrollt, wie er anschließend respektvoll einräumte. Nachspiellink
Durchgeknallt
In Bade – Thorben Weist ergriff der Nachziehende seine letzte Chance und bleibt nach seinem Sieg gegen Hajo Bade in der Verfolgergruppe mit 3,5 P. Das eingangs erwähnte Attribut „durchgeknallt“ beschreibt das Finale der Partie ziemlich gut. Es ist allerdings als Kompliment gemeint, denn beide hauten sich Sachen um die Ohren, die mich (zumindest was den Titel betrifft) an den Kinofilm „Der Gott des Gemetzels“ erinnerte. Hajo hätte sich mit seinem Brachialangriff diesen Ehrentitel abholen können, fand aber aber einen „durchgeknallten“ Zug nicht. Womit wir wieder beim Thema gelandet sind …
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Der Zwischenstand
Spannend wird noch die Nachholpartie Paul – Rein. Der Sieger darf sich ins Verfolgerfeld einreihen…
Impressionen
Foto oben: Jens Gausmann (links) kam gegen Theo Saltenbrock zum ersten vollen Punkt.
Foto unten: Hartmut Weist (rechts) wehrte sich lange, musste aber gegen Frank Kamper dann doch die Segel streichen.
Fotos: © Thal 2017